Wo liegen die Hürden der IT-Leiter zur Bereitstellung service-orientierter Dienste?
Unternehmen erwarten, dass ihre IT-Abteilung service-orientierte Dienstleistungen bereitstellt. Wo liegen die Hürden, und wie helfen Sie Ihren Kunden, diese Hürden zu überwinden?
Roland König: Mit der bestehenden Datacenter- und IT-Umgebung können viele Kunden die wachsenden Anforderungen seitens der Geschäftsführung und der Fachabteilungen nach mehr Agilität nicht erfüllen. Diese Unternehmen müssen ihre vorhandene IT rundum modernisieren und eine service-orientierte IT aufbauen, um so neue Services per Klick bereitstellen zu können. Die meisten Kunden benötigen dafür Unterstützung. Also kommen sie auf uns zu und fragen: "Was muss ich denn tun? Wie geht es weiter?" Um Kunden auf diesem hybriden Weg beraten zu können, bilden wir bei Bechtle seit vier Jahren so genannte IT-Business-Architekten aus.
Markus Hofbaur: Die Komplexität im Rechenzentrum ist enorm gestiegen ebenso wie das Datenvolumen, verschärft durch das Internet of Things. Erschwerend kommt hinzu, dass die IT, wie sie sich über die Jahre entwickelt hatte, gar nicht für die Virtualisierung ausgelegt war - und erst recht nicht für deren konsequente Weiterentwicklung in die Cloud. Das Software Defined Datacenter war deshalb immer der springende Punkt - also die Möglichkeit, Workloads auf virtuellen Maschinen im laufenden Betrieb zu verschieben. Wir können helfen, diese Komplexität aus dem Datacenter herauszunehmen und auch die Frage, wie ich mit den Daten im Rechenzentrum umgehe.
Jürgen Dick: Um die Kostenvorteile der Cloud deutlich zu machen, müssen Mitarbeiter sehr genau darlegen können, für welche Teile eines Geschäftsprozesses sich welche Form eines Cloud-Services am besten eignet und zu Einsparungen führt. Das ist ein riesiges, auch finanziell sehr lohnenswertes, margenträchtiges Feld für den Verkauf von Consultant-Leistungen. Und dieses Geschäft wird aus den Fachbereichen heraus getrieben.
Der Einfluss der Fachabteilungen auf IT-Entscheidungen wächst. Wie wirkt sich das für Sie als Systemhauspartner aus?
Roland König: Ich erlebe es zunehmend, dass wir Kundentermine mit Fachabteilungsleitern haben, für die es noch vor ein paar Jahren unvorstellbar war, überhaupt mit uns zu sprechen. Und sie erzählen uns ganz offen von ihren Nöten. Bei dieser Diskussion geht es nicht um technische Fragen, sondern um die Beratung zu passenden Services und Prozessen. Wir müssen also unseren Vertrieb mit dem nötigen Know-how ausstatten und dazu ermutigen, mit den Fachabteilungen über deren Business-relevante Themen und Aufgaben zu sprechen und dazu die passenden neuen Architekturen aufzusetzen.
Uwe Kannegießer: IT-Abteilungen in den Unternehmen müssen sich neu definieren und zum Dienstleister für die Fachabteilungen wandeln, was gar nicht so einfach ist. Wir möchten hier gerne, der IT-Abteilung zu helfen, sich gegenüber den Fachabteilungen neu zu positionieren.
Es gibt schon innovative IT-Leiter, die sagen: Ich habe nur noch einen oder ich finde schwer Mitarbeiter, ich will alles rausgeben. Es gibt immer wieder Beispiele dafür, dass IT-Leiter mit Systemhäusern klassische Projekte zur Erneuerung der Infrastruktur angehen - und sich dann herausstellt: Das Projekt ist schon längst bei AWS gelandet - ohne dass die IT was davon mitbekommen hätte. Historisch bedingt ist aber der IT-Verantwortliche der Ansprechpartner eines Systemhauses. Den kann man jetzt nicht einfach übergehen - und an ihm vorbei mit der Fachabteilung sprechen, da verstehen wir uns als Partner.
Bechtle GmbH & Co. KG IT-Systemhaus, Roland König, Geschäftsführer
Microsoft Deutschland GmbH, Jürgen Dick, Cloud Platform Lead
SHD System-Haus-Dresden GmbH, Alexander Lippold, Sales Consultant für Managed Services
SimpliVity Corporation, Markus Hofbaur, Director Channel Central Europe
teamix GmbH, Uwe Kannegießer, GoTo Market Bereichsleiter
Moderation: Dr. Ronald Wiltscheck, Chefredakteur ChannelPartner
Alexander Lippold: Wenn man einen IT-Leiter, mit dem man in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet hat, nicht mitnimmt auf diesem Weg, kann es auch sehr leicht passieren, dass er verständlicherweise querschießt. Das ist ein sehr anspruchsvolles Thema, an dem viele unserer Vertriebsmitarbeiter hart zu knabbern haben.
Andreas Rother: Das ist auch von der Größe des Kunden abhängig. Von Capex zu Opex ist bei Dax-Unternehmen gesetzt. Die großen Unternehmen haben heute digitale Berater, um den Wildwuchs an Schatten-IT wieder in den Griff zu bekommen. Im Kundensegment von 10 bis 300 Mio. Euro haben wir eine Umfrage unter IT-Leitern zu Managed Services und Outsourcing gemacht. Ergebnis: Die Mehrheit sieht aktuell keine Notwendigkeit dafür. Die Geschäftsführer desselben Kundensegments beantworten die Frage exakt entgegengesetzt. Es gibt diese Diskrepanz in diesem Segment. Die Geschäftsführer wollen auslagern und die IT-Leiter an ihrem Job festhalten. Deshalb müssen die Vertriebsmitarbeiter auch den Mut aufbringen, am IT-Leiter vorbei in die Fachabteilung und in die Geschäftsführung zu gehen - denn da wird entschieden. Den IT-Leiter muss man informiert halten und wenn möglich, auf dem Weg mitnehmen, er kann nur davon profitieren, dass muss ihm aber klar werden.
All die von Ihnen beschriebenen Entwicklungen verändern auch die Anforderungen an Vertriebs- und Consultant-Mitarbeiter im Systemhaus. Wie gehen Sie damit um?
Andreas Rother: Wir haben unsere Vertriebsorganisation komplett umgestaltet: Die einzige Aufgabe des Vertriebs ist es heute, den Kontakt zum Kunden herzustellen, ihn zu beraten und die Anforderungen zu klären. Dann kommt das entscheidende Instrument zum Zug: der Solution Sales für unsere drei Geschäftsbereiche Business Prozesse, Managed Services und klassisches Systemhausgeschäft. Der Solution Sales - mit all seinen Spezialisten für Cloud-Architekturen, Hyperconverged Systems und Business-Prozess-Know-how z.B. SAP etc. - übersetzt die Kundenanforderungen in eine Lösung. Er trägt auch die Verantwortung für die Umsetzung der Geschäftschancen. Idealerweise bringen diese Mitarbeiter solides technisches Wissen und Erfahrung mit, sind aber nicht zu Technik-verliebt und können mit dem Kunden auch eine betriebswirtschaftliche Diskussion über dessen Geschäftsprozesse führen.
Markus Hofbaur: Den herkömmlichen Verkaufszyklus beim Kunden auch einmal zu durchbrechen, ist eine der ganz großen Herausforderungen - für Systemhäuser und Hersteller. Denn das bedeutet konkret: Auch wenn der IT-Leiter mit einem Millionen-Budget zum Beispiel für den Kauf neuer Storage-Systeme winkt und ein kurzer Projektzyklus absehbar ist, muss der Vertriebler des Systemhauses der Verlockung widerstehen, einfach nur ein Angebot dafür abzugeben und den hohen Umsatz auf einen Schlag mitzunehmen. Er müsste den Mut haben, innezuhalten und mit dem Kunden in die grundsätzliche Diskussion über seine IT-Strategie einzusteigen und eventuell auch die Fachabteilungen mit ins Boot zu holen. Das erfordert ganz anderes Verkäuferprofil - und die Rückendeckung der Geschäftsführung seines Systemhauses, weil sich damit die Umsatz- und Ertragsströme grundlegend ändern. Für die meisten VBs es schwer, überhaupt wieder zu diesem echten Beratungsansatz zu finden, eine Mehrwertdiskussion zu führen.
Alexander Lippold: Damit der Vertriebsmitarbeiter überhaupt in dieser Weise agieren kann, bedarf es aber völlig anderer Vergütungsstrukturen, bei denen beispielsweise zu klären ist: Welchen Anteil hat das Fixgehalt? Was genau fließt in die Provision ein? Denn mit dem bisherigen Projektgeschäft brechen für einen Mitarbeiter die bisherigen Umsätze und Provisionen weg. Mit Services erreicht er erst zu einem viel späteren Zeitpunkt seine Ziele. Diesen Konflikt erleben alle Mitarbeiter bei diesem Wandel.
Wie verändert das die Art und Weise, in der Sie mit den unterschiedlichen Ansprechpartnern beim Kunden kommunizieren? Gibt es jenseits des Vertriebs auch IT-gestützte Ansätze, über die Standardanliegen des Kunden erfüllt werden - zum Beispiel über ein Portal?
Roland König: Die Kunden suchen - gerade in der Anonymität der Cloud-Ära, wieder die Nähe zu einem Partner, der sie durch diese Anonymität begleitet. Sie wollen einen Ansprechpartner zum Anfassen - nicht nur ein Portal. Deshalb brauchen wir auch im Cloud-Zeitalter mehr Vertriebsmitarbeiter, nicht weniger. Ein Portal kann die Abwicklung erleichtern und Transparenz für Wettbewerbsangebote schaffen - aber niemals den Vertrieb ersetzen.
Andreas Rother: Wenn wir den Mittelstand bei der Digitalen Transformation unterstützen wollen, brauchen wir auch etwas, das diese Digitalisierung abbildet.Deshalb haben wirein Portal entwickelt, über das der Kunde künftig auch jede Art von Cloud-Dienst beziehen und nutzen kann. Die nächste strategische Entscheidung war deshalb konsequenterweise, unsere Rechenzentren nach Frankfurt zu verlagern, um beispielsweise die Latenzzeiten für diese Szenarien kurz zu halten. Der Kunde schätzt nicht nur die persönliche Nähe zu seinem IT-Dienstleister, sondern er will über uns auch Public-Cloud-Angebote einer AWS oder Microsoft beziehen können. Das heißt, wir werden künftig auch als Cloud-Broker agieren. Der Kunde muss sich in allen Umgebungen bewegen können - die Schnittstelle dazu bietet das Portal.
Jürgen Dick: Als Systemhaus sollte man auch das Portfolio sondieren - auch im Hinblick auf die Cloud-Marktplätze. Denn sie bieten ein enormes Potenzial jenseits der Infrastruktur, schnell in das Lösungsgeschäft mit Anwendungen einzusteigen, z.B. mit SAP Hana, oder Citrix etc.
Wie gewährleisten Sie ein profitables, das heißt auch skalierbares Service- und Cloud-Geschäft, ohne den USP zu verlieren?
Uwe Kannegießer: Wenn ich als Systemhaus die IT meiner Kunden betreibe, dann funktioniert das nur mit relativ standardisierten Services, die sich skalieren lassen. Das ist die Kunst dabei. Wer versucht, alle individuellen Ansprüche eins zu eins im eigenen Rechenzentrum abzubilden, wird es schwer haben, profitabel arbeiten zu können.
Alexander Lippold: Es gibt aber auch eine Alternative: als Manufaktur für jeden Kunden einen individuellen Service zu bauen.
Jürgen Dick: Das Manufaktur-Modell kann nur funktionieren, wenn der Kunde auch bereit ist, dafür zu zahlen. Entscheidend ist für einen Dienstleiter, der diesen Ansatz verfolgt, die Services in einer sehr hohen Geschwindigkeit bereitstellen zu können. Das ist der Knackpunkt. Ein anderer Weg, der hier angesprochen wurde, ist, das Service-Portfolio auszubauen. Das ist oft einfacher gesagt als getan. Wenn ich Services jenseits des Standards im 7x24-Modus und unter Einhaltung aller branchenspezifischen Compliance-Vorgaben anbieten will, ist das für größere Unternehmen machbar und sie können damit punkten. Für kleinere Häuser und Start-Ups ist es eher empfehlenswert, sich auf einzelne Services zu konzentrieren.
Roland König: Auch hier ist meines Erachtens wieder das "und" entscheidend. Denn Office 365 ist ein Standard-Dienst, den der Kunde einfach nutzen kann, den ich aber in der Regel noch um individuelle Services ergänzen muss. Ist das jetzt schon eine Veredelung oder noch Standard? Man wird beides machen müssen. Für bestimmte Kunden wird es unumgänglich sein, einen gewissen Grad an Individualisierung zu gewährleisten.
Wie steht es um die Rahmenbedingungen bei der Infrastruktur: Hemmt das die Cloud-Geschäfte?
Roland König: Die oft völlig mangelhafte Bandbreite auf dem Land hindert viele Kunden daran, Dinge in die Cloud auszulagern, obwohl sie das liebend gerne täten. Die Infrastruktur ist gar nicht in der Lage, die Services in der vom Kunden benötigten Zeit auszuliefern. Das ist teilweise ein echter Wettbewerbsnachteil für die Kunden. Die Politik muss hier dringend massiv nachbessern. Das ist ein großes Hemmnis, dessen Lösung wohl noch Jahre dauern wird.
Alexander Lippold: Und Kunden gehen in dieser Situation dann oft so vor: Sie geben dem Vertrieb und den Consultants des Systemhauspartners grünes Licht fürs Outsourcing, und übertragen den Punkt der Anbindung einfach an den Dienstleister, nach dem Motto: Wenn er das Geschäft machen will, muss er auch eine schnelle Internetverbindung gewährleisten, möglichst schon nächste Woche. Mit solchen Anforderungen muss man erst mal klarkommen.