Das papierlose Büro ist in aller Munde. In der Theorie könnten von der Rechnung bis hin zum Bestellschein alle Dokumentenprozesse bereits automatisiert und digital ablaufen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Digitalisierung mehr als sinnvoll: Informationen können durch intelligent eingesetzte IT ohne Zeitverlust verarbeitet werden und die daran anknüpfenden, automatisierten Prozesse sind nicht nur schneller, sondern sparen auch Kosten.
Durch die Umstellung auf digitale Rechnungen könnten Unternehmen bis zu 80 Prozent der Prozesskosten einsparen. Bedenkt man, dass im aktuellen Billentis Report das Wachstum des digitalen Rechnungsvolumens im B2B-Sektor auf 22 Prozent geschätzt wird, wird das enorme Potenzial der Digitalisierung von Rechnungsprozessen klar. Allein in Europa rechnet man für 2015 mit mehr als 35 Milliarden elektronischen Rechnungen.
In der Praxis sieht die Umsetzung des papierlosen Büros nicht so rosig aus: Die Vorteile der elektronischen Rechnungsverarbeitung haben bisher nur knapp 27 Prozent der deutschen Unternehmen erkannt. Europaweit hat, Stand heute, knapp ein Viertel aller Unternehmen auf E-Invoicing umgestellt.
Auch wenn bereits jedes vierte Unternehmen elektronische Rechnungen nutzt, bedeutet dies längst nicht, dass der komplette Rechnungsprozess digital gehandhabt wird. Bei der Archivierung eines Dokuments oder der Freizeichnung wird oftmals weiterhin auf Papier zurückgegriffen. Was vielen Unternehmen nicht klar ist: Durch jede Unterbrechung der digitalen Bearbeitungskette entstehen Kosten, sei es durch zusätzliches Personal oder einen höheren technischen oder logistischen Aufwand.
Mehrwert der Digitalisierung
Der Mehrwert der Dokumenten-Digitalisierung entsteht für Unternehmen nicht allein durch die Nutzung von E-Rechnungen, sondern durch eine vollständige Umstellung aller Zahlungs- und Finanzprozesse. Digitalisiertes Supply Chain Financing kann, wenn es richtig eingesetzt wird, nicht nur die Liquidität eines Unternehmens erhöhen, sondern gleichermaßen das Working Capital optimieren, Kosten reduzieren und insgesamt finanzielle Risiken senken.
Ein weiterer Faktor, der für die Digitalisierung aller Geschäftsprozesse spricht, ist die Möglichkeit der Rechnungsfinanzierung. Zunächst wird die Rechnung über einen E-Invoicing-Provider versandt und die entsprechenden Leistungen vom Rechnungsempfänger bestätigt. Anschließend übernimmt der Provider die Zahlung der Rechnung, zum Beispiel über eine angeschlossene Partnerbank. So sorgt die Einkaufsfinanzierung auf Käuferseite für ein verlängertes Zahlungsziel, der Lieferant wiederum erhält die Zahlung innerhalb weniger Tage und hat insgesamt einen deutlich geringeren Aufwand bei der Rechnungsabwicklung. Für Lieferanten sind außerdem die niedrigen Zinsen interessant.
Existenzsicherung für kleine und mittelständische Unternehmen
Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) profitieren besonders von einer optimierten und digitalisierten Supply Chain Finanzierung. Nicht selten ist diese sogar gleichbedeutend mit der Sicherung der eigenen Existenz. KMU sind darauf angewiesen, dass die digitalen Rechnungsprozesse, allen voran die Prüfung und Genehmigung von Lieferantenrechnungen, optimal funktionieren.
Im Bereich E-Invoicing gelten KMU sogar als ein möglicher Impulsgeber, da die Umstellung auf digitale Rechnungen ihnen die Möglichkeit bietet, mit vorreitenden Konzernen Schritt zu halten. Aufgrund dieser Entwicklung spezialisieren sich immer mehr Dienstleister auf diese Zielgruppe und bieten speziell zugeschnittene Lösungen an.
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Entwicklungsperspektive - Zusammenarbeit mit den Banken
Von Anbietern werden dementsprechend integrierte Lösungen gefordert, die technisch in der Lage sind, den kompletten Prozess - vom Bestellungseingang bis zur Begleichung der Rechnung - abzuwickeln. Für die Zukunft bedeutet dies, dass die Zusammenarbeit mit einer Bank oder aber eine eigene Banklizenz quasi zur Pflicht werden. Eine Entwicklung, die für die Banken Chance und Risiko zugleich darstellt. So können sie die Chance ergreifen, mit Technologieanbietern zusammen zu arbeiten und neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Gleichzeit besteht ein großes Risiko: Finanztechnologie-Firmen, sogenannte Fintechs, übernehmen schon jetzt Teile des Kerngeschäfts von Banken und Finanzinstituten. Im Bereich der Rechnungsstellung beziehungsweise im Rahmen der Supply Chain Finanzierung sind Banken also quasi dazu gezwungen, mit den Providern über eine mögliche Zusammenarbeit in Dialog zu treten. Über kurz oder lang werden sich die Provider andernfalls eine eigene Banklizenz besorgen und sind in Konsequenz nicht mehr auf die Unterstützung der Banken angewiesen.
Während der Großteil der B2C-Fintechs ihr Geschäftsmodell auf einen Bedarf hin schnell entwickelt hat, haben sich viele der E-Invoicing-Anbieter bereits erfolgreich am Markt etabliert. Sie müssen ihr Geschäftsmodell nicht mehr unter Beweis stellen. Die Situation einfach "auszusitzen", können sich die Banken in Hinblick auf B2B-Fintechs nicht erlauben. Denn gerade im B2B-Bereich handelt es sich bei dieser Entwicklung nicht nur um einen Hype, sondern um eine digitale Revolution, die unaufhaltsam voran schreitet. Der Trend zeichnet sich nicht erst seit Gestern ab und dank der rasanten Entwicklungen im B2C-Bereich hat ihn mittlerweile auch das Geschäftsumfeld erkannt.
Banken, Unternehmen und Technologieanbieter sind gefordert, Schritt zu halten, um sämtliche Entwicklungsmöglichkeiten der modernen Finanztechnologie nicht nur zu erkennen, sondern auch umzusetzen. (bw)