Nicht selten wurde in diesen Startups der Versuch Einzelner, Strukturen zu schaffen, sogar lächerlich gemacht. Alle wollten und sollten Visionäre sein - ganz so wie die oberste Führung. Die tägliche Kärrnerarbeit eines Managers oder die vom täglichen Ringen um Qualität geprägte Arbeit von Fachexperten mit Führungsaufgaben wollte niemand übernehmen. Deshalb folgte auf den rasanten Aufstieg vieler Startups ein abrupter Fall. Die visionären Ideen der Gründer hatten in der Startphase zwar viel Energie freigesetzt, doch diese wurde nie kanalisiert und verpuffte schließlich.
Zu viele Visionäre ruinieren eine Firma
Solche Tendenzen sind übrigens auch in etablierten Unternehmen zu beobachten. Vor drei Jahren baten wir im Rahmen eines Management-Audits die 250 mittleren und oberen Führungskräfte eines Konzerns, eine Selbsteinschätzung vorzunehmen. Das Ergebnis: Fast 90 Prozent der Führungskräfte sahen sich primär als "Leader". Zudem betrachteten sie das Entwickeln von Zukunftsvisionen als zentrale Aufgabe und Fähigkeit einer guten Führungskraft. Angesichts dieses eindimensionalen Verständnisses war es kein Wunder, dass in diesen Unternehmen oft über gravierende Qualitätsprobleme geklagt wurde und darüber, dass Projekte die gesteckten Ziele oft nicht erreichten. Niemand fühlte sich dafür verantwortlich.
- 3 Führungstypen ...
... unterscheidet Managementexperte und Unternehmensberater Georg Kraus. Hier skizziert er die Eigenschaften, die gute Manager auszeichnen. - Ein guter Manager ...
... löst Probleme. - Ein guter Manager ...
... plant und budgetiert. - Ein guter Manager ...
... organisiert und managt das Personal. - Ein guter Manager ...
... betreibt Controlling und Bewertung. - Ein guter Manager ...
... sichert den Prozess und die Qualität.
Jedes Unternehmen braucht also neben Leadern und Managern auch klassische Vorgesetzte - und: Die wirklich guten Manager vereinigen alle drei Führungstypen in sich. Dies sei am Beispiel oberster Unternehmenslenker erklärt - ganz gleich, ob ihr Titel Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzender lautet. Als deren wichtigste Aufgabe wird oft das Entwickeln der Visionen genannt, die dem Unternehmen den Weg in die Zukunft weisen.
Das trifft auch zu. Aber was nutzt einem Unternehmen die Vision "Wir wollen der Technologieführer in unserer Branche werden" oder "Wir wollen uns zum Systemanbieter entwickeln", wenn die oberste Führung nicht zugleich die Meilensteine auf dem Weg zum Ziel markiert? Visionen bleiben Tagträume, wenn es nicht gelingt, die nötigen Aufgaben abzuleiten und die Strukturen zu schaffen, damit die Visionen sich erfüllen können.
Auch ein Teamleiter braucht Visionen
Auch die obersten Unternehmensführer müssen Management-Fähigkeiten haben, und sie müssen sich im Bedarfsfall auch mit Fachaufgaben befassen. Sonst nehmen sie ihre Steuerungsfunktion nicht wahr. Am Ende werden sie ihre Ziele nicht erreichen und damit ihre eigene Position gefährden.
Ähnlich verhält es sich bei den Führungskräften am Fuß der Hierarchie. Ihre Kernaufgabe ist es zwar nicht, Visionen zu entwickeln. Sie müssen primär dafür sorgen, dass ihr Team seine Funktion in der Organisation erfüllt. Trotzdem müssen auch sie Manager-Qualitäten haben - damit sich ihre Teams ins Unternehmen einfügen und die übergreifenden Prozesse optimal gestaltet werden können.
Doch dies genügt nicht. Die unteren Vorgesetzten müssen auch allein oder im Dialog mit ihren Mitarbeitern eine Vision entwickeln können, die der gesamten Ausrichtung des Unternehmens entspricht. Zum Beispiel, indem sie sich fragen: Was folgt für uns daraus, dass unser Unternehmen Technologie- oder Qualitätsführer werden möchte? Das heißt also, auch ein Teamleiter muss die drei Führungstypen in sich vereinen - obwohl er ganz andere Aufgaben als ein Konzernlenker hat.
- Führung 2015
Ende November 2014 stand wieder unsere Gala zum "CIO des Jahres" an. Bei der Gelegenheit haben wir einige unserer Gäste gefragt, was sie sich in puncto Führung für das kommende Jahr vornehmen. - Harald Rünz, Carl Zeiss
Alignment ist das Stichwort von Harald Rünz. - Carl Zeiss
Der IT-Chef von Carl Zeiss hat sich in den vergangenen zwei Jahren viel mit Teambildung beschäftigt. 2015 will er seine 150 Mitarbeiter noch stärker als bisher auf die Unternehmens-Strategie einschwören. "Es geht um Business-IT. Darum, dass die Mitarbeiter verstehen, warum unser Unternehmen was produziert und welchen Herausforderungen wir uns stellen müssen", sagt Rünz. - Matthias Moritz, Almirall
Keine Siesta erwartet Matthias Moritz, CIO von Almirall in Barcelona... - Almirall
Zwar bezeichnet Moritz seine Mannschaft als "das beste Team der Welt". Ausruhen wird er sich aber nicht, denn er hat einen neuen Bereich für User-Experience gebildet. Dieser hat bisher zwölf Mitarbeiter und soll 2015 wachsen. - Klaus Straub, BMW AG
Ein Wort reicht Klaus Straub, dem CIO von BMW, auf die Frage nach den Führungs-Vorsätzen für 2015. - BMW
"Schreiben Sie: Hochleistungsteam!", sagt er. - Guus Dekkers, Airbus S.A.S.
Ein gutes Vorbild wird Guus Dekkers seinem Team sein. - Airbus
Der CIO von Airbus S.A.S. will "Agilität vorleben". Er sagt: "Ich will mein Team befähigen, Trends schnell zu erkennen und in Value umzuwandeln." - Bernd Kuntze, Haas Food
Neues Jahr heißt für Bernd Kuntze auch neue Mitarbeiter. - Haas Food
Für den CIO von Haas Food steht 2015 erst einmal an, neue Kollegen zu integrieren. "Wir achten schon beim Recruiting darauf, dass die neuen Mitarbeiter von der Persönlichkeit her zum Team passen", sagt er. - Norbert Kleinjohann, Siemens
Eine Kulturfrage steht für Norbert Kleinjohann von Siemens an. - Siemens
Er umreißt seine Führungsvorsätze für 2015 so: "Ownership Culture vorleben!" - Jens Riegel, Lohmann SE
Freiheit ist das Stichwort von Jens Riegel, dem CIO von Lohmann, einem Hersteller von Impfstoffen für Geflügel. - Lohmann
Riegel gewährt seinen Mitarbeitern hohe Freiheitsgrade, beobachtet jedoch, dass mancher Informatiker davon überfordert ist. "Ich möchte, dass sie lernen, althergebrachte Muster zu durchbrechen", sagt der CIO von Lohmann. - Richard Kneis, Alnatura
Stabilität ist das Motto von Richard Kneis, CIO bei Alnatura. - Alnatura
Kneis hat die IT bei dem Hersteller ökologischer Lebensmittel in den vergangenen viereinhalb Jahren komplett umstrukturiert. Dazu gehörte auch eine große SAP-Einführung. Im kommenden Jahr wird es darum gehen, Prozesse nach ITIL anzupassen.
Auf Führungsbalance achten
Führungskräfte sollten sich keinesfalls auf eine der drei Rollen Leader, Manager oder Fachexperte mit Führungsaufgaben zurückziehen oder diese gar idealisieren. Wichtiger ist, sich zu fragen:
Welche Bedeutung haben die drei Rollen aufgrund meiner Funktion in der Organisation für mein Führungshandeln?
Welche Relevanz haben sie in der aktuellen Führungssituation? Und:
Wo sollte ich aufgrund meiner Persönlichkeit und Verhaltenspräferenz noch an mir und meinem Verhalten arbeiten?
Eine solch nüchterne Betrachtung bringt Unternehmen und dem Management mehr, als einzelne Führungstypen oder -rollen zu idealisieren. Bleibt diese Selbstreflexion aus, kann das dazu führen, dass alle Führungskräfte einer Organisation - durchaus abhängig vom Zeitgeist - nur noch Manager oder Leader sein möchten und sich in Krisenzeiten wie hilflos autoritäre Vorgesetzte gebärden. Das zerstört die Führungsbalance in Unternehmen, die für das Bewältigen von Herausforderungen nötig ist.