Unbewusste Navigationsstrategie
Stattdessen nutzen wir das, was wir uns als psychologische Navigationsstrategien fürs Leben unbewusst gebaut haben. Es ist vertraut. Es fühlt sich dadurch sicher an - existenziell und sozial. Es ist förderlicher fürs Image. Wir gehen innerlich und äußerlich in den Rückzug oder mit unserer Aufmerksamkeit zu betäubend Angenehmerem und mit unseren Äußerungen in vermeintlich souveräne und kompetente Gutmensch-Darstellungen.
In irgendeiner Weise hat jeder von uns die Wahrhaftigkeit aufgegeben. Und das ist es, was wir anderen als fehlende Authentizität übelnehmen.
Es braucht bei jedem von uns eine bewusste Entscheidung, die innere Wahrheit der Gewohnheit und dem psychologischen Schutzmantel vorzuziehen, wach zu werden, hin zu schauen, ernst zu nehmen. Wer das nicht tut, braucht bzgl. fehlender Authentizität nicht auf andere zeigen.
Im Coaching werden viele wichtige Erkenntnisse dadurch erzeugt, dem Coachee ein Bewusstsein über das zu ermöglichen (eine der ICF-Kernkompetenzen), was eigentlich für ihn selbst stimmig und wahrhaftig ist und welche Muster ein dazu angemessenes und authentisches Verhalten verhindern. Je stärker die Bewusstheit dazu ist, umso weniger können diese Ego-Gewohnheiten greifen. Wir "wachen auf".
Authentisch ist übrigens nicht mit unangenehm oder problematisch gleich zu setzen. Dieser Gedanke kommt nur dadurch auf, dass wir mit der Ego-Orientierung meist gefällig sind, es anderen leicht machen und souverän wirken wollen. Authentisch ist alles: Leicht und schwer, lustig und ernst, kompetent und überfordert, etc. Authentizität braucht die Wahrnehmung im Moment, eine von eigenen Ego-Bedürfnissen und -Mustern unbeeinflusste Präsenz und ein grundsätzliches "Ja" zu dem, was ist.
Mangel an Wahrhaftigkeit bekämpfen
Wie lange können wir uns in der Gesellschaft und in der Wirtschaft den bisherigen Mangel an Wahrhaftigkeit noch leisten?
Wer immer anfängt, findet schnell Gleichgesinnte. Wahrhaftigkeit und Authentizität sind wie Kerzenlicht in einem dunklen Raum: Selbst wenn die Quelle klein ist, sie beeinflussen alles positiv.
Wahrhaftigkeit ist nicht immer leicht zu hören - das muss uns dabei bewusst sein.
Was sagt man darauf? Einen platten Trost? Den will keiner. Wir wollen auch für unsere Wahrhaftigkeit nicht stigmatisiert werden. Wer Wahrhaftigkeit und Authentizität in sein Team oder seine Lebensumgebung einführen möchte, hilft am besten zu Anfang den anderen aus dieser Überforderung im Gespräch, in dem er mit einem kurzen Statement beschreibt, dass es ihm wichtig ist, hier wahrhaftig zu sein. (OE)