B2B-Netzwerke

Plattformanbieter, verändert euch!



Seit dem 1. April 2024 agiert Christian Mehrtens als Geschäftsführer von Sage Zentraleuropa. Bis Ende März 2024 war er Leiter des Geschäftsbereichs Mittelstand und Partner bei der SAP Deutschland SE & Co. KG. Davor arbeitete er unter anderem bei HP, Compaq, Microsoft und Oracle.
B2B-Netzwerke gehen verstärkt auf Partnersuche. Sie wollen auf ihren Plattformen Unternehmen einbinden, die neue datenbasierte Services anbieten. Warum sich Plattformanbieter dafür neu positionieren müssen und was es zu tun gilt, lesen Sie hier.
B2B-Plattformanbieter binden ihre Technologiepartner meist via Cloud an und offerieren deren Lösungen im SaaS-Verfahren (Software as a Service).
B2B-Plattformanbieter binden ihre Technologiepartner meist via Cloud an und offerieren deren Lösungen im SaaS-Verfahren (Software as a Service).
Foto: amgun - shutterstock.com

Mehr Nachhaltigkeit, innovative digitale Services und widerstandsfähige Lieferketten: Technologische Plattformanbieter decken die Erfordernisse unserer Zeit immer stärker mit der Hilfe ihrer Partner ab. Bis 2025 sollen digitale Ökosysteme laut Einschätzung der Unternehmensberatung EY 30 Prozent der weltweiten Einnahmen generieren.

Für ein zukunftsfähiges Business-Netzwerk reichen daher die klassischen Reseller oder Implementierungsexperten, die bisherigen Stützen vieler Plattformen, allein nicht mehr aus. Plattformanbieter suchen entsprechend mit Nachdruck nach Unternehmen, die mit zusätzlichen Aspekten und Inhalten das Netzwerk bereichern. Das können innovative Nachhaltigkeitsdienste genauso sein wie neue Zahlungs- und Versicherungsservices oder Logistiklösungen für spezielle Produkte.

Softwarehäuser allein machen nicht zukunftsfähig

Beispiel Nachhaltigkeit: 2015 hat sich die Weltgemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen zu 17 globalen Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Für viele davon sind auch Unternehmen verantwortlich. Eine Studie der Global-e-Sustainability-Initiative kommt zu dem Schluss, dass sich mehr als die Hälfte der 169 Unterziele der UN nur mithilfe digitaler Lösungen erreichen lässt. Daher muss ein Partnernetzwerk genau solche digitalen Services anbieten können, wenn es seine Kunden beim Lieferanten- oder Nachhaltigkeitsmanagement oder bei der Kreislaufwirtschaft unterstützen will.

Beim Thema ESG (Environment, Social, Governance) zeigt sich besonders deutlich, dass B2B-Netzwerke die Bedürfnisse ihrer Kunden nicht allein mit klassischen Partnern, den Softwarehäusern oder Independent Software Vendors (ISV), befriedigen können. Momentan fragen viele Kunden nach digitalen Lösungen, mit denen sie den Sorgfaltspflichten genügen, die ihnen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auferlegt. Unternehmen müssen bei jedem ihrer Produkte und Services den CO2-Fußabdruck über die gesamte Lieferkette nachvollziehen, wollen menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken identifizieren und vermeiden können. Und: Sollte es Optimierungsbedarf geben, möchten sie auf ihrer Plattform bessere Alternativen finden.

Finanzdienstleister – FinTechs, Banken, Versicherungen – machen Plattformen ebenfalls attraktiver. Auch sie zählen zu den sogenannten Content-Partnern, die nun so gefragt sind. Weil sie beispielsweise neue Zahlungsdienste oder Versicherungsprodukte auf der Plattform anbieten oder in die Bresche springen können, wenn kleine Lieferanten über einen größeren Zeitraum hinweg auf ihre Rechnungserstattung warten müssen. FinTechs sind für Plattformen ein zusätzlicher Gewinn, weil sie aufgrund ihrer Datenanalysen Verhaltensweisen und Trends innerhalb bestimmter Branchen früher als andere prognostizieren können.

Womit lassen sich neue Netzwerkpartner locken?

Halten wir fest: Technologie-Netzwerke brauchen eine neue Art von Partnern. Dabei kann es sich um Startups, mittelständische Unternehmen oder Konzerne handeln. Aber so unterschiedlich sie sein mögen, sie alle brauchen überzeugende Gründe, um sich einer Plattform anzuschließen. Ein klassischer Reseller oder Implementierungspartner steht schon aufgrund seines Geschäftsmodells in einer engen Verbindung zum Plattformanbieter. Das ist bei den neuen Netzwerkpartnern nicht der Fall. Allein die Möglichkeit, sich einen Zugang zu neuen Kunden zu erschließen, reicht ihnen als Motivation oft nicht aus. Wollen Plattformanbieter diese neue Art von Partnern für sich gewinnen, müssen sie neue Anreize setzen und über andere Recruiting-Modelle nachdenken. Sie müssen sich mit ihrem Support, ihren Prozessen und dem Datenmanagement auseinandersetzen.

Mein Tipp: Sie sollten sich zuallererst vom „One size fits all”-Gedanken verabschieden. Ehrlicherweise greift dieser Slogan bereits bei den bisherigen Partnern zu kurz. Manche bieten Implementierungsdienste oder Beratungsleistungen an, andere entwickeln skalierbare Softwareanwendungen. Aber so, wie sie ganz verschiedene Aufgabenbereiche abdecken, melden sie auch unterschiedliche Bedürfnisse an das Netzwerk an.

  • Dienstleistungspartner benötigen Referenzarchitekturen und Best Practices.

  • Value Added Reseller brauchen wiederholbare Anwendungsfälle und häufig Hilfe in der Einführungsphase.

  • Softwarehäuser und ISVs wollen sich mit dem Netzwerk White-Space-Marktchancen – also neue Kunden- und Umsatzpotenziale – erschließen und ihr Portfolio weiterentwickeln.

Mit den neuen Partnern kommen nun weitere Anforderungen an eine Plattform hinzu.

So erhöhen Sie die Attraktivität Ihrer Plattform

  1. Überdenken Sie Ihren Support
    Beim technischen Unterstützungsbedarf unterscheiden sich die neuen Netzwerkpartner kaum von den traditionellen Implementierungspartnern, von Softwarehäusern und ISVs. Letztlich müssen hier wie dort die APIs auf beiden Seiten funktionieren.

    Anders sieht es beim kommerziellen Support aus. Die Umsatzströme der neuen Partner ändern sich laufend, werden mal nach oben, mal nach unten gehen. Das müssen Plattformen auffangen können – über flexible Abrechnungen, Stundungen usw. Viele B2B-Netzwerke entwickeln dafür sicherlich neue Rahmenmodelle. Bei dieser Gelegenheit lassen sich existierende Verkaufsermächtigungen von Partnern, die Sie in Ihrem Partnerprogramm festgelegt haben, neu evaluieren. Kann z.B. innerhalb Ihres Netzwerks ein kanadischer Partner problemlos einem deutschen Kunden seinen Service anbieten oder sind die Genehmigungen lokal gebunden? Vernetzte Wertschöpfung findet in digitalen Ökosystemen auf globalem Level statt, das sollte das Regelwerk auch abbilden.

  2. Passen Sie Ihr Geschäftsmodell an
    Wer eine neue Art von Netzwerkpartnern einbinden möchte, muss Umsatzbeteiligungsmodelle (Revenue-Share-Modelle) entwickeln, Audits aufbauen und Transaktionswerte messen können. Am Beispiel der Finanzservices lässt sich dies gut verdeutlichen. Angenommen, ein Käufer schuldet dem Lieferanten eine Million Euro. Ein FinTech-Unternehmen könnte dem Lieferanten den Betrag für einen Zuschlag von drei Prozent auszahlen und als zusätzlichen Service die Kreditwürdigkeit der beteiligten Unternehmen prüfen.

    Das heißt dann aber auch, dass dem Netzwerkanbieter wie dem Partner die Werte der Transaktion bekannt sein müssen. Eine Regelung dafür zu finden, ist nicht trivial, handelt es sich hier doch um sensible Daten. Wer sein Netzwerk über die traditionellen Partner hinaus ausweiten möchte, für den wird das Risikomanagement zum zentralen Baustein der Strategie. So werden Plattformbetreiber künftig Partner brauchen, die sich aufs Betrugsvermeidung verstehen und die Netzwerkteilnehmer mit Blick auf das Kredit-Rating oder den Korruptionsindex bewerten können. Schließlich kann kein Plattformbetreiber riskieren, dass in seinem Netzwerk zum Beispiel Geld gewaschen wird.

  3. Spezifizieren Sie Ihr Onboarding
    Der Onboarding-Prozess darf sich bei neuen Partnern nicht auf das rein technische Andocken an die Integrationsschnittstellen beschränken. Plattformanbieter müssen für ein gegenseitiges Verständnis beim Messen von Transaktionsvolumina sorgen. Ein Modell zur Umsatzbeteiligung sollte substanzieller Bestandteil des Vertrags sein. Natürlich sollten Sie auch rechtzeitig klären, welcher Partner welche Garantien und Gewährleistungen erbringen muss.

  4. Ordnen Sie die Verantwortlichkeiten beim Datenmanagement
    In Business-Netzwerken sind die Partner daran interessiert, untereinander Informationen auszutauschen, um die eigene Datenbasis zu verbessern und auf dieser Grundlage neue Services zu entwickeln. Das gilt in besonderem Maße für jene Partner, die die Plattformen nun neu an sich binden wollen. Offene und dokumentierte APIs bilden die technische Grundlage dafür. Mit Blick auf das Thema Datenschutz und Datensicherheit bedeutet dies jedoch auch, dass Plattformen eine RACI-Matrix brauchen. RACI steht für Responsible, Accountable, Consulted, Informed und regelt die Verantwortlichkeiten im Netzwerk. Datenschutz und Datensicherheit werden so zur Gemeinschaftsaufgabe aller Beteiligten.

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