Sicherung der finanziellen Liquidität

Als KMU der Insolvenzwelle trotzen



Annett Polaszewski-Plath ist seit März 2022 Managing Director für die DACH-Region beim Finanzdienstleister Mollie. Die Digitalexpertin treibt das Wachstum des Unternehmens in Deutschland, Österreich und der Schweiz voran. Mollie ist seit 2019 am deutschen Markt vertreten. Annett ist maßgeblich für die strategische Ausrichtung und Vision in der DACH-Region verantwortlich.

 
Es müssen nicht immer die klassischen Bankkredite sein, wenn es um die Finanzierung einer größeren Investition geht. Es gibt alternative Finanzdienstleister, die eher als traditionelle Banken bereit sind, Mittelständlern Kredit zu gewähren.
Es muss nicht immer das klassische Bankhaus sein, dass einen Mittelständler den unbedingt notwendigen Kredit gewährt, das kann auch ein alternativer Finanzdienstleister tun.
Es muss nicht immer das klassische Bankhaus sein, dass einen Mittelständler den unbedingt notwendigen Kredit gewährt, das kann auch ein alternativer Finanzdienstleister tun.
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Im August 2024 lag die Zahl der insolventen Personen- und Kapitalgesellschaften dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zufolge bei 1 282. Das waren 9 Prozent weniger als im Vormonat, aber 27 Prozent mehr als im August 2023. Der aktuelle Wert liegt 37 Prozent über dem August-Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019, also den drei Jahren vor der Corona-Pandemie.

Auch das Statistische Bundesamt in Wiesbaden erhebt Insolvenzzahlen. Mitte Septenmber gab die Behörde bekannt, dass die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland im August 2024 um 10,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen sei. Mit Ausnahme des Juni 2024 (+6,3 Prozent) liegt die Zuwachsrate damit seit Juni 2023 im zweistelligen Bereich.

Nach Einschätzung des Kreditversicherers Allianz Trade kommt auf deutsche Unternehmen 2024 im dritten Jahr in Folge ein Anstieg der Insolvenzen zu. Laut der Allianz Trade Insolvenzstudie werden die "anhaltende Wirtschaftsschwäche, strukturelle Herausforderungen und engere Finanzierungsbedingungen voraussichtlich noch mehr deutsche Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten bringen." Die Anzahl von Insolvenzen bei deutschen Unternehmen könnte demnach 2024 um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zunehmen.

Die Auswirkungen bekommen auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) zu spüren. In Anbetracht der Tatsache, dass 99,95 Prozent der deutschen Unternehmen KMU sind (was 3,81 Millionen Unternehmen entspricht), wird deutlich, wie wichtig ihre Stabilität für die gesamte Wirtschaft ist. Dies macht die Dringlichkeit deutlich, KMU einen einfachen und schnellen Zugang zu Kapital zu ermöglichen, um diesem anhaltenden Trend entgegenzuwirken und langfristig deren finanzielle Stabilität zu sichern.

Investitionsbedarf von kleinen und mittelständischen Unternehmen

Angefangen mit der Corona-Pandemie und dem anhaltenden Konflikt in der Ukraine kämpft die Wirtschaft mit zahlreichen Herausforderungen, darunter Rezession, Inflation und Energiekrise. Dies stellt vor allem KMU vor erhebliche Schwierigkeiten. Um in diesen durchwachsenen Zeiten wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen sich den Anforderungen ihres Marktes schnell anpassen - unter anderem bezüglich größerer transformativer Prozesse wie Digitalisierung und dem Wettlauf rund um künstliche Intelligenz.

Dies erfordert häufig größere Investitionen, die nicht selten nur durch Kredite oder alternative Finanzierungsmöglichkeiten realisiert werden können, da KMU oftmals nicht über die benötigten Rücklagen verfügen. Aber auch kurzfristige Liquiditätsengpässe sind eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für KMU, die nicht selten ihre Existenz bedrohen können.

Der KfW-Mittelstandspanel 2023 zeigt, dass viele mittelständische Unternehmen zu Jahresbeginn angedachte Investitionspläne verschieben, verringern oder ganz aufgeben mussten. Dies spiegelt sich auch in der KfW-ifo-Kredithürde für den Mittelstand wider, die im 3. Quartal 2023 um 6,1 Prozent gestiegen ist. Fast ein Drittel (31,7 Prozent) der KMU in Deutschland empfanden das Verhalten ihrer Banken als restriktiv, wenn es um Kreditverhandlungen ging. Die langwierigen und an spruchsvollen Finanzierungsanforderungen der großen Banken haben dazu geführt, dass KMU bisher unterversorgt wurden.

Anbetracht dieser Hürden wird es zunehmend deutlich, dass alternative Finanzierungsmöglichkeiten notwendig sind, um die Investitionstätigkeit und die Innovationsfähigkeit der KMU aufrechtzuerhalten. Die folgenden Alternativen können Unternehmen dabei helfen, sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen und erfolgreich in die Zukunft zu blicken.

Alternativen für KMU zum herkömmlichen Bankkredit

Die Suche nach der perfekten Finanzierungsoption ist oft eine komplexe Aufgabe, da es keine einheitliche Lösung gibt, die für alle Unternehmen gleichermaßen geeignet ist. Aus diesem Grund sollten Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden, bevor die Entscheidung fällt. Zu berücksichtigen sind vor allem die individuellen Bedürfnisse und Gegebenheiten des Unternehmens. Dazu gehören Fragen nach dem langfristigen Unternehmensplan (stetiges Wachstum oder Kurzzeit-Projekt?) und der allgemeinen finanziellen Lage, aber auch die Überlegung für zusätzliches Kapital Investoren Geschäftsanteile anzubieten.

Es ist entscheidend, dass Unternehmen eine fundierte Entscheidung treffen, gegebenenfalls. mithilfe von professioneller Beratung, die zu ihrer spezifischen Situation passt. Eine Kombination aus verschiedenen Finanzierungsmethoden ist ebenfalls denkbar. Einige mögliche Alternativen zu klassischen Bankkrediten sind:

Venture Debt

Bei Venture Debt handelt es sich um Wagnis-Fremdkapital, welches von Risikoinvestoren in einem Fond gesammelt wird. Dieses Kapital wird dann in Form von kurz- bis mittelfristigen Krediten an junge Unternehmen vergeben, für die eine herkömmlicher Kredit oft mit zu vielen Hürden. Besonders geeignet ist diese Finanzierungsoption für Unternehmen auf einem starken Wachstumskurs oder Projekte mit einem erhöhten Risiko.

Vorteile:

  • Im Gegensatz zu Venture Capital müssen Unternehmen bei Venture Debt in der Regel keine Anteile ihres Unternehmens abgeben, da es sich um Fremdkapital handelt. Dies ist ein bedeutender Unterschied, da es den Unternehmen ermöglicht, die volle Kontrolle über ihr Unternehmen zu behalten, insbesondere in Phasen des schnellen Wachstums. Die dauerhafte Abgabe von Mitspracherecht an Eigenkapitalgeber kann die Führung eines Unternehmens beeinflussen und einschränken.

  • Im Vergleich zu Bankkrediten ist die Finanzierung durch Venture Debt schneller und weniger aufwändig.

Nachteile:

  • Relativ hohe Zinsbelastung im Vergleich zu herkömmlichen Krediten.

  • In Ausnahmefällen kann die Anforderung bestehen, Unternehmensanteile oder Gesellschafteranteile abzugeben.

Umsatzbasierte Finanzierungsmodelle

Umsatzbasierte Finanzierung ist eine Methode, bei der Kapital im Voraus von Finanzdienstleistern bereitgestellt wird. Die Höhe der Summe, die einem Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, basiert unter anderem auf den monatlich oder jährlich wiederkehrenden Umsätzen.

Dieses Modell ermöglicht eine schnelle Aufrechterhaltung des Cashflows, um Verzögerungen im Betrieb und im Unternehmenswachstum zu vermeiden. Primär für Unternehmen, die schnell wachsen, konstante monatliche Einnahmen erzielen und nicht über traditionelle Vermögenswerte zur Fremdfinanzierung verfügen, kann umsatzbasierte Finanzierung eine sinnvolle Option sein.

Vorteile:

  • Da der Umsatz als Sicherheit für das Darlehen verwendet wird, fallen keine Eigenkapitalbeteiligungen oder fortlaufende Zinsen an.

  • Die Abwicklung ist mit meist ein bis zwei Tagen deutlich schneller als bei traditionellen Bankkrediten und beinhaltet weniger Bürokratie.

  • Das geliehene Geld kann flexibel eingesetzt werden.

  • Diese Form der Finanzierung hinterlässt keine Schulden - negative Auswirkungen auf das Kreditrating gibt es also keine.

Nachteile:

  • Eine mögliche Herausforderung für KMU kann der Nachweis von Einkommen und einer konsistenten Finanzierungshistorie darstellen.

  • Kleineren Unternehmen stehen tendenziell geringere Geldbeträge zur Verfügung.

  • Langfristig ist diese Art der Finanzierung weniger geeignet, da Bankdarlehen mit fester Laufzeit wirtschaftlicher sind, wenn die Tilgung länger als ein Jahr dauert.

P2P-Lending

Beim P2P-Lending, oder Peer-to-Peer Lending, handelt es sich um eine Form der Kreditvergabe, bei der Privatpersonen Geld an andere Privatpersonen verleihen, ohne dafür Banken oder Finanzinstitute zu involvieren. Die Abwicklung dieses Prozesses erfolgt vorwiegend über Online-Plattformen, die als Vermittler zwischen Kreditgebern und -nehmern dienen.

Vorteile:

  • Geschwindigkeit und Effizienz: Die Bearbeitungsdauer kann oft kürzer sein und der Verwaltungsaufwand ist für alle Beteiligten in der Regel geringer.

  • Kostengünstige Finanzierung: Insbesondere für Kreditnehmer mit guter Bonität können die Zinsen bei P2P-Krediten geringer ausfallen.

Nachteile:

  • Kreditsummen, die über P2P-Lending vergeben werden, fallen eher niedrig aus und sind daher eher für kleine Unternehmen geeignet.

Crowdfunding

Beim Crowdfunding steuern eine Vielzahl von Investoren bzw. Privatpersonen hauptsächlich kleinere Beiträge bei, um gemeinsam größere Geldsummen für ein bestimmtes Projekt oder Unternehmen zu sammeln.

Vorteile:

  • Zu den Hauptvorteilen zählt die Flexibilität in der Gestaltung von Verträgen. Individuelle Vereinbarungen können von Mitbestimmungsrechten bis hin zu reinen Gewinnbeteiligungen reichen. So können KMU die Bedingungen an die eigenen Bedürfnisse und die Erwartungen der Investoren anpassen.

Nachteil:

  • Es ist oft nicht einfach, größere Geldbeträge über diese Methode zu beschaffen. Crowdfunding funktioniert größtenteils besser, wenn es bereits eine etablierte und emotional gebundene Fangemeinde und eine hohe Medienpräsenz gibt.

PNPL: Buy Now, Pay Later

BNPL: Eine Lösung für E-Commerce KMU, um Kunden zu entlasten, ohne auf Umsätze zu verzichten

Nicht nur KMU stehen vor dem Problem von Liquiditätsengpässen - aufgrund des vorherrschenden Krisenklimas finden sich immer mehr ihrer Kunden im selben Boot der finanziellen Engpässe. Wenn Kunden aktuell über zu wenig Geld verfügen, können Sie Käufe und Transaktionen nicht abschließen. Dies wiederum führt zu einem Mangel an Cashflow und kann das Geschäft empfindlich ins Stocken geraten lassen.

Wie kann man als Unternehmen die Kunden also entlasten, ohne dabei auf wichtige Umsätze zu verzichten? Eine vielversprechende Lösung, die sich in diesem Zusammenhang für E-Commerce KMU anbietet, ist "Buy Now, Pay Later" (BNPL) - ein Konzept, das auch im Business-to-Business (B2B)-Bereich über Drittanbieter angewandt werden kann.

Diese Methode erlaubt Kunden, Einkäufe zu tätigen und die Zahlung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Dabei übernehmen die BNPL-Anbieter nicht nur die Abwicklung der Zahlungen, sondern kümmern sich auch um die Bonitätsprüfung und ergreifen die notwendigen Maßnahmen, sollte ein Käufer seinen Verpflichtungen nicht nachkommen.

Der Vorteil von BNPL liegt auf der Hand: Die Unternehmen erhalten sofort das Geld für ihre verkauften Produkte oder Dienstleistungen, ohne auf die tatsächliche Bezahlung der Kunden warten zu müssen. Dies ermöglicht es den Unternehmen, ihren Cashflow aufrechtzuerhalten und weiterhin Umsätze zu generieren. Die Geschäftsprozesse werden nicht beeinträchtigt, und es ist nicht notwendig, die Produktion aufgrund begrenzter Liquidität herunterzufahren. Damit trägt BNPL dazu bei, die Herausforderungen von Liquiditätsengpässen sowohl für KMU als auch für deren Kunden zu mildern.

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