Private Krankenversicherung

Prämienanpassungen massenweise unwirksam

27.08.2008

Kein Fehlverhalten von Aktuaren

Die angefragte Deutsche Aktuarvereinigung sieht in den angeführten Sachverhalten kein Fehlverhalten von Aktuaren, denn sie "beziehen sich in aller Regel auf Aktivitäten von Versicherungsunternehmen, an denen möglicherweise Aktuare beteiligt gewesen waren, die jedoch allesamt in der Verantwortung des jeweiligen Vorstandes liegen und für deren wirtschaftliche Folgen die Unternehmen haften. Berufsständisches Fehlverhalten kann aber nur dann vorliegen, wenn Aktuare gegen die Standesregeln, die allgemein anerkannten Grundsätze der Versicherungsmathematik oder die geltenden Fachgrundsätze verstoßen haben."

Auf nochmalige Nachfrage bestätigte die Aktuarvereinigung nochmals ausdrücklich, dass diese Bewertung auch den angesprochenen Sachverhalt der Falschtestierung der Alterungsrückstellung durch den Verantwortlichen Aktuar gem. § 12 (3) Nr. 2 VAG umfasst.

Gerichte werde dieser Einschätzung kaum folgen, denn es kommt nicht nur Mittäterschaft sondern auch Beihilfe in Frage: Der wissentliche Verstoß gegen "Versicherungsmathematik" wäre das eine - ein Ignorieren von Rechtspflichten gemäß höchstrichterlichen Entscheidungen das andere. Beides kann dazu führen, dass auch derartige Aktuare wegen Ihrer "Teilnahme" persönlich haften - und überdies mutmaßlich selbst gar nicht versichert wären, wie ein Urteil des OLG Hamm vom 07.03.2007 (Az. 20 U 132/06) erschließt.

Aufsichtsbehörde erklärt abweichende Beitragsanpassungsklauseln für unwirksam

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erklärte aufgrund des BGH-Urteils aus 2004 in den Veröffentlichungen der BaFin (VerBaFin) vom August 2004, S.4, dass verwendete Klauseln, die von dem nach diesem Urteil erforderlichen gesetzlichen Verfahren abweichen, unwirksam sind:

Anordnungen und Verwaltungsgrundsätze

Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16.06.2004 (IV ZR 117/02) zu den Voraussetzungen und den Berechnungsmaßstäben für eine Prämienanpassung durch den Krankenversicherer

Mit einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof Aussagen zu den inhaltlichen und formalen Voraussetzungen von Beitragsanpassungen getroffen. Der Bundesgerichtshof hat u.a. entschieden, dass unter dem Begriff "Tarif" in § 12b Abs. 2 VAG die "Beobachtungseinheit" nach § 14 KalV zu verstehen ist. Weiter hat er entschieden, dass eine Prämienanpassung nur in der Beobachtungseinheit erfolgen darf, in der der auslösende Faktor die durch Gesetz festgelegte Grenze von 10 Prozent bzw. eine vertraglich vereinbarte geringere Grenze überschritten hat. Der Bundesgerichtshof weist ausdrücklich darauf hin, dass nach § 178o VVG von dem in § 178g Abs. 1 und Abs. 2 VVG i.V.m. § 12b Abs. 2 VAG i.V.m. § 14 KalV festgelegten Verfahren nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden darf.

Allgemeine Versicherungsbedingungen, die vorsehen, dass auch Beobachtungseinheiten angepasst werden können, bei denen der auslösende Faktor nicht angesprungen ist, sind nach Auffassung der BaFin unwirksam. An ihre Stelle tritt die vorgenannte gesetzliche Regelung.

Die BaFin geht davon aus, dass die Versicherer ihre Vorgehensweise unverzüglich rechtskonform ausgestalten und laufende und künftige Prämienanpassungen an den Grundsätzen des Urteils des Bundesgerichtshofes ausrichten."

Soweit Versicherer in der Vergangenheit für Beitragsanpassungen eine unwirksame Klausel angewendet haben und aufgrund dieser vom gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren abgewichen sind, kann auch dies bereits die Unwirksamkeit der betreffenden Beitragsanpassungen zur Folge haben.

Unwirksame Beitragsanpassungsklauseln werden weiter verwendet

Solche Klauseln wurden vor dem BGH-Urteil aus 2004 mit Treuhänderzustimmung eingeführt, weil die Unternehmen gerne klargestellt hätten,. dass Männer, Frauen und Kinder zusammen einen Tarif bilden und daher z. B. Männer angepasst werden dürfen, wenn nur in der Beobachtungseinheit der Frauen die erforderliche Abweichung festzustellen war. Die danach unwirksamen Klauseln lauten beispielsweise:

§ 8b II MB/KK:

"Die Gegenüberstellung erfolgt für jede Beobachtungseinheit eines Tarifs (Männer, Frauen, Kinder/Jugendliche) nach Maßgabe der jeweiligen technischen Berechnungsgrundlage. Wenn die Gegenüberstellung der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen für eine Beobachtungseinheit eine Abweichung von mehr als 10 Prozent ergibt, werden die Tarifbeiträge aller Beobachtungseinheiten des Tarifs überprüft und gegebenenfalls angepasst. Bei einer Abweichung von mehr als 5 Prozent können die Tarifbeiträge überprüft und gegebenenfalls angepasst werden."

Solche Klauseln sind auch heute noch in Versicherungsbedingungen zu finden - trotz ihrer Unwirksamkeit werden sie weiter verwendet. Dies kann zur Folge haben, dass auch Beitragsanpassungen nach 2004, die sich auf diese Klauseln berufen, deshalb unwirksam sind.

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