Smart Home

Was Händler über Matter wissen sollten



Andreas Th. Fischer ist freier Journalist im Süden von München. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Redakteur bei verschiedenen IT-Fachmedien, darunter NetworkWorld Germany, com! professional und ChannelPartner. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen IT-Security,  Betriebssysteme, Netzwerke, Virtualisierung, Cloud Computing und KI. 
Matter sollte eigentlich Schluss mit dem Wirrwarr bei Smart-Home-Produkten machen. Doch die Verbreitung des Standards ist ins Stocken geraten.
Matter soll das Smart Home erheblich vereinfachen. An der Umsetzung hapert es aber derzeit.
Matter soll das Smart Home erheblich vereinfachen. An der Umsetzung hapert es aber derzeit.
Foto: ShotPrime Studio - shutterstock.com

Die Einführung des Matter-Standards Anfang Oktober 2022 durch die Connectivity Standards Alliance (CSA) galt lange als bedeutender Schritt für die Smart Home-Branche. Zwei Jahre später zeigt sich jedoch, wie schwierig die Umsetzung in der Praxis ist. Heise Online bezeichnete Matter daher schon als "chaotische Baustelle".

Matter: Ein kurzer Überblick

Die bereits erwähnte Connectivity Standards Alliance ist aus der Zigbee Alliance hervorgegangen. Die Matter-Version 1.0 sowie ein Zertifizierungsprogramm wurden 2022 veröffentlicht. Matter ist Open-Source. Interessierte Hersteller können kostenlos auf ein Software Development Kit (SDK) sowie Tools und ein Testkit zugreifen.

Erste Matter-kompatible Produkte gibt es seit Ende 2022. Matter 1.1 ist im Mai 2023 mit zahlreichen Fehlerbehebungen erschienen. Im Oktober 2023 wurde die Version 1.2 veröffentlicht, seitdem unterstützt der Standard neun weitere Produktgruppen wie Kühlschränke, Roboter-Staubsauger und Luftreiniger. Im Mai 2024 hat die CSA die Matter-Version 1.3 freigegeben. Sie unterstützt jetzt auch Öfen und Wäschetrockner.

Branche sieht derzeit wenig praktische Vorteile

Der Standard habe aber "derzeit keinen unmittelbaren Vorteil in unserem System", sagte Marc Chachereau, R&D Director beim Smart-Home-Spezialisten Netatmo zu Heise Online. Die Einführung eines zusätzlichen Protokolls verbessere ein Produkt nicht von Natur aus und bringe auch keine sinnvollen neuen Anwendungsfälle mit sich, so Chachereau. Einen mit Matter und dem Funk-Protokoll Thread ausgestatteten Kontaktsensor wolle man deshalb nicht mehr auf den Markt bringen.

Matter soll eigentlich dafür sorgen, dass verschiedene Smart-Home-Produkte miteinander kompatibel sind, egal von welchem Hersteller sie stammen. Für die Kunden und mit ihnen dem Handel hätte dies den großen Vorteil, dass sich die Anwender nicht mehr auf ein einziges Ökosystem beschränken müssen. Stattdessen könnten sie Dank Matter Geräte verschiedener Marken miteinander kombinieren.

Auf dem Papier spricht also viel für Matter. Daher hatten sich auch eine Mehrheit der Smart-Home-Anbieter hinter den neuen Standard gestellt. Einheitliche Protokolle und Schnittstellen sollen die Einrichtung und Bedienung zudem vereinfachen. Eine einzige App werde dann genügen, so das Versprechen, um alle mit Matter kompatiblen Geräte gemeinsam zu verwalten, egal ob sie von Amazon, Apple, Google oder einem anderen Anbieter stammen.

Eine smarte WLAN-Steckdose ist das erste Matter-kompatible Produkt von Hama.
Eine smarte WLAN-Steckdose ist das erste Matter-kompatible Produkt von Hama.
Foto: Hama

Weitere Vorteile seien eine erhöhte Sicherheit, da viele Smart-Home-Geräte private Daten der Nutzer sammeln und verarbeiten, potentiell längere Laufzeiten für mit Matter kompatible Produkte sowie insgesamt reduzierte Kosten für Hersteller und Kunden.

Hersteller treten auf die Bremse

Netatmo will sich daher auch nicht vollständig von Matter und Thread zurückziehen. Gegenüber Heise Online kündigte das Unternehmen an, auch in Zukunft mit Matter kompatible Produkte entwickeln zu wollen. Man werde sich damit aber Zeit lassen. Auch mit Thread hadert der Hersteller. Aktuell sei das Zigbee-Protokoll ausgereifter.

Im Frühjahr 2023 hatte bereits die Belkin-Marke Wemo die Entwicklung Matter-kompatibler Produkte auf Eis gelegt, wie damals The Verge berichtete. Man habe beschlossen, "einen großen Schritt zurückzutreten, sich neu zu formieren und neu zu überdenken". Seitdem ist es still geworden um das Thema bei Belkin/Wemo.

Erste Matter-kompatible Produkte

Anders bei AVM. Der deutsche Netzwerkhersteller, der im Juli 2024 an einen Investor verkauft wurde, hat im Oktober 2024 die FritzOS-Version 7.63 veröffentlicht, mit der das FritzSmart Gateway offizielle Matter-kompatibel wurde. Damit kann das Gateway als Bridge genutzt werden, um auch Matter-kompatible Geräte anderer Hersteller zu steuern.

Das FritzSmart Gateway unterstützt mit dem Update auf FritzOS 7.63 auch Matter.
Das FritzSmart Gateway unterstützt mit dem Update auf FritzOS 7.63 auch Matter.
Foto: AVM

Das ermöglicht laut AVM neue Nutzungsmöglichkeiten. Als Beispiele nannte das Unternehmen das Schalten der intelligenten FritzSmart-Steckdosen mit Matter-kompatiblen Bewegungsmeldern oder das Steuern von FritzSmart-Heizkörperreglern per Sprache mit Alexa, Siri oder Hey Google.

Ein weiterer Hersteller, der hinter Matter steht, ist Hama. Bereits im August 2023 hatte das Unternehmen eine smarte WLAN-Steckdose angekündigt, die mit Matter kompatibel ist. Seitdem sind mehrere smarte und zugleich Matter-kompatible Lampen dazugekommen. Auch TP-Link hat bereits Matter-kompatible Produkte im Portfolio. So misst der Tapo P110M nicht nur den Stromverbrauch angeschlossener Geräte, mit seinem automatisierten Abwesenheitsmodus kann er sogar Einbrecher abschrecken.

Bedenken bei Thread

Das gilt ebenso für Nanoleaf. Das Unternehmen, das sich selbst als "Pionier in der Smart-Home-Branche" bezeichnet, hat ebenfalls bereits einige Matter-Produkte im Programm. Gegenüber Heise Online äußerte man aber Zweifel am Funk-Protokoll Thread. Laut Aussage von Annika Beck, Marketing Director EMEA bei Nanoleaf, seien Thread-fähige Produkte in kommerzieller Hinsicht eine "Enttäuschung", da sie zu "erholungsbedürftig" seien und "unbequeme Voraussetzungen" hätten.

Erschwerend komme für den Durchbruch von Matter hinzu, dass manche Produkte mehr Funktionen bieten, wenn sie mit den Hersteller-eigenen Apps genutzt werden. Heise Online nennt hier als Beispiele smarte Leuchtmittel von Aqara sowie einen Kontaktsensor von Bosch.

Die smarte Steckdose Tapo P110M von TP-Link ist kompatibel mit dem Matter-Standard.
Die smarte Steckdose Tapo P110M von TP-Link ist kompatibel mit dem Matter-Standard.
Foto: TP-Link

Argumente für Matter im Verkaufsgespräch

Trotz der genannten Probleme gibt es verschiedene Argumente im Verkaufsgespräch, um Kunden von den Vorteilen Matter-kompatibler Produkte zu überzeugen. Zu den wichtigsten gehört die systemübergreifende Kompatibilität. Dank Matter können die Kunden Geräte verschiedener Hersteller zusammen nutzen, egal ob Apple HomeKit, Google Home, Amazon Alexa oder Samsung SmartThings. Das spart Kosten und erhöht die Flexibilität bei der Wahl der gewünschten Geräte.

Ein weiterer Vorteil ist, dass hinter Matter eine Allianz aus etwa 550 Herstellern und Firmen steht, auch wenn es hier in letzter Zeit einige Risse gegeben hat. Nichtsdestotrotz kann man weiter davon ausgehen, dass sich Matter-kompatible Produkte zum Standard im Smart-Home-Bereich entwickeln werden. Im Verkaufsgespräch können sie daher als zukunftssicher eingestuft werden.

Matter-kompatible Produkte lassen sich zudem besonders einfach einrichten und verwalten. Das ist besonders für Einsteiger attraktiv, da viele ältere Smart-Home-Systeme kompliziert und zeitaufwändig zu installieren sind. Der Matter-Standard legt außerdem großen Wert auf die Themen Sicherheit und Datenschutz. Alle kompatiblen Geräte werden mit moderner Verschlüsselung gesichert.

Die genannten Argumente unterstreichen die Flexibilität, Sicherheit, Zukunftssicherheit und Benutzerfreundlichkeit von Matter-kompatiblen Produkten und helfen, das Vertrauen der Kunden in die neue Technologie zu stärken.

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