Kommentar zur CeBIT 2015

Das neue Leben der Messelegende – Fazit eines Neulings



Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Die CeBIT gehört zu Hannover wie Currywurst, 96, die Hells Angels oder Gerhard Schröder – und wird mindestens genauso kontrovers diskutiert. Nach vier Wochen haben sich die Eindrücke der diesjährigen Auflage langsam gesetzt – nun zieht ein Branchenneuling sein Fazit.

"Hey, ich hab' gehört, Peter Maffay ist da auch! Und dieser NSA-Typ!" - "Das gibt's immer noch!?" - "Ist das was Gutes?". Das waren nur einige ausgewählte Reaktionen aus meinem Freundeskreis auf die Nachricht, dass ich in diesem Jahr zum ersten Mal auf einer DER deutschen Traditionsmessen zugegen sein werde – der CeBIT in Hannover. Im Vorfeld von Deutschlands größter IT-Messe habe ich mich auch eingehend mit ihrer Geschichte befasst. Nicht nur in Form der Web-Recherche, sondern auch in Gesprächen mit Kollegen, für die die CeBIT seit vielen Jahren zum Berufsalltag gehört.

Die CeBIT findet bereits seit 1986 als eigenständige Messe in Hannover statt.
Die CeBIT findet bereits seit 1986 als eigenständige Messe in Hannover statt.
Foto: Deutsche Messe AG

Bei so manchem Berufsgenossen ist während der Reminiszenz-Sessions ein nostalgisches Funkeln in den Augen auszumachen. Was muss da los gewesen sein in Hannover, Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre? Rauschende Partynächte untermalt von der Sanges-"Kunst" längst verjährter Musik-Sternchen, dazu Produktneuheiten und -premieren wie am Fließband und Besuchermassen von "Wies'n"-Ausmaßen.

Und heute? An der Entwicklung der CeBIT – insbesondere seit dem Jahr 2003 – lässt eigentlich kaum jemand ein gutes Haar. Im weltweiten Netz ist die Stimmung schon lange vor der Messeeröffnung am Boden: Das Konzept der Business-Messe funktioniere nicht gut, die künstlichen Slogans gingen am Zeitgeist vorbei und abgesehen vom Hosenanzug am burschikosen Leib der Kanzlerin feiere Neues sein Debüt keinesfalls mehr in Hannover. Vielleicht in Barcelona oder Las Vegas, aber sicher nicht hier.

Selbstgeißelung 4.0

Nun sind die Deutschen ja gemeinhin bekannt dafür, gerne zu jammern. Über Geld, Politik, Fußball, Autos – ja eigentlich über so gut wie jeden Bereich des öffentlichen und privaten Lebens. Insofern ist es auch gar nicht verwunderlich, dass in der deutschen IT-Branche ebenfalls gejammert wird. Mit Verwunderung muss ich allerdings feststellen, dass hier irgendwie noch ein Hang zum Masochismus dazu kommt. Die eigene Branche wird vor allem in zahlreichen Studien und Untersuchungen regelmäßig klein geredet: Zu wenig Innovation, zu wenig Silicon-Valley-Mentalität, zu wenig Förderung durch die Politik – wenn man als "Frischling" liest, wie sich diese Branche selbst sieht, fühlt man sich oft in eine Art "IT-Endzeit" versetzt. Dementsprechend stelle ich mich vor der Abreise auch auf eine schlecht besuchte, trostlose und relativ innovationsarme Messe ein.

Schnelles Internet für alle – im Partnerland China ist man dem Traum bereits deutlich näher. Dafür boomt die staatliche Zensur. Man kann eben nicht alles haben.
Schnelles Internet für alle – im Partnerland China ist man dem Traum bereits deutlich näher. Dafür boomt die staatliche Zensur. Man kann eben nicht alles haben.

China und die Messe-Realität

Am ersten Messetag bin ich nach einem morgendlichen Spaziergang durch das Hannoveraner Messeumland mit seinen breiten Schnellstraßen und den allgegenwärtigen, dampfenden Hinterlassenschaften von Polizeipferden dann aber mehr als überrascht. Am Haupteingang herrscht Gedränge. Viele, vor allem junge, Leute warten auf Einlass und scheinen begierig, die CeBIT in sich aufzusaugen. Ein paar Menschenrechts-Aktivisten vor dem Gelände sorgen gleichwohl für marginale Missstimmung. Mit China haben sich die CeBIT-Verantwortlichen einen Partner "geangelt", der aus politischer Sicht durchaus diskutabel ist.

Vielleicht kommt das aber auch gar nicht ungelegen, schließlich gibt es ja bekanntlich keine schlechte Presse. Und durch die Partnerschaft mit dem Reich der Mitte konnte man immerhin Chinas Vorzeige-Geschäftsmann Jack Ma für die Messeeröffnung gewinnen und einen Aussteller-"Boost" (circa 600 Unternehmen aus China) als "Gratis"-Zugabe verbuchen. Was "political correctness" angeht, dürfte die Live-Schalte mit Edward Snowden ja wieder für ein paar positive Karma-Punkte gesorgt haben.

Meine Rundgänge über das Messegelände während der nächsten Tage machen mir jedenfalls klar, dass auf der CeBIT 2015 von Besuchermangel und schlechten "Vibes" keine Rede sein kann. An den Ständen von IBM, Microsoft, SAP, der Telekom und Konsorten tummeln sich jeden Tag Besuchermassen an allerhand Bildschirmen, während hübsche Unternehmensrepräsentantinnen auf High Heels kokett um die Wette strahlen und Produktmanager mit gierigem Blick Ausschau nach ihren nächsten "Opfern" mit Presseausweis halten. Und auch an den Ständen der vielen kleinen, mittelständischen Unternehmen wird munter diskutiert, verkauft und "ge-network-ed". Von der "großen IT-Depression" wie sie sich während meiner Recherche angedeutet hat, ist hier in Hannover nichts zu spüren.

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