Zahl der Beurteilungsfehler steigt
Diesen Eindruck haben die Mitarbeiter zum Teil zu Recht. Denn, wenn die Leistung den Mitarbeitern nicht mehr 1 zu 1 zuordenbar ist und die Führungskräfte zusätzlich ihre Mitarbeiter eventuell sogar aus der Ferne führen, erhöht sich automatisch die Zahl der Beurteilungsfehler. Also ist auch häufiger die zum Beispiel auf Basis der Beurteilungen erfolgte Verteilung der verfügbaren Belohnungen ungerecht, was wiederum zu Disharmonien, wenn nicht gar Konflikten im Team führt. Das ist vielen Führungskräften bewusst. Deshalb sehen sie in der Beurteilung zunehmend eine lästige Pflicht und "machen" diese für die Personalabteilung - jedoch nicht für ihre Mitarbeiter.
Ein weiteres Manko der Beurteilungssysteme ist: Schwache Führungskräfte neigen dazu, sich mit ihren Personalentscheidungen hinter dem Beurteilungssystem und dem damit verbundenen Verteilsystem zu verstecken. Das heißt: Sie entschuldigen ihre Entscheidung, Mitarbeitern zum Beispiel Prämien, Beförderungen oder Entwicklungsmaßnahmen zu verwehren, mit dem Beurteilungssystem statt den schwierigen, aber produktiven offenen Dialog mit ihren Mitarbeitern über eventuelle Leistungsdefizite oder Limitierungen ihres Entwicklungspotenzials zu führen.
Auf den Dialog statt auf Beurteilungen bauen
Deshalb sollten sich die Unternehmen kritisch fragen:
Welche Ziele verfolgen wir heute noch mit unserem Beurteilungssystem?
Werden diese Ziele tatsächlich erreicht?
Wenn ja: Welchen "Preis" bezahlen wir dafür und ist dieser noch gerechtfertigt?
Manches Unternehmen dürfte dann zur Erkenntnis gelangen: Der Aufwand beziehungsweise "Preis" ist zu hoch. Und die negativen Nebenwirkungen sind höher als der Nutzen. Denn in der modernen Arbeitswelt ist es eine zentrale Aufgabe von Führung, die Mitarbeiter durch regelmäßige Reflexion und Feedback in ihrer Entwicklung zu fördern und sie bei Bedarf beim Erfüllen ihrer aktuellen und künftigen Aufgaben zu unterstützen.
- Mitarbeiterbefragung
Von den eigenen Mitarbeitern kann man viel lernen – wenn man kluge Fragen stellt. Management-Consultant und Buchautorin Anne M. Schüller (www.anneschueller.de) präsentiert eine ganze Reihe an Fragen, mit denen Führungskräfte die Ist-Situation in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern ermitteln können. - Fragen zum Ist-Zustand (I)
Was mir bei uns am besten gefällt, ist: …<br> Was mir bei uns am meisten fehlt, ist: …<br> Was sich an meinem Arbeitsplatz konkret verbessern ließe: …<br> Ich biete an, folgende Aufgaben zu übernehmen: …<br> Ich biete an, folgende Aufgaben abzugeben: …<br> - Fragen zum Ist-Zustand (II)
Mein größter Wunsch an meine Führungskraft ist: …<br> Was wir für die Kunden noch tun könnten: …<br> Warum mir unser Unternehmen so wichtig ist: …<br> Was ich Außenstehenden über uns sagen würde: …<br> Woran ich bei mir selber arbeiten möchte: …<br> - Fragen zum Ist-Zustand (III)
Wobei ich mir Unterstützung wünsche: …<br> Was mich bewegen könnte, noch lange hier zu bleiben: …<br> Was ich immer schon mal sagen wollte: …<br> Was mir besonders am Herzen liegt: …<br> Was man beim nächsten Mal noch fragen könnte: … - Fragen zur Ermittlung der Mitarbeiterloyalität
Ich kann mir gut vorstellen, noch länger hier zu arbeiten. Und dies, weil ….<br> Ich spreche mit Dritten (Bekannte, Freunde, Kunden) positiv über uns. Und dies, weil ….<br> Ich ermutige Interessenten, bei uns Kunde zu werden. Und dies, weil ….<br> Ich ermutige potenzielle Mitarbeiter, sich bei uns zu bewerben. Und dies, weil ….<br> Ich tue all dies nicht, weil … - Fokussierende Fragen
Welches sind die drei Dinge, die Sie sich von Ihrem Vorgesetzten am meisten wünschen?<br> Wenn es eine Sache gibt, die Sie unbedingt übernehmen wollten, was wäre das für Sie?<br> Wenn es eine Sache gibt, die Ihnen in Hinblick auf Ihre Arbeit als besonders nutzlos erscheint, die also wirklich niemandem etwas bringt, was wäre das für Sie?<br> Und wenn es eine Sache gibt, die wir im Interesse der Kunden unbedingt verändern sollten, was wäre da aus Kundensicht betrachtet das Wichtigste für Sie? - Frage ans Gewissen
"Lieber Mitarbeiter, stellen Sie sich vor, Sie wären unser Unternehmensgewissen. Was würden Sie uns sagen?"
Das setzt voraus, dass die Führungskräfte in einem Dialog mit ihren Mitarbeitern stehen - und zwar kurzfristig-operativ und mittelfristig-entwickelnd. Und dieser Dialog sollte von wechselseitigem Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung geprägt sein. Deshalb sollten die Gespräche Führungskraft-Mitarbeiter, soweit möglich, vom Element "rückwärtige Bewertung und Beurteilung" befreit sein.
Und die Dokumentation der Gespräche? Sie sollte in erster Linie für die Gesprächspartner eine Hilfe zur Erinnerung und ein Zeichen der Verbindlichkeit sein. Die Dokumentation für Dritte, wie die Personal- und Unternehmensleitung hingegen, sollte, auf ein Mindestmaß beschränkt sein.
Weitere Infos:
Klaus Kissel ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm Institut für Sales- und Managementberatung, Urbar (www.ifsm-online.com), das Unternehmen unter anderem in den Bereichen Personal- und Organisationsentwicklung unterstützt. Er ist Autor des Buchs "Das Prinzip der minimalen Führung".
Martin Rugart arbeitet als Berater für Veränderungsprozesse und Führungskräftetrainer und -berater für ifsm. Er war lange Zeit in der Personalentwicklung verschiedener Unternehmen und als Führungskraft im Personalbereich tätig.