Das Gehirn schaltet auf den Modus "Freund"
Jetzt wissen wir, was Vertrauen ist und, was noch viel wichtiger ist, was es bewirkt. Doch wie entsteht Vertrauen? Interessanterweise ist Vertrauen keineswegs die Folge eines bewussten, rationalen Ab-wägens, sondern einer rasend schnellen und meist völlig unbewussten Entscheidung unseres Gehirns. Es basiert auf einem folgenschweren Gesamturteil, das unser Gehirn bereits in den ersten Sekunden unseres Zusammenseins mit einer Person fällt, und das alles Weitere maßgeblich beeinflusst und entscheidet: Denn Vertrauen entsteht nur, wenn
- wir uns in der Gegenwart des Anderen wirklich wohl und sicher fühlen und
- all unsere archaischen und instinktiven Alarm-, Abwehr- und Überlebenssysteme komplett ausgeschaltet sind.
Dann stellt sich unser Gehirn auf den Modus "Freund" ein. Das heißt: Wir (ver-)trauen dem Anderen, und er genießt unsere Sympathie. Also darf er sich nun auch eine Menge erlauben – wie ein guter Freund, mit dem wir auch nicht immer einer Meinung sind und dem wir schon manches verziehen haben.
Bei Misstrauen geschieht genau das Gegenteil. Dann sind unsere Warnsysteme weiter aktiv. Unser Radar arbeitet auf höchster Alarmstufe und unser Gehirn hat auf "Feind" geschaltet. Also sucht es fortan nach Bestätigungen für seine negative Entscheidung, Erwartungshaltung und Einstellung. Positives wird nicht mehr wahrgenommen. Es wird ausschließlich nach Fehlern gesucht und das Negative beachtet. Das heißt, wir sind in einer "Hab-Acht-Stellung" und beäugen unseren Gesprächspartner kritisch, distanziert durch einen negativen Realitätstunnel. Befindet sich ein Kunde in diesem Modus, ist dies die schlechteste Basis für den Aufbau einer Beziehung und für ein erfolgreiches (Verkaufs-)Gespräch.
Ziel: den Glaubwürdigkeits-Check bestehen
Für unsere Ahnen in grauer Vorzeit war dieses Feind-Verhalten überlebenswichtig. Denn bei ihnen ging es nicht um Sympathie, ums Mögen und Kommunizieren, sondern um die nackte Existenz. Nahmen sie Signale des Angriffs oder der Bedrohung wahr, blieben ihnen nur die Möglichkeiten angreifen, flüchten oder in Starre verfallen.
- Suggestivfrage
Beispiel: "Sie wollen doch sicherlich auch ...?"<br><br> Antwort: Ja! Stark manipulierend, kein Nein zulassend<br><br> Nutzen: Bitte äußerst sparsam verwenden. - Geschlossene Frage
Beispiel: "Gefällt Ihnen das Produkt?"<br><br> Antwort: Ja oder Nein, wenig Information<br><br> Nutzen: Nur zum Herbeiführen von (Teil-)Entscheidungen verwenden. - Alternativfrage
Beispiele: "Wollen Sie lieber ....oder ...?", "Passt es Ihnen besser am ... oder am ...?"<br> Antwort: bewegt sich innerhalb eines Korridors<br> Nutzen: beschleunigt Entscheidung bzw. führt diese hierbei, gibt dem Kunden das Gefühl "Ich entscheide ..." - Bestätigungsfrage
Beispiele: "Sehen Sie das genauso?", "Haben Sie sich das so vorgestellt?"<br> Antwort: Ja oder Nein, Zustimmung oder Ablehnung<br> Nutzen: führt Teilentscheidungen herbei, ideal um Einwände zu vermeiden - Offene (Informations-)Frage
Beispiele: "Was erwarten Sie von einem guten…"; "Wie meinen Sie das?"<br> Antwort: (mindestens) ein vollständiger Satz<br> Nutzen: ideal zum Gewinnen von Informationen, Schaffen von Klarheit, Klären von "Bedenken" - Wer fragt, der führt
Das gilt besonders in Verkaufgesprächen, wenn es darum geht, Klarheit zu schaffen und Entscheidungen herbeizuführen. Verkäufer müssen deswegen in jeder Situation und an jeden Kunden die passenden Fragen stellen. Und diese lassen sich oft ganz einfach formulieren, wie ein paar Beispiele auf den folgenden Seiten zeigen.
Auch Sie kennen solche Reaktionen, wenn auch in einer weniger überlebenswichtigen Form. Bei Zeitgenossen, die Sie nicht mögen, legen Sie wahrscheinlich jedes Wort auf die Goldwaage. Ihr Gegenüber kann machen, was er will, er hat keine Chance. Denn er fiel bei Ihnen irgendwann durch den Glaubwürdigkeitscheck und wurde als "Feind" eingestuft. Und das bleibt auch so! Es sei denn, er tut plötzlich etwas unerwartet Positives oder Sie entdecken über eine längere Zeit völlig neue Seiten an ihm. Dann kann es passieren, dass Sie Ihr Urteil ändern und den anderen auf Bewährung begnadigen.
Doch wie genau kommt es zu der folgenschweren "Freund- oder Feind-Entscheidung" in unserem Gehirn? Ganz einfach: Sie ist das positive oder negative Ergebnis, eines unbewussten "Glaubwürdigkeits-Checks", den der Andere beim ersten Kennenlernen durchlief. Sie kennen diese spontane Prüfung, die der Volksmund "ersten Eindruck" nennt. Er lässt sich nur schwer verändern und korrigieren.
Drei Faktoren werden bei dem Glaubwürdigkeitscheck beim ersten Kennenlernen in Sekundenschnelle gecheckt und auf Übereinstimmung hin übergeprüft, wobei die Reihenfolge zugleich eine Prioritätenfolge ist:
1. Wie verhalten Sie sich (Körpersprache, Mimik, Gestik)?
2. Wie klingen Sie (Stimme)? Und:
3. Was sagen Sie (Sprache, Worte)?
Und dabei geht es nicht so sehr um "richtig oder falsch" sowie "angenehm oder unangenehm", sondern in erster Linie um Stimmigkeit, um Übereinstimmung. Sie entscheidet darüber, ob Sie auf Ihr Gegenüber "echt" wirken – ob also Ihre verbale und non-verbale Ausstrahlung und Wirkung überzeugen. Abhängig davon entscheidet Ihr Gegenüber, ob er Ihnen seine Gunst und sein Vertrauen schenkt.
Auf der nächsten Seite geht es u.a. um die Mimik und die Augensprache.