Eines muss man offen sagen: Schon vor der Vorstellung des iPhone SE 3 deuteten die Gerüchte daraufhin, dass die Apple-Fans die Erwartungen nicht allzu hoch stecken sollten. Dass weiterhin das Design des mittlerweile alten iPhone 8 zum Einsatz kommen wird, war schon früh klar. Das 5G-Upgrade sowie der neueste A15-Chip galten auch schon vorab als gesichert.
Trotzdem hat der eine oder andere wohl gehofft, dass Apple noch eine Überraschung an Bord haben wird. Schließlich muss sich das iPhone SE preislich mit der Android-Mittelklasse messen, die in den letzten Jahren besonders stark aufspielt. OLED-Displays mit kleinsten Rändern, große Formfaktoren und Kamerasysteme mit verschiedenen Linsen gehören da inzwischen zum Standard. Das iPhone SE kommt hingegen immer noch mit einem LCD, dicken Rändern und einer einzelnen Kamera aus.
iPhone SE 3 im Test: Apple hat's vermasselt
Warum Apples Strategie nicht aufgeht
Natürlich hat das SE auch einige Vorteile gegenüber der Android-Konkurrenz. Apple verbaut im Inneren stets den aktuellsten Chip, sodass das Gerät fast schon "übermotorisiert" ist. Das iPhone SE 3 bietet genauso viel Rechenleistung wie das aktuelle Top-Modell iPhone 13 Pro Max und damit mehr als jedes Android-Gerät auf dem Markt. Die Android-Mittelklasse leidet jedoch häufig unter leichten Schwäche-Erscheinungen in der Alltagsperformance, da in der Regel ältere oder abgespeckte Chip-Konfigurationen zum Einsatz kommen.
Trotzdem wird kaum ein Nutzer die Performance des A15-Chips im iPhone SE 3 ausnutzen können, der schon in den Topmodellen kaum auszureizen ist. Hier würde sich ein Kompromiss anbieten, denn mit einem etwas älteren Chip wäre das iPhone SE immer noch performant genug, die Ersparnisse könnten stattdessen in andere Komponenten investiert werden.
Doch die Performance ist nicht der einzige Grund, warum Apple das iPhone SE mit den neuesten Chips ausstattet. iPhones haben die Reputation, besonders langlebig zu sein. Das liegt auch an der Software-Unterstützung, die Apple für viele Jahre aufrechterhält. Doch damit iPhones für eine lange Zeit aktuelle Software unterstützen, muss die Hardware mithalten. Dafür ist trotzdem nicht der neueste Chip nötig – das iPhone 6S ist inzwischen über sechs Jahre alt und immer noch mit dem aktuellen iOS kompatibel.
Apple muss seine Prioritäten überdenken, wenn es weiterhin auf dem Mittelklasse-Markt erfolgreich sein will. Die Standards haben sich geändert und Kunden erwarten bei einem Preispunkt von über 500 Euro ein Gerät, das modern aussieht – und sich auch so anfühlt. Keiner der Komponenten im iPhone SE 3 ist wirklich schlecht (das Kameramodul leistet trotz mangelnder Auswahl an Objektiven hervorragende Arbeit).
Wenn ich jedoch im Jahr 2022 soviel Geld für ein Smartphone ausgebe, erwarte ich ein Gerät, das sich zumindest optisch vom iPhone 8 von 2017 (!) unterscheidet. 5G ist nach wie vor nur für einen begrenzten Markt ein wirkliches Thema und ein rasend schneller Prozessor ist für den Nutzer weder sichtbar, noch bringt er etwas, wenn er im Alltag keinen Vorteil gegenüber einem Chip von vor zwei Jahren hat.
Apple hat in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass sie sehr wohl in der Lage sind, auf das Feedback ihrer Käufer einzugehen und sollte die Reaktionen auf das iPhone SE 3 als Zeichen nehmen, dies auch jetzt wieder zu tun. Doch ein Problem bleibt, das wohl auch einer der Hauptgründe ist, warum das iPhone SE 3 so wenig Innovation bot.
iPhones, die sich selbst im Weg stehen
Werfen wir mal einen Blick auf das aktuelle iPhone-Portfolio von Apple. Über den Apple Store stehen neben der aktuellen iPhone-13-Generation folgende Modelle zum Verkauf: iPhone 11, iPhone 12 und das iPhone SE. Jetzt nehmen wir einmal an, Apple rüstet das iPhone SE so auf, wie es sich die meisten Kunden wünschen. Ein randloses Display-Design, am liebsten OLED, Face-ID, dazu ein Dual-Kamera-Modul.
Und jetzt vergleichen wir das Ergebnis einmal mit den anderen Modellen, die zum Verkauf stehen. Dank des aktuellsten Chips, auf den Apple im iPhone SE besteht, hat das iPhone SE damit das iPhone 11 und iPhone 12 übertroffen, gegenüber dem iPhone 13 bestehen ebenfalls kaum noch Unterschiede. Ganz zu schweigen davon, dass Apples Preisstrategie damit komplett durcheinander gewirbelt würde. Und um ein Gerät mit diesen Features für einen Mittelklasse-Preis anbieten zu können, müsste Apple die eigene Gewinnmarge deutlich herunterschrauben, und wir wissen, dass das nicht passieren wird. Doch es gibt eine Lösung.
iPhone SE 4: Was Apple dringend machen sollte
Bei einem genaueren Blick auf die verfügbaren iPhone-Modelle fällt auf, dass das iPhone 11 fast alle Features mit sich bringt, die sich Apple-Fans schon lange vom iPhone SE wünschen. Und tatsächlich kostet es auch nur 60 Euro mehr. Lediglich 5G fehlt, ebenso wie der aktuelle Chip, stattdessen kommt ein A13 zum Einsatz.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich könnte damit gut leben. Apple sollte bei der nächsten Generation des iPhone SE (dem iPhone SE 4) genau diesen Ansatz wählen. Natürlich kann das Unternehmen bei 5G keinen Rückzieher mehr machen, aber abseits davon ist es keine Schmach, auf etwas ältere (aber immer noch leistungsstarke) Hardware zu setzen.
Das iPhone SE 4 wird voraussichtlich im Frühjahr 2024 vorgestellt, dann gibt es bereits ein iPhone 15, das iPhone 11 wird bis dahin fünf Jahre alt sein. Mit diesem Gerät als Basis und einem etwas aktuellerem Chip (Apple könnte einfach beim A15-Chip bleiben) hat Apple ein Gerät, das dem aktuellen Standard gerecht wird und Fans überzeugt. Genug Unterschiede zu den Topmodellen wären immer noch vorhanden, um für diese einen Kaufanreiz zu schaffen. Vor allem das OLED-Display dürfte diejenigen überzeugen, die bereit sind, etwas mehr Geld zu investieren. Und bis dahin ist die Notch möglicherweise auch verschwunden.
Wenn es bis dahin nicht schon zu spät ist, denn Apple hat sich selbst ein Bein gestellt, indem es den Mittelklasse-Markt vernachlässigt. Und damit potenzielle Kunden zu Android-Herstellern getrieben. Apple kann es sich erlauben, der primäre Fokus lag stets auf dem Premium-Bereich, aber eigentlich ist das Unternehmen nicht dafür bekannt, Geld auf der Straße liegenzulassen. (Macwelt)