Wirtschaftsforscher erwarten für dieses Jahr in einer gemeinsamen Prognose einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 0,1 Prozent. Für die kommenden beiden Jahre wird eine schwache Erholung mit Zuwächsen von 0,8 Prozent im Jahr 2025 und 1,3 Prozent im Jahr 2026 erwartet. Im Frühjahr hatten die Institute für 2024 noch ein minimales Plus von 0,1 Prozent vorhergesagt und für 2025 mit einem Wachstum von 1,4 Prozent gerechnet.
Eine "schwungvolle Erholung" sei nicht zu erwarten, sagte Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Vor allem der durch den demografischen Wandel ausgelöste Fachkräftemangel bremse mittel- und langfristig das Wachstum.
Konsumenten sparen
Das nach wie vor hohe Zinsniveau und die hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit belasten laut der "Gemeinschaftsdiagnose" die Investitionstätigkeit der Unternehmen. "Die privaten Haushalte legen ihr Einkommen vermehrt auf die hohe Kante, statt Geld für neue Wohnbauten oder Konsumgüter auszugeben."
Die Sparquote lag zuletzt mit 11,3 Prozent über ihrem langfristigen Niveau. Und das, obwohl viele Menschen nach höheren Lohnabschlüssen wieder mehr Geld zur Verfügung haben.
Der private Konsum hilft der Konjunktur schon seit vielen Monaten nicht mehr. Zwar ist die Stimmung unter den Verbrauchern dem neuesten GfK-Konsumklimaindex zufolge zumindest nicht schlechter geworden. Das bedeutet aber nur eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Die zunehmende Sorge vor dem Verlust des Arbeitsplatzes angesichts von Nachrichten über Insolvenzen und Arbeitsplatzabbau lasse die Verbraucher zusätzlich vorsichtig werden, was Anschaffungen angehe. Allerdings ist der Arbeitsmarkt durchaus noch immer robust.
Immerhin: Die längere Zeit hohe Inflation ist deutlich gesunken. Die Institute erwarten in diesem Jahr einen Anstieg der Verbraucherpreise von 2,2 Prozent und 2,0 Prozent im Jahr 2025.
Strukturelle Probleme und folgenschwerer Strukturwandel
Der Export als Zugpferd der deutschen Wirtschaft schwächelt. Zunehmende Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China verdrängten deutsche Exporte auf den Weltmärkten, so die Institute. Außerdem gibt es viele strukturelle Probleme: So belasten im internationalen Vergleich hohe Energiepreise viele deutsche Firmen.
Die Produktion energieintensiver Industrien liegt laut der "Gemeinschaftsdiagnose" der Institute etwa 15 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2021. Unternehmen beklagen außerdem eine ausufernde Bürokratie, zu viele Vorgaben zum Beispiel in der Klimapolitik oder lange Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Viele Unternehmen stecken in einem Strukturwandel - hin zu einer klimafreundlicheren Produktionsweise. Hohe Energiepreise und andere Probleme aber belasten den Umbau. Das bleibt nicht ohne Spuren.
Politik sorgt für Unsicherheit
Die Wirtschaftsforschungsinstitute blicken kritisch auf den Zustand der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP angesichts auch von öffentlich ausgetragenen Dauerstreitigkeiten. Es gebe einen "weiteren deutlichen Anstieg der politischen Unsicherheit", so die Institute.
Die Koalitionspartner verfolgten unterschiedliche politische Ziele. Obwohl die Bundesregierung einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 verabschiedet habe, bleibe die Sorge über eine mögliche "Handlungsunfähigkeit" der Regierungskoalition.
Wachstumspaket als zu kleinteilig kritisiert
Die Bundesregierung will mit einer "Wachstumsinitiative" mit insgesamt 49 Maßnahmen die Konjunktur ankurbeln. Geplant sind etwa steuerliche Verbesserungen für Firmen sowie Anreize, um das Arbeitsangebot auszuweiten. Erwartung der Regierung: Das Wachstumspaket könnte im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen.
Das sehen die Institute nicht. Zwar biete die "Wachstumsinitiative" einige gute Ansätze. Diese seien aber noch längst nicht umgesetzt. Es handle sich zudem um viele kleinteilige Maßnahmen, sagte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Mit dem Paket werde man das Ruder daher nicht herumreißen können. (Andreas Hoenig, dpa/pma)