Der BGH entschied durch sein Urteil vom 28.06.2017 (Az. IV ZR 440/14), dass-- völlig unabhängig vom Widerruf-- auch ein Schadensersatzanspruch für die Rückabwicklung einer Lebensversicherung ausreichen kann - auch bei ab 2008 abgeschlossenen Verträgen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn dem Versicherungsnehmer (VN) schuldhaft vor Vertragsabschluss die Versicherungsbedingungen nicht zur Verfügung gestellt wurden, und er deshalb einen Schaden erlitten hat bzw. er den Vertrag bei rechtzeitiger Übergabe der Versicherungsbestimmungen nicht abgeschlossen hätte. Irreführende Informationen etwa in Form überhöhter Beispielrechnungen sind ein weiterer Grund.
Häufiger kann der VN sich auf die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens berufen (BGH, Az. IV ZR 164/11). Rückabwicklungen sind auch bei nichtigen oder schwebend unwirksamen Verträgen möglich, wenn etwa die versicherte Person nicht zugestimmt hatte oder bei Minderjährigen die vormundschaftlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Für Rückabwicklungsanspruch, Schadenersatzhöhe und den Nachweis der Schadenursächlichkeit wird meist eine versicherungsmathematische Begutachtung notwendig werden.
Hohes wirtschaftliches Potenzial durch Widerruf
Nach einem Widerruf von Lebensversicherungsverträgen mit Abschluss von 1995 bis 2007 - darf der Versicherer (VR) nur die meist relativ geringen verbrauchten Risikokosten behalten. Die Prämien hat er sonst vollständig zurück zu zahlen. Auch bei sonst unkündbaren Basisrenten kann so wieder über das Kapital und mehr verfügt werden. Daneben sind alle vom Versicherer tatsächlich gezogenen Nutzungen ohne Abzüge herauszugeben (BGH, Az. IV ZR 201/14 und IV ZR 384/14). Diese muss der VN mit einem Bezug zur konkreten Ertragslage des Versicherers darlegen - ohne versicherungsmathematische Begutachtung inklusive Auswertung aller Geschäftsberichte des Versicherers über die Vertragslaufzeit wird dies kaum gelingen.
Fast jederzeitige Rückabwicklung der Pensionszusage oder bAV
Die Rückabwicklung einer Versorgungszusage - Pensionszusage für Arbeitnehmer (AN) oder GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) - ist ein anderes Thema. Gründe für die Anfechtung, die Unwirksamkeit oder sonstige Rückabwicklungsansprüche der Versorgungszusage lassen sich meist finden, vor allem, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich zum beiderseitigen Vorteil einig sind. Gut gemacht, kann die Rückabwicklung ein Steuersparmodell sein - einschließlich in etwa einer Halbierung der Sozialversicherung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der vorzeitigen Auszahlung als Lohn; anstatt im Rentenalter.
Bei Direktversicherungen, Entgeltumwandlungen und Pensionsrückdeckungen ist auch eine Lebensversicherung im Boot, gegen die eigene genannte Rückabwicklungs- oder Schadenersatzansprüche bestehen können. Vielfach bietet deren Widerruf für den Arbeitgeber dann die Chance, mehr Geld vom Versicherer zu bekommen, als dem Arbeitnehmer in der bAV-Zusage versprochen wurde. Ohne Widerruf führt die heute übliche Unterdeckung, also eine Versicherungsleistung, die nicht ausreicht die Leistungen der Versorgungs-Zusage komplett zu bedienen, zu einer Einstandspflicht des Arbeitgebers, also nachträglichem und meist ungeplantem Kostenaufwand.
Der Versicherungsvermittler klärt über solche Risiken meist nicht auf - etwa im Rahmen einer Szenariotechnik, passend zu den für den Arbeitgeber gelieferten bAV-Formularen für die Personalabteilung bzw. Lohnakten. Gerade dies kann indes dann als Grund für den Rückabwicklungsanspruch dienen, weil der AN bei korrekter Aufklärung z.B. der Entgeltumwandlung niemals zugestimmt hätte.