Die VAD-Sparte bei Ingram Micro hat sich rasant entwickelt: Anfang 2007 unter Leitung des heutigen Deutschlandchefs Marcus Adä mit einem überschaubaren Portfolio (Autodesk, IBM, Oracle, Trend Micro, McAfee) gestartet, umfasst die Einheit inzwischen rund 200 Mitarbeiter und ein breites Anbieterspektrum. Dazu beigetragen hatte, neben rein organischem Wachstum, auch der hausinterne Umbau, in dessen Folge ein Teil der Themen, Hersteller-Units und der Belegschaft aus der Broadline in die VAD-Unit wechselten.
Uwe Kannegießer, Director des 160 Mitarbeiter starken VAD-Bereichs Advanced Solutions (Cloud, Security, Server & Storage, Networking), war von Beginn an federführend am Aus- und Aufbau der Value-Division beteiligt. Er erläutert mit Klaus Kahle, der 2010 zu Ingram wechselte und seit Mai 2014 in der Region DACHH das gesamte Cloud Business verantwortet, die künftigen Pläne.
Die Value Division von Ingram Micro umfasst neben den Advanced Solutions, in der unter anderem das Enterprise-Geschäft von IBM, HP, SAP, Cisco und Lenovo verankert ist, auch das Vertical-Segment und Speziallösungen wie Digital Signage oder UCC. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Uwe Kannegießer: Die Business Development Manager dieser Units arbeiten übergreifend zusammen, um den Lösungsverkauf voranzutreiben. Gemeinsam betreuen wir mittlerweile mehr als 2.000 aktive Partner. Wir wollen aber nicht nur die interne Zusammenarbeit intensivieren, sondern auch neue Kooperationen zwischen den Partnern, wie sie beispielsweise die True Blue Gruppe bereits seit fünf Jahren sehr erfolgreich praktiziert, weiter fördern, indem wir zum Beispiel Netzwerk- und Software-Partnern zusammenbringen - kurzum jede Art sinnvoller Kombinationen, über die Partner tiefer ins Lösungsgeschäft einsteigen können. Denn wir beobachten, dass aus den bestehenden Netzwerken heraus immer wieder zusätzliche thematische Schnittstellen entstehen.
… Das ist unter anderem bei der "True-Blue"-Allianz von IBM-Partnern gut zu beobachten.
Kannegießer: Ja, in der Tat. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: True-Blue-Partner GIS, der im Multimedia-Bereich sehr aktiv ist, sondierte nach Möglichkeiten, mit Polycom das Geschäft auszubauen. Das haben wir realisiert. SVA wiederum hatte eine Tochter gegründet, die Software für den Healthcare-Bereich entwickelt, unter anderem eine Software für die telemedizinische Anbindung an eine Patientenakte. Bei diesem Projekt kann der Patient in seinem gewohnten Lebensumfeld seine medizinischen Messungen einfach selber durchführen und diese werden dann direkt an die Ärzte und Krankenhäuser gesendet. Das ganze natürlich verschlüsselt und hoch sicher. Nachdem die Politik die Telemedizin auf Ihre Agenda geschrieben hat und die ersten Mediziner diese direkt mit den Krankenkassen abrechnen können, zog die Nachfrage nach diesen Lösungen spürbar an.
Das sind Beispiele dafür, wie wir mit unserem Vertical-Bereich echte Synergien schaffen, um völlig neue Themen anzugehen. Hier bewegt sich momentan sehr viel. Ein anderes Beispiel ist der IBM-Bereich: Hier haben wir uns für die nächsten zwei Jahre das Ziel gesetzt, für alle Neuakquisitionen, die IBM tätigt, die ersten zu sein, die diese Themen am Markt positionieren und Partnern diese neuen Themen und die Kontakte zu den Ansprechpartnern bei IBM vermitteln.
Inwiefern nutzen Sie dazu auch das IBM-Programm Skill for Growth?
Kannegießer: Das nutzen wir intensiv. Wir haben im Rahmen dieses Programms zwei IBM-Mitarbeiter eingestellt. Das hat sich sehr gelohnt, weshalb wir erwägen, dieses Modell zu erweitern.
Funktioniert das auch beim Thema Softlayer?
Kannegießer: Softlayer ist bei uns strategisch und weltweit im Cloud-Bereich verankert - hierzulande also sowohl im Cloud-Team von Klaus Kahle, als auch im IBM-Team.
Klaus Kahle: Wir verantworten in unserem Bereich zwar bestimmte Hersteller, allerdings immer in Verbindung mit den verschiedenen anderen Bereichen innerhalb der Unit wie Digital Signage oder Security. Denn wie IBM decken auch viele andere Anbieter mit ihren Produkten eine ganze Bandbreite von Themen ab. Deshalb müssen wir auf das Spezialwissen der einzelnen Bereiche bei uns im Haus zugreifen können. In der Cloud Unit betreuen wir vor allem die für Service Provider relevanten Produkte inklusive der zugehörigen Cloud-Services.
Umfasst das auch die konvergenten Infrastrukturen oder nur die Software-Angebote?
Klaus Kahle: Die Converged Infrastructures, CI, spielen in der Cloud Unit eher eine untergeordnete Rolle. Es kommt letztlich immer auf das Szenario an, das der Partner damit erfüllen möchte. Die CI sind insofern interessant, als sie Partnern, die mit dem Hosting- oder Service-Provider-Geschäft starten wollen, eine Infrastruktur-Basis liefern, die ihnen den Einstieg erleichtert. Systemhäuser, die diesen Weg einschlagen, übernehmen in der Regel anfangs für ihren Kunden den Betrieb relativ einfacher Szenarien, beispielweise für virtuelle Server, bestimmte Betriebssystem-Applikationen oder Datenbanken - je nachdem, welches Know-how der Partner mitbringt. Für diese Szenarien sind die CIs prädestiniert. Geht es darum zu klären, welches System sich für die Anforderung am besten eignet, stimmen wir uns mit den Kollegen aus der Server & Storage-Unit ab. Anders sieht das bei klassischen Hostern oder Service Providern aus, also bei der Klientel, die wir vorrangig betreuen - die haben weniger Bedarf an diesen Systemen. Denn diese Partner wissen ganz genau, was sie für ihr Rechenzentrum benötigen, welche Leistungsanforderungen es erfüllen muss et cetera. Es kommt also auf das Einsatzgebiet des Partners an.
Im April kündigte Ingram Micro an eine Cloud-Marketplace- und Aggregations-Plattform an, über die Partner Dienste an ihre Kunden weitervermarkten können. Bislang werden diese Dienste in USA gehostet. Planen Sie, ein Rechenzentrum in Deutschland einzurichten, um dem Kundenwunsch nach deutschen Datenschutzrichtlinien entgegen zu kommen?
Kahle: Die Plattform ging am 2. Juni in Nordamerika live. Sie ermöglicht eine kombinierte und automatisierte Verarbeitung der Services und umfasst auch alle nötigen Tools zur Bereitstellung, Abrechnung, Vertragssteuerung und Monitoring. Wir planen, die Plattform in den nächsten Monaten schrittweise weltweit auszurollen - somit auch in Deutschland. Die Angebote werden wir hinsichtlich des Portfolios natürlich an die individuellen Marktgegebenheiten der jeweiligen Länder anpassen. Wir werden die Cloud-Lösungen jener Hersteller anbieten, die wir im Portfolio führen. Das sind aktuell mehr als 70 Anbieter mit insgesamt über 200 Produkten.
2013 übernahm Ingram Micro den kanadischen Service Provider SoftCom, der einen Cloud-Marktplatz und Rechenzentren in Kanada und den USA betreibt. Warum?
Kahle: Mit dieser Firma haben wir zum einen Service-Provider-Know-how erworben, zum anderen eine sehr tiefe Partnerschaft und Know-how rund um Parallels. Und auf Parallels fußt auch unsere Cloud-Plattform. Gleichzeitig hat Ingram selbst eine strategische Partnerschaft mit Parallels geschlossen, um diese Plattform weiterzuentwickeln.
Werden Sie über die Cloud-Plattform auch Angebote, die hierzulande von ISVs entwickelt wurden, weltweit vermarkten?
Kahle: Das lässt sich allgemein nicht beantworten, das muss man immer individuell gemeinsam mit dem Anbieter klären.
Repräsentatativ: Der Eingangsbereich.
2008 wurde eine weitere Halle gebaut und die Kapazität verdoppelt.
Jeden Tag kommen noch rund 100 Händler, um ihre Pakete im Logistikzentrum persönlich abzuholen.
Die Arbeit im RDC ist nicht ganz ungefährlich, deshalb gibt es klare Sicherheitsanweisungen.
Der Fuhrpark in den Lagerhallen: Für die Roller gibt es sogar einen TÜV mit Prüfplakette.
Au 80.000 Quadratmetern lagert hier Ware.
Am Wareneingang stapeln sich nicht nur Neuware sondern auch Retouren.
Hier warten die Pakete und Paletten auf die Erfassung.
Manchmal ganz schön mühseelig: Jedes einzelne Päckchen wird eingescannt und erfasst.
Nicht alles passt auf eine Europalette: So müssen beispielsweise Smartboards aufrecht transportiert werden.
Eine besondere Herausforderung an die Logistik: Hier ein tonnenschwerer Produktionsdrucker von Hewlett-Packard...
... da eine Micro-SD-Karte von Verbatim, wie Operation & Service Director Richard Weinfurtner demonstriert.
Bei der Höhe der Hallen wird schon das auswechseln einer Glühbirne zur Herausforderung.
Rund 10 Tonnen Abfall fallen im RDC pro Tag an, da ist ein ausgefeiltes Recycling-Konzept wichtig.
Morgens gehen schon die ersten Pakete in der Kommissionierung auf die Reise.
Alleine die Gabelstapler verschlingen 600 Euro Stromkosten pro Tag.
Auch im RDC gelten klare Verkehrsregeln.
Ein kaputter Elektromotor an Toren und an der Fördertechnik kann schnell mal den Betrieb lahmlegen, dehalb werden jede Menge Ersatzmotoren vorgehalten.
Rund 60.000 Pakete verlassen täglich das RDC.
Die Ware wird nach einem ausgeklügelten System eingelagert.
Alles hat seinen Platz!
In der Kommissionierung wird die Ware dem Empfänger zugeordnet.
Hier warten schon die ersten Paletten am Warenausgang auf den LKW.
Die "Druckerfarm": Hier werden Strich-Code-Etiketten gedruckt.
Nur Befugte dürfen bei Ingram den Besen schwingen!
Das RDC bietet zusätzliche Services an: Hier werden auf Kundenwunsch Server konfiguriert.
Ingram hat im RDC Sonderflächen eingerichtet, um zusätzliche Dienstleistungen anbieten zu können: Hier wird demnächst eine hochmoderne Lasergravurmaschine stehen.
In der Kleinteilekommissionierung wird die Ware mit einem speziallen Scanner erfasst, der am Finger und am Handgelenk befestigt ist.
Die Versandkartons werden erst in der Halle gefaltet und verklebt und dann dem Versand zur Verfügung gestellt.
Die gefüllten Kartons werden dann gewogen. Weicht das Gewicht ab, muss der Inhalt überprüft werden. So kommt es kaum zu Fehllieferungen: Weit über 99 Prozent der Pakete sind korrekt bestückt.
Der Lieferschein wird automatisch beigelegt.
... Deckel und Versandetikett drauf - fertig!
Die schnelle Eingreiftruppe mit ihren Dienstfahrzeugen.
Bei 60.000 Paketen pro Tag braucht man jede Menge Versandetiketten.
Hier werden die neu gepackten Paletten noch mit Schutzfolie umwickelt.
Letzte Station vor dem LKW.
Hier werden die ausgehenden Pakete zu den richtigen Warenausgangsbereichen geleitet.
Die Förderbänder können bis in die LKWs ausgezogen werden, so kann der Fahrer sein Fahrzeug optimal beladen.
Nach Arrow wären sie dann der zweite Distributor, der in Deutschland eine Cloud-Plattform startet. Tech Data hatte zwar schon 2012 eine Plattform angekündigt, den Start hierzulande aber verschoben. Also arbeitet an einer Plattform. Wie reagieren die Partner auf Ingrams Ankündigung - überwiegt die Skepsis oder die Aufbruchstimmung, weil sie künftig einen leichteren Zugang zu einer Vielzahl gebündelter Cloud-Dienste erhalten?
Kahle: Ein Großteil dessen, was die Plattform darstellt, basiert - wie die Partnerprogramme auch - auf den Erfahrungen von Partnern und sehr interessanten Gesprächen, die wir mit unseren Partnern weltweit geführt haben. Viele Service Provider haben uns signalisiert, dass sie ihren Kunden gerne bestimmte Dienste zur Verfügung stellen würden, aber dafür weder eigene Kapazitäten, noch Personal noch Know-how haben.
Und es gibt Systemhäuser, die bereits viel in die Cloud-Ausbildung investiert haben, aber nicht in eigene Hosting-Infrastruktur investieren wollen. Sie fürchten aber, ihre Kunden zu verlieren, wenn sie ihnen keine Cloud-basierten Dienste liefern können.
Beide sagen: "Warum liefert uns Ingram Micro nicht diese Dienste?" Und exakt das machen wir jetzt. Der Partner hat die Wahl: Er kann die Services vermitteln, er kann seine eigenen Hosting-Dienste mit unseren Angeboten ergänzen, und er kann sich für ein komplettes White-Labeling-Modell entscheiden, bei dem wir die Services komplett liefern - unter dem Brand und im Namen des Partners.
Verglichen mit der Situation von vor drei Jahren dreht sich die Diskussion bei Systemhäusern heute nicht mehr um die Frage "ob", sondern darum "wie" sie in das Cloud-Geschäft einsteigen. Dennoch verdient ein Großteil unverändert vor allem am Verkauf klassischer Installations- und Wartungsservices - das gilt auch für viele Cloud-Pioniere unter den Systemhäusern. Wie sieht das Verhältnis bei Ingram Micro aus? Sie haben massiv investiert, aber die Umsätze werden - wie bei den Partnern - in den nächsten vier Jahren erst einmal in kleinen Tranchen eingehen.
Kahle: Für die nächsten vier Jahre ist das kaum zu vorherzusagen, weil sich die einzelnen Marktsegmente ganz unterschiedlich darstellen. Bei den Kollegen in den USA sieht es ganz anders aus als hierzulande. In Deutschland ist Cloud als Lösung und Nutzungsmodell durchaus weit fortgeschritten, wir sind aber immer sehr verhalten, vor allem bedingt durch Fragen der Sicherheit und der Datenhaltung. Insgesamt hat sich der Bereich sehr positiv entwickelt. Denn die ursprünglich vielerorts ablehnende Haltung hat sich aufgeweicht. Heute diskutieren wir mit Partnern über die möglichen Herangehensweisen an das Cloud-Geschäft, insbesondere im Hinblick auf betriebswirtschaftliche Aspekte.
Kannegießer: Gerade bei den größeren Systemhäusern werden sich viele Kombinationen aus klassischer Implementierung und Cloud ergeben. Kleiner Häuser, die eine eigene Lösung entwickelt haben, werden diese Lösungen ergänzend aus der Cloud anbieten. Es wird sehr viele, sich ergänzende Modelle und hybride Kombinationen geben.
Planen Sie, in Ihre Cloud-Plattform auch Cloud-Marktplätze anderer Anbieter zu integrieren - beispielsweise von SAP oder AWS?
Kahle: Technisch ist das natürlich möglich. Die Frage ist aber immer, welcher Anbieter das tun möchte. Ehe wir das strategisch fokussiert angehen, gilt es erst einmal zu prüfen, ob und inwiefern die Beteiligten von einem solchen Modell langfristig profitieren könnten. Hinzu kommt die Frage, ob wir uns auf bestimmte dedizierte Branchen-Lösungen wie z.B. SAP konzentrieren wollen, oder auf Partnersegmente, wie Telcos oder Service Provider. Denn die Anforderungen sind hier sehr unterschiedlich.
Gibt es darüber schon eine Entscheidung?
Kahle: Der Rollout der Cloud-Plattform und das Programm orientieren sich momentan rein auf das Segment Fachhandelspartner und Service Provider. Für alles weitere müssen auch erst die Strukturen geschaffen werden.
Wie sieht es im klassischen Geschäft aus - gibt es hier Segmente, die extrem gut oder schlecht laufen?
Kannegießer: Glaubt man den Medien, läuft die Wirtschaft extrem gut, Auftragslage und Wachstum seien hervorragend. Wir beobachten in der klassischen IT-Landschaft über alle Themen hinweg ein stabiles und gutes, aber kein euphorisches Geschäft. Große Projekte verschieben sich nach wie vor. Und es gibt Segmente, in denen sich viele Beteiligte sicherlich mehr erhofft haben, beispielsweise im Security-Bereich. Hier hatten sich viele im Zuge der NSA-Skandale mehr erwartet. Das hat sich so nicht realisiert.