Die heißen Kandidaten warm halten
Was heißt das?
Walz: Nach dem Gespräch muss zum Beispiel ein Follow-up folgen. Ich muss mir Gedanken darüber machen, wie ich mir interessante Kandidaten warm halte, wenn ich weiß: Es dauert noch einige Wochen, bis wir die endgültige Entscheidung getroffen haben. Sonst ist die Gefahr groß, dass ich, wenn ich dem Bewerber den Arbeitsvertrag zur Unterschrift sende, die Antwort erhalte: Tut mir leid, ich habe mich zwischenzeitlich für ein anderes Unternehmen entschieden.
Geschieht das oft?
Walz: Viel zu oft, woraufhin die Entscheider in den Unternehmen regelmäßig aus allen Wolken fallen: "Wie der Herr X oder die Frau Y hat sich anders entschieden? Im Vorstellungsgespräch macht er doch so einen guten und interessierten Eindruck." Richtig! Doch danach hörte er oder sie vier Wochen lang nichts mehr vom Unternehmen. Also machte der Bewerber sich seine Gedanken und entschied sich gegen einen Wechsel, weil ihm das Risiko zu hoch erschien, oder für einen anderen Arbeitsgeber, der sich stärker um ihn bemühte und ihm mehr individuelle Wertschätzung signalisierte.
Das klingt alles ganz logisch. Warum beachten die Unternehmen dies dann oft nicht?
Walz: Das frage ich mich zuweilen auch. Vermutlich weil sich in ihnen der Mindset noch nicht geändert hat. Viele Unternehmen starteten in den letzten Jahren zwar firmenintern irgendwelche "employer branding"-Projekte. Oft beschränken sich diese aber darauf, die Karriere-Seite auf der Firmenwebseite sowie die Broschüren und Anzeigen neu zu gestalten; außerdem an irgendwelchen fragwürdigen Attraktive Arbeitgeber-Wettbewerben teilzunehmen, bei denen jeder ausgezeichnet wird, der bezahlt. Die Rekrutierungsprozesse haben sich aber nicht verändert - und schon gar nicht der Mindset der verantwortlichen Personen. Im Alltag orientiert man sich oft noch an irgendwelchen Unternehmensrichtlinien, die ebenso überholt sind wie die Vergütungsmodelle der Unternehmen.
Kreative, individuelle Lösungen finden
Würden Sie das bitte erläutern?
Walz: Statt den interessanten Kandidaten einfach nur den Betrag X als Gehalt anzubieten, wäre es oft zielführender, das Gespräch mit ihnen darüber zu suchen, was ihnen wichtig ist. Manchen Kandidaten ist es zum Beispiel wichtiger als ein sehr hohes Gehalt zu haben, an ein, zwei Nachmittagen in der Woche frei zu haben - beispielsweise, weil sie stolze Familienvater oder begeisterte Marathonläufer sind. Andere möchten sich noch weiterbilden und eine Zusatzqualifikation erwerben. Und nicht jeder Kandidat will einen dicken, fetten Firmenwagen haben, manche bevorzugen ein schnittiges Cabrio. Wichtig ist es, in diesem Bereich keine starren Regelungen zu haben, so dass kreative, individuelle Lösungen möglich sind.
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Was würden Sie Unternehmen, die sich mit der Suche nach raren Mitarbeitern schwer tun, abschließend raten?
Walz: Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus der Natur: Mit ein- und derselben Angel kann man zwar unterschiedliche Fische fangen. Ich muss aber vorher wissen, was ich fangen möchte. Denn die verschiedenen Fischarten bevorzugen unterschiedliche Köder. Zudem stehen Hechte eher in ruhigen Teichen, während die Forellen in fließenden Bächen springen. Sich einfach mit einer Angel an ein Gewässer zu setzen, führt beim Angeln nicht zum Erfolg. Genauso verhält es sich mit den Einstellungsprozessen in Unternehmen. Das erfolgreiche Einstellen einer buchhalterischen Nachwuchskraft oder eines Junior-Java-Entwicklers erfordert andere Prozesse als das Einstellen eines kaufmännischen Geschäftsführers oder Vertriebsleiters Europa.
Herr Walz, vielen Dank für das Gespräch.
Bernhard Kuntz
Zum Interviewpartner: Alexander Walz ist Geschäftsführer der Personal- und Managementberatung Conciliat GmbH, Stuttgart (www.concilliat.de), die auch Niederlassungen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München hat.