Wo lagen für Sie die größten Stolpersteine beim strategischen Wandel Ihres Geschäftsmodells in Richtung Service Providing?
Alexander Lippold: Unseren Kunden fehlte anfangs das Vertrauen in die Cloud, für sie war es ein abstrakter Begriff. Deshalb mussten wir im ersten Schritt erst einmal Vertrauen aufbauen. Dazu gehörte auch, Abstand zu nehmen von kurzfristigen Steuerungen hin zu längerfristigen, strategischen Entscheidungen. Ein weiterer Punkt war die Frage, wie sich ein Vendor-Lock-in verhindern lässt: Wie sieht ein mögliches Ausstiegs-Szenario aus der Cloud aus? Wie lassen sich Daten und Anwendungen aus der Cloud zurückholen und zu einem anderen Anbieter migrieren? Und wie lange dauert das?
Uwe Kannegießer: Die Entscheidung, als mittelständisches Systemhaus ins Cloud- und Managed-Service-Geschäft einzusteigen, hat zudem einen ganz wesentlichen kaufmännischen Aspekt. Denn damit geht ein Teil des Reselling-Geschäfts verloren. Der Kostenblock aber bleibt unverändert. Es gilt also zu klären, wann ich mit den wiederkehrenden Umsätzen aus dem Cloud-Geschäft den Break-Even erreichen und meine Kosten decken kann. Das ist bei einem Systemhaus mit ca. 100 Mitarbeitern gar nicht so einfach. Denn ich kann nicht nur Mitarbeiter aus dem Reselling-Bereich für das Cloud-Geschäft abziehen, weil das eine ganz andere Art von Geschäft ist. Es kostet also zusätzlich Geld, dieses Geschäft aufzubauen.
Alexander Lippold: Wenn man sich dazu entscheidet, Cloud-Anbieter werden zu wollen, sieht man sich auch erst einmal der Übermacht der Public Cloud Anbieter wie AWS, Microsoft Azure und Google konfrontiert. Man muss genau klären: "Was mache ich anders? Was ist mein Geschäftsmodell, mein USP?" und im zweiten Schritt entscheiden, welchen Bereich man zuerst in die Cloud verlagert, ohne diesen USP aufzugeben, den man sich im klassischen Projektgeschäft erfolgreich aufgebaut hat. Zentrale Fragen sind dabei: Lässt sich dieser USP überhaupt in der Cloud abbilden? Können Andere diesen USP einfach kopieren? Denn dieser USP ist im Cloud-Geschäft transparenter für Wettbewerber als im Projektgeschäft. Außerdem bin ich - wenn ich Kunden längerfristige Verträge anbiete, auch verpflichtet, diese Services über viele Jahre hinweg zu erfüllen. Das muss ich in der Kalkulation erst einmal abbilden können.
Andreas Rother: Wir sind bereits 2008 ins Managed-Service-Geschäft gestartet - damals noch als klassisches Systemhaus mit Schwerpunkt Datacenter. Der neue Geschäftszweig entstand aus einer Kundenanfrage heraus. Mit diesem Kunden sind wir die ersten Wege gegangen. Rückblickend kann man sagen, dass wir uns über den vollen Umfang der erforderlichen Ausrichtung noch nicht bewusst waren. Denn erst im Laufe der Zeit wurde klar, was der Kunde alles von uns erwartete. So mussten wir beispielsweise transparent darlegen können, wofür wir uns vertraglich verpflichten, beispielsweise im Hinblick auf Datenschutzbelange, die Service Level Agreements (SLAs) inklusive möglicher Pönalen. Das führte mittelfristig dazu, dass wir einen Juristen einstellten. Seitdem haben wir ein riesiges Know-how rund um das Vertragswesen aufgebaut. Das ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt.
Ein weiteres großes Thema war der Aufbau und die Organisation des Service-Operation-Centers für den 7x24-Stunden-Support in deutscher und englischer Sprache. Wir haben dafür einen Vier-Schicht-Dienstbetrieb aufgesetzt und arbeiten hier komplett ITIL-konform. Ganz wichtig ist auch unsere ISO 27001 Zertifizierung, dass schafft Vertrauen.
Ein weiterer Punkt ist die Schnittstellen-Thematik. Die Kunden-IT in die Cloud zu transferieren, bedeutet auch, oft die Schnittstellen für 100 und mehr Applikationen zu lösen. Wir haben dazu eine Software-Division aufgebaut. Und sie ist ein ganz wichtiges Instrument für das Zusammenspiel mit Managed Services und Cloud. Im Schnitt dauert eine Transition in die Cloud sechs Monate und die Gewinnung eines potenziellen Kunden ca. neun bis zwölf Monate.
Roland König: Das überrascht dann gerade die Geschäftsführer beim Kunden immer wieder, weil sie doch nur per Klick einen neuen Service zuschalten wollen - so, wie sie es privat mit ihrem Smartphone gewohnt sind.
Andreas Rother: Für ein mittelständisches Unternehmen mit 150 Mitarbeitern wie die ahd sind das gewaltige Herausforderungen. Zumal die wiederkehrenden Erträge erst in der Zukunft liegen, die erforderliche Infrastruktur, Manpower und das Know-how aber schon im Vorfeld aufgebaut werden müssen, um das Geschäft in der Zukunft abbilden zu können.
Roland König: Die große Herausforderung steckt im Wort "und": Wir haben einerseits das Projektgeschäft aus der Vergangenheit, das wir nicht einfach abschneiden können und wollen. Die Cloud wird uns nicht alle Erträge ersetzen, die wir heute erwirtschaften. Für uns ergab sich aus dieser kaufmännischen Herausforderung die Frage: "Wie stellen wir uns künftig organisatorisch auf? Welche Services wollen wir erbringen? Was ist der Mehrwert, mit dem wir Standards veredeln?" Letztlich hängt die Antwort von den Kunden ab. Und viele Kunden erwarten, dass wir sie auch weiterhin im Projektgeschäft gut bedienen, weil nicht jeder alle Bereiche in die Cloud verlagern will.
Gleichzeitig verändert sich der Markt radikal durch die Digitale Transformation - die Kunden haben ganz neue Anforderungen. Sie möchten Services einfach und schnell nutzen und nicht unbedingt immer Hard- und Software kaufen. Das bedeutet, die Kauf- bzw. CAPEX-Modelle von gestern werden sich in OPEX-Modelle verwandeln.
Es geht also darum, den richtigen Zeitpunkt und die richtige Mischung zu finden aus den richtigen Anforderungen, den passenden Produkten und der entsprechenden Organisation. Dann funktioniert
Jürgen Dick: Wichtig für Systemhäuser ist es jetzt, zu analysieren: "Wo mache ich mein Geschäft? Womit erwirtschafte ich meine Margen? Wo kann mir die Cloud nutzen? Wo sind die Grenzen?" Im zweiten Schritt kann der Partner dann erste Cloud-Projekte umsetzen, um sich im dritten Schritt speziellen Service-Themen zu widmen. Denn nur damit werden Partner künftig Geld verdienen.
Andreas Rother: Wir haben 3 Geschäftsfelder, dass klassische Systemhaus On-Premise-Geschäft, Managed Services und Business-Prozess-Services. Wir brauchen das On-Premise-Geschäft, um das Hier und Jetzt bezahlen zu können. Wir haben allerdings auch unser Systemhausgeschäft strategisch so aufgestellt, dass es uns auf dem Weg in Richtung Managed Services fördert. Und ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Modell der wiederkehrenden Erlöse unsere Zukunft noch geplanter gestalten können und nicht jedem Projekt hinterherlaufen müssen.
Jedes Geschäftsfeld wäre auch in sich erfolgreich am Markt, der Mehrwert bei uns liegt in der Schnittstelle über alle Bereiche hinweg, um die Kundenanforderungen optimal zu bedienen.
Uwe Kannegießer: Einem Systemhaus, das aus seiner Reselling-Historie heraus bei seinen Kunden großes Vertrauen genießt, wird der Weg ins Managed-Service-Geschäft leichter fallen. Denn der Kunde wird eher mit diesem Partner ins Cloud-Geschäft einsteigen, als mit einem Partner, der zwar nur Managed Services macht, den er aber nicht kennt. Die Kombination aus beidem ist wirklich gut.
Andreas Rother: Die wichtigsten Kunden, die wir für Managed Services gewonnen haben, hatten vorher nichts mit unserem Systemhausgeschäft zu tun. Wir sind erst mit den neuen Leistungen eingestiegen. Für Bestandskunden stimme ich Ihnen zu.
Markus Hofbaur: Ich sehe dennoch eine Gefahr für die Systemhäuser. Denn Sie übernehmen die Haftung für den reibungslosen IT-Betrieb des Kunden. Ein Systemhaus tut sich doch keinen Gefallen, wenn es ein komplexes Kundenproblem übernimmt und es zu seinem eigenen macht. Denn die Frage ist dann: Wie betreibe ich als Service Provider die IT und vor welche Herausforderungen - auch rechtlicher Art - stellt mich das? Und wer verdient mit Managed Services aktuell profitables Geld? Momentan sind das alles Vorab-Investitionen in die Zukunft.
- Die besten Systemhäuser 2016 im Bereich Managed Services
Die besten Systemhäuser 2016 in der Kategorie Managed Services. Zugrunde liegen die Bewertungen von Kunden nach dem Schulnotenprinzip. - Die besten Systemhäuser 2016 im Bereich Managed Services
Platz 6: ACP IT Solutions Note: 1,46 - Die besten Systemhäuser 2016 im Bereich Managed Services
Platz 5: ahd hellweg data Note: 1,42 - Die besten Systemhäuser 2016 im Bereich Managed Services
Platz 3: pco Personal Computer Organisation Note: 1,32 - Die besten Systemhäuser 2016 im Bereich Managed Services
Platz 3: Fritz & Macziol Note: 1,32 - Die besten Systemhäuser 2016 im Bereich Managed Services
Platz 2: Dextra Data Note: 1,17 - Die besten Systemhäuser 2016 im Bereich Managed Services
Platz 1: IT Haus Note: 1,05
Jürgen Dick: Ich beobachte sehr viele neue, Born-in-the-Cloud-Partner, die mit einer sehr guten, innovativen Idee ganz schnell Projekte dieser Art gewinnen und umsetzen. Sie hebeln an dieser Stelle die langjährigen, etablierten Beziehungen zum Systemhauspartner einfach aus. Denn die Entscheidungen für diese Projekte werden möglicherweise in Fachabteilungen gefällt, die zum Systemhaus gar keine Beziehung haben. Für ein Systemhaus, das aus dem Infrastrukturbereich kommt, ist es deshalb enorm wichtig zu definieren: "Wo generiere ich echten Mehrwert für den Kunden? "Welches Projektgeschäft kann ich machen?" Das kann auch nur etwas Einfaches sein, beispielsweise die Abrechnungsthematik in der Cloud über alle Kostenstellen hinweg zu lösen. Schon das kann ein Einstieg sein ins Service-Geschäft sein. Es ist nicht einfach, eine echte Service-Organisation aufzusetzen, aber dieses Einstiegsgeschäft sollten Partner nicht nur den Start-Ups überlassen.