Lebensversicherung

Was Sie zum Widerruf des Lebensversicherungsvertrags wissen müssen



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Bundesgerichtshof (BGH) zur Berechnung der Rückabwicklung nach Widerruf

Der BGH hat einige Grundsätze "zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nach Widerspruch" (BGH, Urteil vom 29.07.2015, Az. IV ZR 384/14) aufgestellt. So muss sich der VN die einbehaltene Kapitalertragsteuer nebst Soli anrechnen lassen (BGH, Urteil vom 29.07.2015, Az. IV ZR 448/14). Gewinne aus Fondsanlagen darf der VN als Nutzungen herausfordern, muss aber auch Verluste der Fonds gegenüber dem angelegten Sparkapital tragen, womöglich aber nur in engen Grenzen von vielleicht 10 % (BGH, Urteil vom 11.11.2015, Az. IV ZR 513/14).

Zu denken ist an die Frage, ob der VR auch Sicherheitsmargen in Risikobeiträgen behalten darf. Ohne Versicherungsmathematiker lassen sich nicht die Anteile des Beitrags berechnen, die für das tatsächliche Risiko oder die an den Vermittler geflossenen Provisionen benötigt und daher nicht verzinst werden. Anders die übrigen Abschlusskosten, die vollen Verwaltungskosten (inklusive Ratenzuschlägen) und die nicht benötigten Risikokosten. Diese werden nicht als Sparanteile im Deckungskapital abgelegt und mit der Nettoverzinsung der Kapitalanlagen verzinst sind, sondern bleiben im eigenen Kapital des Versicherers oder werden dort erspart. Es könnte daher nahe liegen, sie mit der Eigenkapitalrendite je Jahr des Versicherers nach Geschäftsbericht als Nutzungen zu verzinsen.

Würde man stattdessen 5 % über Basiszinssatz ansetzen, kommt es zur Beanstandung durch den BGH als zu pauschal. Dieser Ansatz resultiert aus der Bankenrechtsprechung bei Rückabwicklung und stellt dort eine Annahme dar, die die Gerichte akzeptieren, als pauschaler Ansatz für die Eigenkapitalrendite, die eine Bank auf jeden Fall erwirtschaftet. Bei Versicherern wird dies seit vielen Jahren gerichtlich so nicht anerkannt.

Die Eigenkapitalrenditen betragen von ca. minus 60 % in Einzeljahren bis zu ca. plus 40 %, bei manchen Versicherern zuletzt auch nur um die 2 %, bei anderen wie Allianz regelmäßig bis zu mehr als 30 % im Jahr. Wenn nur 10 % der Beiträge von z.B. 10.000 EUR, also 1.000 EUR, bei einem 1998 bis 2002 bezahlten Vertrag ins Eigenkapital gingen, so werden daraus bis zum Widerruf in 2015 bei 20 % Eigenkapitalrendite rund das 15fache, also 15.000 EUR, also herauszugebende Nutzungen von 14.000 EUR alleine aus dem Eigenkapital. Dies ist bei manchen Versicherern ein gewaltiger Hebel.

Der BGH sagt auch, dass der Kläger zumindest darlegungsbelastet für die gezogenen Nutzungen ist, die sich auf die konkreten Verhältnisse beim Versicherer beziehen müssen. Das ist ohne Sachverständigengutachten natürlich gar nicht zu schaffen. Auch muss man wissen, wo man die Daten für alle Versicherer seit 1995 herbekommt. Wer als Aktuar seit Langem Lebensversicherungen nachrechnet und dafür die kompletten Geschäftsberichte samt jährlichen Überschussdeklarationen brauchte und gesammelt hat, ist im Vorteil.

Keinesfalls ist jetzt schon alles durch den BGH geklärt. Bis dahin wird oft unnötig auf viel Geld verzichtet, wenn die Berechnungen nicht die Möglichkeiten ausschöpfen. Ohne Aussicht auf Vorleistung einer RSV bleibt die mögliche Aussicht auf Erstattung von Sachverständigenkosten nach Abschluss gerichtlicher Auseinandersetzung. Einige erfahrene Dienstleister übernehmen diese und gerichtliche Kosten gegen angemessene Gewinnbeteiligung.

Eine noch höhere Erstattung (z.B. kompletter Risikokosten) ist bei von Anfang an (und nicht erst durch Widerruf) nichtigen Versicherungsverträgen zu erwarten. Etwa wenn es der VR versäumt hat, bei minderjährigen Kindern die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts einzuholen, oder aber wenn die versicherte Person dem Vertrag nicht zugestimmt hatte, oder ein Einwilligungsvorbehalt vom Betreuungsgericht angeordnet worden war und daher keine Erfüllung bei Ein- oder Rückzahlung eintreten konnte, § 362 BGB (BGH, Urteil vom 21.04.2015, Az. XI ZR 234/14).

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