Die Situation sprachfähig machen
Ein solches gemeinsames Empfinden selbst in ihren Führungsgremien zu schaffen, fällt vielen Unternehmen schwer - unter anderem, weil aufgrund ihrer Funktion in der Organisation die Führungskräfte die Ist-Situation partiell anders erleben. Also sehen sie auch die Herausforderungen verschieden. Dies gilt speziell dann, wenn zum Beispiel die Unternehmensführung pro-aktiv handeln möchte - also einen Musterwechsel bereits erwägt, wenn die Organisation auf den ersten Blick noch gut dasteht. Die Zahlen stimmen, die Kunden sind zufrieden und von den Mitbewerbern geht keine sichtbare Bedrohung aus. Dann ist für viele die Notwendigkeit eines Musterwechsels nicht erkennbar, selbst wenn erste Indikatoren bereits auf eine Gefährdung hinweisen. Also müssen in einer solchen Situation in der Organisation zunächst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass über die Frage "Musterwechsel - ja oder nein?" überhaupt gesprochen werden kann. Ohne externe Unterstützung gelingt dies selten. Also engagieren Unternehmen oft externe Berater, um das Thema "Musterwechsel" in ihrer Organisation überhaupt erst einmal sprachfähig zu machen und die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zu moderieren.
Zeigt sich hierbei, ein Musterwechsel ist nötig, stellt sich die Frage: Wie könnte das neue Muster aussehen? Sie ist nicht leicht zu beantworten - vor allem, weil das Ziel eines Musterwechsels stets ist, das Unternehmen (oder Teile von ihm) zukunfts-fit zu machen. Die Zukunft ist aber noch nicht Gegenwart. Also kann die Frage, was ist nötig und sinnvoll, nicht allein anhand von Zahlen, Daten und Fakten beantwortet werden. Auch Einschätzungen und Annahmen spielen eine wichtige Rolle. Zum Beispiel darüber: Wie entwickelt sich der Markt? Wie entwickelt sich die Technik? Was werden unsere Mitbewerber tun? Wenn ein Unternehmen einen Musterwechsel vollzieht, nimmt es sozusagen die Zukunft in seinen heutigen Entscheidungen vorweg. Entsprechend viele Unwägbarkeiten sind hiermit verbunden.
Nicht blind zur Standardlösung greifen
Das verunsichert selbst gestandene Manager. Also suchen sie nach Richtschnüren, an die sie sich bei ihren risikobehafteten Entscheidungen halten können. Das lässt sich, wenn man die Wirtschaft beobachtet, immer wieder feststellen; und zwar daran, dass die obersten Lenker der Unternehmen fast wortgleich dieselben Management-Credos verkünden - oft branchenübergreifend. Zum Beispiel "Wir müssen uns auf unser Kerngeschäft besinnen" Oder: "Wir müssen uns vom Produktlieferanten zum Systemanbieter entwickeln." Sie verfolgen also dieselbe Strategie. Doch nicht nur dies. Auch bei deren Umsetzung beschreiten sie weitgehend identische Wege.
Diese Gleichförmigkeit hat mehrere Ursachen. Zum einen fehlen den Unternehmen vielfach Alternativen zu den gängigen Lösungskonzepten. Sie haben sozusagen keine eigenen Ideen, wie das neue Muster aussehen könnte. Zuweilen fehlt der Unternehmensführung auch der Mut, neue eigene Wege zu beschreiten - insbesondere, wenn die Unternehmen Kapitalgesellschaften sind. Denn wenn alle Welt - inklusive der Finanzanalysten - verkündet "Besinnt Euch auf Eure Kernkompetenzen", erntet man wenig Widerspruch, wenn man ins selbe Horn bläst. Zudem lassen sich dann einfacher Koalitionen schmieden, als wenn man das Gegenteil oder einen ganz anderen, dritten Weg vorschlägt.