Weniger abhängig vom Anbieter
Damit hat die hausinterne IT die BPM-Plattform besser im Griff, ohne herstellerspezifisches Know-how aufzubauen. Die Abhängigkeit vom Anbieter wird geringer, die Entwicklung von Prozessanwendungen beschleunigt sich, und die Flexibilität bei der Umsetzung wird gesteigert. Das macht sich gerade bei Kernprozessen bemerkbar und kann zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen führen.
Knackpunkt Flexibilität
Für den Softwareingenieur Lehn vom Online-Händler Zalando ist genau diese Flexibilität der Knackpunkt: "Eine BPM-Plattform, deren Quellcode verfügbar ist, erlaubt uns die Abbildung unserer individuellen Anforderungen mit einer Konsequenz, die geschlossene BPM-Suiten unmöglich erreichen können."
Aber taugen solche Plattformen auch für Prozessanwendungen, die eine große Last bewältigen müssen? Ein Blick auf die Freenet AG vermittelt zumindest eine erste Vorstellung. Dort wickelt eine Open-Source- BPM-Plattform bis zu 1600 Vorgänge pro Stunde ab. Die dafür notwendige Hardware besteht lediglich aus einem kleinen Cluster, drei Servern mit je zwei CPU-Cores.
Erfolgsfaktoren für BPM
Auch wenn BPM potenziell große Chancen bietet, tun sich viele Unternehmen schwer, diese tatsächlich zu nutzen. Das liegt wohl auch daran, dass das Thema sehr vielschichtig und entsprechend weit gefasst ist: Man kann von der unternehmensweiten Prozessdokumentation bis zur Implementierung technischer Workflows alles Mögliche darunter verstehen.
Auch deshalb sind leider viele Initiativen der vergangenen Jahre im Sande verlaufen oder mit zweifelhaften Ergebnissen "erfolgreich" abgeschlossen worden. Was ist zu tun? Es lassen sich drei Faktoren identifizieren, die den Erfolg einer BPM-Initiative maßgeblich beeinflussen:
1: Modellierungskompetenz
BPMN 2.0 ist ein komplexer Standard. Wer ihn gut beherrscht, kann aussagekräftige und technisch verwertbare Diagramme erstellen, die trotzdem auch für Fachanwender leicht verständlich sind.
Doch diese Kompetenz lässt sich nicht ohne Mühe erwerben. Sie muss systematisch aufgebaut und durch "Learning by Doing" perfektioniert werden. Das bestätigt Karl Brandner, Chefarchitekt IT bei der DAB Bank: "Der BPMN-2.0-Ansatz bietet viele Chancen, erfordert aber einen stabilen methodischen Rahmen und eine gute Abstimmung der eingesetzten Werkzeuge."
Ein solcher "methodischer Rahmen" drückt sich beispielsweise in sinnvollen Modellierungskonventionen aus. Mit den "eingesetzten Werkzeugen" sind die Tools gemeint, die zum einen für die fachliche Modellierung und zum anderen für die technische Ausführung vorgesehen sind.
Diese Werkzeuge müssen übrigens nicht immer aus einer Hand stammen. BPMN-2.0-Modelle sind dank der Standardisierung zwischen den Produkten austauschbar, wodurch sich regelrechte Tool-Ketten aufbauen lassen.
2: Iterative Einführung
"Erst werden alle Prozesse im Ist-Zustand erhoben und dokumentiert, im Anschluss widmen wir uns der Optimierung." Dieses häufig zu hörende Konzept hat in der Vergangenheit zu vielen gescheiterten BPM-Initiativen geführt.
In der Praxis hat es sich bewährt, stattdessen den BPM-Lebenszyklus von der Erhebung über die Verbesserung bis zum Betrieb zunächst an wenigen ausgewählten Prozessen zu erproben. Die damit gewonnen Erfahrungen lassen sich dann für die nächste Iteration, sprich: den nächsten Prozess, verwenden.
3: Business-IT-Kollaboration
Da die Umsetzung von Prozessanwendungen auf Basis einer BPM-Plattform immer auch gewisse Programmierarbeiten erfordert, hat die Zusammenarbeit zwischen den Fachabteilungen und der IT eine hohe Bedeutung. Der Fachbegriff hierfür ist "Business-IT-Alignment". Das bedeutet, alle beteiligten Partner "auf Linie zu bringen". Hierzu kann BPMN 2.0 einen entscheidenden Beitrag leisten.
Aber die neue Notation wird kein Allheilmittel für alle auftretenden Probleme sein können. Hier spielen noch andere Faktoren mit. Ein adäquates IT-Projektvorgehen ist ebenso wichtig wie eine allgemein konstruktive Unternehmenskultur, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Partner auf Augenhöhe fördert.
Völlig falsch wäre es, wenn eine Fachabteilung sich selbst als den alleinigen "Eigentümer" eines Prozesses verstünde. Wenn sie also in umfangreichen Lastenheften vorschriebe, was sie gerne hätte, damit diese Wünsche dann unbesehen ausprogrammiert werden. Für eine derart veraltete Mentalität hat die IT in modernen Geschäftsmodellen bereits eine viel zu große - und noch immer rasant zunehmende - Relevanz. (qua)
(COMPUTERWOCHE/ad)