Der Online-Unterricht an den Schulen ist ein gutes Beispiel dafür, dass bei der Digitalisierung insbesondere die Inhalte wichtig sind und nicht in erster Linie die Technologie. Der digitale Reifegrad einer Schule korreliert nicht mit der Anzahl der beschafften Smartboards. Diese bleiben ungenutzt, während die digitale Schule sich in der Krise neu erfindet.
Wir alle sollten lernen, anders an die Digitale Transformation heranzugehen. In den letzten Jahrzehnten haben wir den Schwerpunkt unserer Anstrengungen darin gesehen, bestehenden Prozesse fortlaufend zu automatisierten und optimierten. Die Notwendigkeit von Veränderungen haben wir stets daran bemessen, um welchen Grad die Effizienz gesteigert und Kosten reduziert werden können.
Der Fokus auf Effizienz versperrt den Blick auf das Wesentliche
Mit demselben Ansatz starten wir in die Digitalisierung. Digitale Technologien bewerten wir mit den gleichen Kriterien, die wir schon seit Jahrzehnten anwenden. Wir betreten mit dem Start in die vierte industriellen Revolution Neuland und halten fest an dem alten Mantra der Effizienzsteigerung. Und trotzdem, oder gerade deswegen bewegen wir uns auf ein Abstellgleis. Edison hat die Glühlampe nicht erfunden, indem er die Kerze optimierte.
Sind es nicht Innovationen, die wir dringend benötigen? Ein Modell, welches die Notwendigkeit für ein neues Denken veranschaulicht ist das Konzept der S-Kurven nach Richard N. Forster. Indem wir die neuen Möglichkeiten nur nutzen, um weiter die bestehenden Prozesse zu optimieren, verlängern wir vielleicht die Phase der ersten S-Kurve. Wir verpassen jedoch den Start in die zweite Kurve, die langfristig den Erfolg sichert. Es ist wichtig, den Übergang zum neuen digitalen Zyklus jetzt anzugehen. Dazu müssen wir jedoch offen sein für neue Ideen.
Entscheidend wird die Kopplung von internen und externen Prozessenketten ohne Systembrüche sein. Das klassische Lieferanten-Kunden-Verhältnis wird sich ändern. B2C oder B2B waren gestern. Zukünftig werden wirtschaftliche Beziehungen zu einem B2B2C.
Ausschlaggebend sind digitale Prozesse ohne Systembrüche
Durch das direkte Kunden-Feedback, gehen Verbesserungen schneller in die Weiterentwicklung des Produkts ein. Multichannel-Anbieter mit direktem und indirektem Kundenkontakt werden daher krisensicher und langfristig erfolgreicher sein.
Auch und gerade Dienstleister, die Prozessketten ohne Abbrüche implementieren können, finden in einem B2B2C-Umfeld einen Wettbewerbsvorteil. Liegt nicht hier auch die Zukunft der Systemhäuser? Digitale Technologien wie Big Data, künstliche Intelligenz und Blockchain mögen geeignete Werkzeuge sein. Aber wesentlich sind hier ganzheitliche Ansätze.
Wird es in Zukunft überhaupt noch eine klare Grenze zwischen einer internen IT und dem externen Systemhaus geben?
Beispiel für innovative Partnerschaften
Gerade neue Formen der Zusammenarbeit fördern Innovation. Co-Creation, d.h. die Beteiligung des Kunden an der Entwicklung neuer Produkte, führt zu kreativen Ideen. Ritter Sport zum Beispiel sucht den direkten Kontakt zum Verbraucher und fordert diesen aktiv auf, Vorschläge für neue Kreationen einzureichen. So entstehen Geschmacksorten, an die eine kleine Mannschaft an internen Mitarbeiter nie gedacht hätte (https://www.ritter-sport.de/sortenkreation/#/start).
Lesetipp: Co-Creation - So gelingt Innovation dank Kunden-Input
Auch Partnerschaften mit Wettbewerbern (Coopetition) sind kein Tabu mehr. Automobilhersteller, die zuvor im gleichen Kundensegment konkurrierten, gründen Kooperationen, um schneller Ergebnisse erzielen zu können. So forschen beispielsweise BMW und Daimler gemeinsam an Sicherheitsassistenten für autonom fahrende Autos.
Gerade die Digitalisierung bietet viele Chancen, neue Geschäftsmodelle zu finden. So überraschten im Dezember 2019 die Schwarz Gruppe (Eigner der Handelskette Lidl), Würth und EnBW mit der Ankündigung, gemeinsam eine kommerzielle Cloud-Lösung mit europäischen Sicherheitsstandards aufbauen zu wollen. Die IT-Töchter dreier Unternehmen unterschiedlichster Branchen nutzen Synergien und starten in ein digitales Geschäftsmodell.
Auch Systemhäuser und interne IT-Abteilungen müssen umdenken
Die oben genannten Ankündigungen sind nur Beispiele für neue Möglichkeiten von Kooperationen. Sollten daher nicht auch IT-Dienstleister und Systemhäuser, in ihrer Funktion als Technologieexperten, ebenfalls über Kooperationen nachdenken? Kann es in Zukunft noch den Generalisten geben, der die Kundenprozesse versteht und zugleich noch das nötige Knowhow in den Themenfelder Cloud, IT-Security, Datenschutz und digitale Strategie hat?
Partnerschaften bieten die Chance den neuen Anforderungen der Kunden gerecht zu werden und gleichzeitig Schritt zu halten mit dem technologischen Wandel. Nicht ausschließlich die Dinge richtig tun (Effizienz), sondern häufiger die richtigen Dinge tun (Effektivität) - ist das nicht der richtigere Ansatz?
Der Innovationsdruck steigt
Corona hat uns veranschaulicht, was exponentielles Wachstum bedeutet. Einzelne Unternehmen sind diesem Innovationsdruck ohne Partnerschaften kaum gewachsen. Jederzeit starten neue Player mit innovativen Geschäftsmodellen, die rasch zu einem bedrohlichen Wettbewerber im angestammten Kernmarkt heranwachsen können. (bw)