Eine gemeinsame Verstehensbasis schaffen
Der Vorteil eines solchen Vorgehen ist: Durch die gemeinsame Analyse "Was hat sich verändert?" wird zunächst eine gemeinsame Verstehensbasis geschaffen. Zudem wird den Teilnehmern bewusst, wie viel sich in den zurückliegenden 10 oder 20 Jahren schon geändert hat beziehungsweise wie viele Veränderungen das Unternehmen und seine Mitarbeiter bereits erfolgreich gemeistert haben. Entsprechend zuversichtlich befassen sie sich mit der Zukunft - insbesondere dann, wenn es primär darum geht, Entwicklungslinien, die bereits in der Vergangenheit erkennbar waren, fortzuschreiben.
Dies ist eigentlich bei allen anstehenden Veränderungen im Human-Resources-Bereich beziehungsweise im Bereich Personal- und Organisationsentwicklung sowie betriebliche Weiterbildung der Fall. Unabhängig davon, ob es sich beispielsweise um das Thema Führung, Team- und Zusammenarbeit oder Mitarbeiterqualifikation handelt. Hier waren und sind es nicht sogenannte "black swans", also (scheinbar) unvorhersehbare Ereignisse wie die Terroranschläge 2001, die Finanzkrise 2008 oder der Brexit, die zu dem "Reformstau" beziehungsweise hohen Change-Bedarf in vielen Unternehmen führen; die Ursache ist vielmehr:
Die Personal- beziehungsweise HR-Verantwortlichen in den Unternehmen haben ihre "Hausaufgaben" entweder nicht oder nicht konsequent genug gemacht, oder
sie hatten nicht das erforderliche Standing in ihrer Organisation, um bei den Top-Entscheidern das nötige Gehör zu finden.
Aktueller Change-Bedarf ist nicht neu
Denn für fast alle Herausforderungen im PE- und OE-Bereich, vor denen die Personal- und HR-Verantwortlichen in den Unternehmen aktuell stehen, gilt: Sie sind nicht neu. So liest man in den Fachzeitschriften und hört man auf Kongressen zum Beispiel seit fast zwei Jahrzehnten:
"Die Führung in den Unternehmen muss sich verändern."
"Die Unternehmen müssen schneller und flexibler u. a. auf Marktveränderungen reagieren."
"Die cross-funktionale Zusammenarbeit muss intensiviert werden."
"Die Entwicklung im IT-Bereich ist der zentrale Treiber der Veränderung in Unternehmen."
Deshalb ist die Nervosität mit der aktuell solche Themen wie "Industrie 4.0", "Digitale Transformation" und "Agilität" diskutiert werden (und der Hype, den die Beraterszene hierum entfacht), eher eine Indiz dafür, dass das Management in vielen Unternehmen aufgrund seiner mentalen Fixierung auf den kurzfristigen Erfolg viele Entwicklungslinien im Unternehmensumfeld entweder "verschlief" oder ihnen im Alltagsgeschäft nicht die nötige beimaß, als dafür, dass sich in ihrem Umfeld ein Paradigmenwechsel vollzogen hat.
Entwicklungslinien früh erkennen statt "verschlafen"
Auch deshalb lohnt es sich regelmäßig "Reflektions-Workshops in den Unternehmen durchzuführen, in denen sich die (HR-)Verantwortlichen fragen, was sich in den vergangenen 10 oder 20 Jahren in ihrem Unternehmen und in seinem Umfeld verändert hat, um aus den Entwicklungslinien in der Vergangenheit der erforderlichen Schlüsse für ihr Handeln in der Zukunft zu ziehen.
Die Frage "Was hat sich in den Unternehmen und in ihrem Umfeld verändert?" müssen sich jedoch auch die Berater, als Dienstleister für die Unternehmen regelmäßig stellen, unter anderem damit ihre Empfehlungen und Beratungsleistungen noch dem Bedarf der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter entsprechen - und nicht primär ihre persönlichen Erfahrungen widerspiegeln, die sie zum Beispiel vor 10 oder 20 Jahren vor ihrer Beratertätigkeit als Angestellte von Unternehmen gesammelt haben. (oe)
Lesetipp: Studie zur Arbeitswelt der Zukunft