Mitarbeiter halten

So führt man erfolgreiche Bleibe-Gespräche

Dr. Albrecht Müllerschön ist Inhaber der Müllerschön Managementberatung, in Starzeln (Baden-Württemberg). Der Wirtschaftspsychologe ist Autor mehrerer Personal-Fachbücher und war Lehrcoach an der Uni Tübingen.
Wenn Beschäftigte das Unternehmen verlassen wollen, beziehungsweise Sie befürchten, dass eine Kündigung bevorstehen könnte, sollten Sie ein sogenanntes „Bleibe-Gespräch“ führen. Hier erhalten Sie Tipps, worauf Sie dabei achten sollten.
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Was ist ein Bleibe-Gespräch?

Das Bleibegespräch ist eine besondere Form des Mitarbeitergesprächs. Ziel ist es dabei, einen Beschäftigten nach einer Kündigung oder wenn Warnsignale darauf hindeuten, dass wichtige Beschäftigte das Unternehmen verlassen möchten, ein Gespräch mit vier Zielen zu führen:

  • Sie klären, ob diese Vermutung richtig ist.

  • Sie klären auch, wie weit sich die betreffende Person mental bereits vom Unternehmen distanziert hat und ob sie noch "umgestimmt" werden könnte.

  • Sie motivieren die Person zum Bleiben, wenn der vorige Punkt zutreffen sollte.

  • Sie führen das Gespräch so, dass falls die Person doch kündigt, Sie ihr das Gefühl geben, dass sie jederzeit zurückkommen könnte.

Wie bereiten Sie sich zu einem Bleibe-Gespräch vor?

Vor dem Gespräch sollten Sie sich als Führungskraft fragen, was genau sich beim Beschäftigten in der jüngeren Vergangenheit verändert hat und woran genau Sie dies festmachen. Sie sollten sich dabei auch fragen, was dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin immer für die eigene Motivation wichtig war und was er oder sie davon tatsächlich im Alltag bisher realisieren konnte?

Sie sollten dann auch ihr eigenes Verhalten reflektieren und sich fragen, ob es Dinge gibt, die Sie der betreffenden Person versprochen und dann gegebenefalls nicht eingehalten haben oder konnten. Sie sollten sich selbst auch bewusst werden, wie sie sich selbst dem Beschäftigten gegenüber verhalten (Lob, Anerkennung, Zuverlässigkeit, Kritik, Aufmerksamkeit, Feedback etc.).

Sie sollten sich auch über weitere Ursachen einer (möglichen) Kündigung Gedanken machen. Dies kann berufliche oder private Gründe haben. Bereiten Sie sich mental auch darauf vor, dass es ganz einfache oder banale Gründe haben kann, weshalb jemand kündigt.

Setzen Sie sich selbst im Vorfeld damit auseinander, ob es nicht für alle Beteiligten besser ist, wenn Sie diesen Mitarbeiter oder diese Mitarbeiterin gehen lassen.

So laden Sie zum Bleibe-Gespräch ein

Beschäftigte/r hat bereits gekündigt

Laden Sie die betreffende Person zu einem Gespräch ein, und machen Sie dabei deutlich, dass Sie mit Ihm/Ihr über die Kündigung reden wollen.

Sie befürchten, dass die/der Beschäftigte/r das Unternehmen verlassen möchte

Laden Sie die betreffende Person offiziell zu einem persönlichen Gespräch ein, so wie Sie die Person grundsätzlich zu einem wichtigen Gespräch einladen würden. Wichtig ist, dass Sie im Vorfeld dafür sorgen, dass Sie genügend Zeit haben werden und dass Sie sicher ungestört reden können.

Das Bleibegespräch führen

Das Bleibegespräch sollten Sie in einem Raum führen, der Ruhe und Vertraulichkeit gewährleistet. Planen Sie genügend Zeit ein, denn solche Gespräche können schnell einen überraschenden Verlauf nehmen. Zum Beispiel, wenn der Beschäftigte den Frust "auf den Tisch legt" und Ihnen Dinge erzählt, die Sie zuvor nicht wussten.

Das Gespräch beginnen

Beschäftigte/r hat bereits gekündigt

Teilen Sie zu Beginn des Bleibe-Gesprächs dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin mit, dass Sie über die Kündigung reden möchten. Kommen Sie schnell zur Sache, um die Atmosphäre emotional nicht unnötig anzuspannen.

Ich empfehle, dass Sie das Gespräch mit einer "Ich-Formulierung beginnen, nach dem Sie zu Beginn, die Einleitung gemacht haben."Ich habe überraschend / bedauerlicherweise Ihre Kündigung erhalten, was ich sehr schade finde". Oder: "Ich habe Sie zum Gespräch eingeladen, weil ich Sie halten möchte. Darf ich Sie fragen … / Können Sie mir bitte sagen, was die Gründe dafür sind?"

Sie befürchten, dass die/der Beschäftigte/r das Unternehmen verlassen möchte

Kommen Sie auch hier schnell zur Sache, ohne lange über anderes zu reden. Auch hier empfiehlt es sich, mit einer "Ich-Aussage" ins Gespräch einzusteigen. Teilen Sie zu Beginn des Bleibe-Gesprächs dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin mit, dass Sie seit etlicher Zeit / seit kurzem das Gefühl haben, dass sie sich hier nicht mehr wohl fühle und befürchten, dass sie das Unternehmen verlassen könne.

Konkret könnten Sie formulieren: "Mich beschäftigt sehr, dass Sie sich zurückziehen. Und ich möchte verstehen, warum das so ist". Oder: "Ich habe den Eindruck, dass Sie auf dem Absprung sind." Anschließend warten Sie ab, wie der/die Mitarbeiter/in reagiert und was sie/er dazu zu sagen hat.

Lassen Sie die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter unbedingt ausreden. Unterbrechen Sie nicht, auch wenn gegebenenfalls viel Kritik gegen Sie als Führungskraft kommt. Wenn Sie nicht deutlich machen, dass Sie sich für ihn/sie wirklich interessieren, dann wird der Grund zu kündigen noch weiter gefestigt. Wenn Sie dabei selbst etwas sagen, dann in der Anfangsphase maximal Verständnisfragen, die auf keinen Fall bewertend sein sollten.

Wichtig ist, dass Sie konkret und auch zwischen den Zeilen deutlich machen, dass Sie eine Trennung bedauern würden und sie die Person sehr schätzen (und auch begründen weshalb genau), auch wenn dies in der Vergangenheit gegebenenfalls kaum oder nicht deutlich wurde.

Mögliche Mitarbeiterreaktionen beim Bleibe-Gespräch

Die Beschäftigten könnten unterschiedlich auf das Gespräch reagieren:

Reaktion 1: Mitarbeiter/in versichert Ihnen glaubhaft, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind. Dann hätte sich das Gespräch eigentlich schon erledigt. Dennoch sollten Sie die Gelegenheit nutzen, die Mitarbeiterbindung zu stärken und Wertschätzung zu zeigen.

Hierbei könnten Ihnen folgende Formulierungen helfen:

  • "Das freut mich sehr".

  • "Jetzt bin ich erleichtert".

  • "Ich hoffe, dass wenn Sie in Zukunft etwas bedrücken würde, Sie dann zu mir kommen, um über eine Lösung zu sprechen".

  • "Ich möchte hier die Situation nutzen, um deutlich zu machen, wie wichtig Sie für mich und das Team sind".

Reaktion 2: Mitarbeiter/in betont, dass die Befürchtungen unbegründet seien. Sie glauben ihm/ihr aber nicht.

Auch dann sollten Sie betonen, dass Sie sich hierüber freuen, weil die Person Ihnen besonders wichtig ist. Jetzt sollten Sie losgelöst vom Mitarbeitergespräch, das Sie vermutlich regelmäßig führen, die Möglichkeit nutzen, zu klären, wie zufrieden die Person am Arbeitsplatz ist, was sie positiv motiviert und was sich die Person gegebenenfalls in Zukunft anders wünscht.

Machen Sie aber nur solche Zusagen, die Sie auch mit Sicherheit einhalten können.

Reaktion 3: Der/die Mitarbeiter/in sagt beziehungsweise macht deutlich, dass er/sie erwägt, das Unternehmen zu verlassen. Dann sollten Sie zunächst für die Offenheit danken und zum Ausdruck bringen, dass Sie dies als einen Vertrauensbeweis sehen und entsprechend vertraulich mit der Information umgehen werden. Danach sollten Sie sich detailliert nach den Gründen für den angedachten Wechsel interessieren und konkret fragen: "Was kann ich beziehungsweise was kann das Unternehmen tun, damit Sie bleiben / wir Sie halten können?"

Diese Darstellung von gegebenenfalls Unzufriedenheiten und Wünschen, sollten Sie unbedingt schriftlich festhalten, damit diese nicht vergessen werden. Sie könnten auch jetzt schon auf diese Punkte eingehen, um Lösungen zu entwickeln beziehungsweise aufzeigen, die Sie im Moment zusagen können. Oder Sie könnten zusagen, dass Sie offene Punkte klären werden und in einem weiteren Gespräch mögliche Veränderungen oder das weitere Vorgehen besprechen.

Wichtig: Machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht halten können. Dies würde später zu einer sehr emotional negativen Reaktion führen, falls sich der Beschäftigte zum Bleiben überreden lässt, um dann gegebenenfalls später erneut enttäuscht zu werden.

Reaktion 4: Die betreffende Person macht deutlich, dass sie fest entschlossen ist, das Unternehmen zu verlassen. Auch dann sollten Sie sich für diese Offenheit bedanken und die Gründe für den Wechsel erfragen.

Der Grund der Kündigung könnte zum Beispiel in der aktuellen Arbeitssituation liegen, etwa einem schlechten Arbeitsklima, der hohen Arbeitsbelastung, den wenig befriedigenden Arbeitsinhalten, dem Verhältnis zu Ihnen als Führungskraft oder aber wegen eines "schlechten" Führungsstils (ist bei ca. 70 % der Fälle der Kündigungsgrund), den Kollegen, der Bezahlung oder auch geringe Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten.

Dann sollten Sie auf jeden Fall Ihre Dankbarkeit für die Offenheit zum Ausdruck bringen. Darüber hinaus sollten Sie ebenfalls mit der Person abklären, ob es nicht doch noch die Möglichkeit gibt, sie umzustimmen. Fragen könnten zum Beispiel hierzu sein: "Was müssten wir tun, um sie doch noch zu halten?"

Es ist durchaus auch möglich, dass es persönliche Gründe gibt, die Sie nicht beeinflussen können und Sie sogar einen Wechsel verstehen können. Wenn dem so ist, dann empfehle ich Ihnen, dass Sie sich für die bisherige Arbeit bedanken und auch ihr Bedauern aussprechen und alles Gute für die Zukunft wünschen. Vielleicht ist es möglich, dass es innerhalb der Firma eine Alternative gibt, die fü die Person interessant sein könnte. Andenfalls müssen Sie den Beschäftigten gehen lassen.

Achten Sie darauf, aus welchem Grund der Beschäftigte auch das Unternehmen verlassen will, Sie deutlich machen, dass er oder sie jederzeit wieder zurückkommen kann.

Was, wenn das Gespräch anders als erwartet verläuft?

Es ist durchaus möglich, dass das Gespräch anders als erwartet verläuft und der Beschäftigt "Dampf ablässt". Wichtigste Regel hier ist: Bleiben Sie ruhig, hören Sie erst einmal zu und stellen gegebenenfalls Verständnisfragen.

Nachdem der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin Dampf abgelassen hat, sollten Sie versuchen, Ruhe in das Gespräch zu bekommen. Das gelingt Ihnen am einfachsten, indem Sie Verständnis für die Reaktion zeigen: Sie könnten zum Beispiel formulieren: "Das kann ich verstehen, dass Sie das verletzt / frustriert / ärgert / enttäuscht, wenn all Ihre Gespräche aus Ihrer Sicht vergebens waren".

Darüber hinaus ist es wichtig, dass sie Wertschätzung zeigen und - falls Sie Fehler gemacht haben - sich dafür entschuldigen. Im Anschluss daran, sollten Sie versuchen zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine weitere Zusammenarbeit denkbar wäre.

Wenn die Emotionen wieder ein ruhiges Gespräch zulassen, verläuft es dann wie oben bei Reaktion 4.

Fragen, die Sie beim Bleibe-Gespräch stellen sollten

Das Bleibegespräch ähnelt einem persönlichen Gespräch, das grundsätzlich auch dazu beiträgt, die Führungskultur zu entwickeln und zu stärken, indem es die Bedürfnisse und Motivationen der Beschäftigten direkt anspricht. Um aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen, ist es wichtig, dass Sie bei den Bleibegesprächen die richtigen Fragen stellen. Hier sind einige Fragen, die Sie berücksichtigen sollten:

  • Was gefällt Ihnen am meisten an der Arbeit hier?

  • Was motiviert Sie, bei dem Unternehmen zu bleiben?

  • Gibt es Aspekte Ihrer Arbeit, die Sie als schwierig oder frustrierend empfinden?

  • Was halten Sie von Ihrer derzeitigen Work-Life-Balance?

  • Was sind Ihre Karriereziele und wie können wir Ihnen helfen, diese zu erreichen?

  • Gibt es etwas, das Sie an unserem Arbeitsplatz verbessern möchten?

  • Welche Arten von Anerkennung oder Belohnung sind für Sie am wichtigsten?

  • Werden Ihre Fähigkeiten in Ihrer derzeitigen Rolle effektiv genutzt?

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