ChannelPartner konnte mit einer Oberärztin und Dozentin an einer Universitätsklink einer deutschen Großstadt über die tatsächliche Situation der IT-Ausstattung an ihrem Krankenhaus sprechen. Die Ärztin möchte nicht namentlich genannt werden, ist aber der Redaktion bekannt.
Wie würden Sie den Status Quo der IT-Ausstattung an Ihrer Klinik beschreiben?
Ärztin: Die Grundausstattung mit PC, Monitor, Druckern oder Faxgeräten ist in Ordnung. Das größte Problem ist, dass wir im medizinischen Bereich mit sehr sensiblen Patientendaten arbeiten. Daher ist unser Kliniknetz besonders geschützt und abgeschottet. Dadurch werden aber Aufgaben, die neben dem rein medizinischen Teil in einer großen Uniklinik anfallen, erheblich erschwert. Vor allem die multizentrischen Studien haben mittlerweile fast ausschließlich onlinebasierte Datenbanken, die zur Dokumentation zu benutzen sind. Es ist immer ein Spagat zwischen dem Schutz sensibler Daten und moderner Telemedizin. Da fehlen intelligente Lösungen, wie man trotzdem den Datenschutz gewährleisten könnte. Zudem mangelt es oft an Support, was uns in der täglichen Arbeit ausbremst.
Worin liegen die Ursachen dieser Probleme?
Ärztin: Ich habe den Eindruck, dass IT nur am Rande interessant ist. Es gibt keine Bereiche an der Klinik, die sich ganzheitlich mit der IT-Infrastruktur beschäftigen. Wir haben einen gewissen Pool an Geräten und Lösungen, die standardmäßig eingesetzt werden. Dies wird den Anforderungen nicht immer gerecht. Daher müssen wir auch andere Produkte einsetzen. Wenn es da zu Problemen kommt, will, kann oder darf die IT-Abteilung nicht zuständig sein. Zudem sind unterschiedliche Stellen für das Gesamtsystem IT zuständig, die aber unabhängig voneinander ihren Teilbereich bearbeiten. Am Ende fehlt es an einem Gesamtverantwortlichen für den Vorgang.
Wie sieht das dann in der Praxis aus?
Ärztin: Wir haben beispielsweise zur Archivierung unserer Unterlagen wie Dokumenten, Fotos oder Videos nur einen sehr begrenzten Platz im einstelligen Gigabyte-Umfang auf den Klinik-Servern zur Verfügung. Die Genehmigung von mehr Speicherplatz ist langwierig und aufwendig. So werden diese Unterlagen eben lokal gespeichert und sind dann an anderen PC-Arbeitsplätzen nicht abrufbar. Schwieriger wird es, wenn Programme oder Hardware jenseits des Hausstandards eingesetzt werden müssen. Die Treiber können nur von einem EDV-Beauftragten auf einem Klinik-PC installiert werden. Das ist beispielsweise ein delegierter Arzt, der spezielle Administratorenrechte hat. Diese Arbeit fällt neben der eigentlichen klinischen Tätigkeit an und es ist klar, dass Patientenversorgung immer Priorität hat, sodass es auch da zu deutlichen zeitlichen Verzögerungen kommen kann.
Da scheint es aber auch an Kompetenz und Motivation des IT-Supports zu mangeln.
Ärztin: Es gibt in jeder Branche Mitarbeiter, die mehr oder weniger kompetent sind. Bei uns arbeiten die meisten einfach ihre Tickets ab. Es gibt rühmliche Ausnahmen, aber der Großteil ist nicht lösungsorientiert. Meistens hört man nur „das geht nicht“, „das machen wir nicht“ oder „das machen wir nur so“. Zudem beschränkt sich der Support der IT-Abteilung meist auf Fernwartung. Wir kriechen dann unter den Schreibtisch, um Fehler zu finden oder neue Geräte zu installieren. Ich habe noch nie jemanden bei uns gesehen, der sich vor Ort eines Problems angenommen hätte.
Ist das nicht kurzsichtig gedacht, da medizinisches Personal womöglich durch schlechte Ausstattung und Unterstützung einen arbeitstechnischen Mehraufwand hat?
Ärztin: Natürlich ist das kurzsichtig gedacht. Ich muss Zeit für Dinge aufwenden, die nicht zu meiner Tätigkeitsbeschreibung gehören. Hier fehlt die Kosten-Nutzen-Rechnung. Ich bin eigentlich angestellt, um Patienten zu versorgen und nicht, um Scanner anzuschließen. So gesehen bin ich als Arzt ein gut bezahlter und damit wahrscheinlich eher teurer Scanner-Installateur.
In allen Branchen wird über die Digitalisierung von Arbeitsabläufen und Prozessen gesprochen. Wo sehen Sie da Ihre Klinik?
Ärztin: Da gibt es sicher Optimierungsmöglichkeiten. Wir führen unsere Krankenakten noch auf Papier. Diese werden dann erst nach Wochen eingescannt und in eine digitale Krankenakte in SAP überführt. Zudem sind die eingescannten Informationen schlecht geordnet und schwer aufzufinden. Immerhin wurden durch die Covid19-Pandemie die Möglichkeiten optimiert, Arbeitsabläufe per Telemedizin und Videokonferenzen zu erledigen. Das wird auch nach Corona nicht verschwinden.
Wenn dies alles Ihre Arbeit erleichtert und dabei auch noch Kosten einspart, warum werden dann nicht die notwendige Infrastruktur und Support bereitgestellt?
Ärztin: Das ist die Frage des Budgets und der Priorisierung von Dingen. An der Uniklinik gibt es dazu ein Referat für die Beschaffung, das für alles zuständig ist. Eine Unterabteilung kümmert sich dann um die IT. Es fehlt an Verantwortlichen, die eine ganzheitliche IT- Strategie entwickeln und umsetzen. Wahrscheinlich gibt es dafür aber kein Budget und damit auch nicht die entsprechenden Stellen.
Wenn es aber diese Strategie gäbe, wie würden Sie sich als Ärztin denn dann den idealen digitalen Arbeitsplatz vorstellen?
Ärztin: Es muss eine konsequente Digitalisierung stattfinden, die es ermöglicht, ärztliche Aufgaben ohne Papier zu erledigen. Das enthält auch die datenschutzgerechte Kommunikation mit den ärztlichen Kollegen und eine digitale Aktenführung, mit der alle Befunde und Unterlagen problemlos und anwenderfreundlich verfügbar sind. Das würde uns aus den 70er-Jahren in die Jetztzeit katapultieren. Und ich würde mir einen IT- Beauftragten wünschen, der zeitnah benötigte Geräte beschafft und einbindet. Das wäre ein Traum!
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