Vorsatzlosigkeit trotz Geständnis?
Vorsatz muss bei VW nicht deshalb anzunehmen sein, weil VW einräumt, dass eine "illegale" Abschaltvorrichtung vorgelegen habe. Denn dies ist eine rechtliche Würdigung, die sich aus den zugrundeliegenden Tatsachen gar nicht unmittelbar ergibt. Dies ist nämlich nicht einfach damit zu begründen, dass die Vorrichtung gelegentlich oder in vielen Situationen abschaltet. Sie muss vielmehr sozusagen im Betrieb fast immer abschalten, ohne dass dies objektiv erforderlich wäre. Es kann aber erforderlich gewesen sein, um die Wartungsintervalle einzuhalten.
VW hätte in USA seine KFZ auch mit höheren Grenzwerten zulassen können, die dann im Normalbetrieb öfters einzuhalten gewesen wären. Es gibt keine derart niedrigen Vorgaben, und auch nicht die Verpflichtung, dass diese im Normalbetrieb im Mittel eingehalten werden. Es geht also darum, dass VW selbst mit den niedrigen Werten operiert und geworben hat.
Man könnte argumentieren, dass durch die Schadstoffe Krankheiten und Todesfälle entstanden sind, die bei nicht irreführender Werbung nicht entstanden wären, weil die Produkte von VW nicht verkauft worden wären. Konkret: keine Diesel, sondern Benzin-Fahrzeuge, oder Elektro-Fahrzeuge. Es wurde ja gerade damit geworben - und dies war für den Verkauf von Diesel ausschlaggebend - dass die Fahrzeuge besonders sauber seien.
Ein Kläger müsste nach dem RICO-Gesetz nachweisen, dass ein Unternehmen nicht nur in der Vergangenheit groß angelegten Betrug begangen haben, sondern dass die Betrügereien weitergehen und die "Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des kriminellen Verhaltens" besteht. Das dürfte schwierig sein - je mehr Verantwortliche aus den oberen bis zu mehr als drei Führungsebenen das Unternehmen inzwischen auch zur Schadensbegrenzung verlassen mussten.
Schwarzbuch VW: Pflicht zum Risikomanagement
Seit dem 01.05.1998 verpflichtet das "Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich" (KonTraG) bereits die Geschäftsführer von zumindest mittelgroßen GmbHs zum Risikomanagement. Neuralgisches Fehlentwicklungspotential zur Anregung lieferte beispielsweise das Werk "Schwarzbuch VW", sofern man persönliche (Innen-)Haftung nach deutschem Recht auch als Vorstand wirklich vermeiden wollte. Die Erklärung als Geschäftsleiter von nichts etwas gewusst zu haben führt daher nicht zum Ziel der Enthaftung - eine Tageszeitung kommentierte die Verurteilung (LG München I, Urteil vom 10.12.2013, Az. 5HK O 1387/10) eines Finanzvorstandes zu u.a. 15 Mio. Euro Schadensersatz mit dem Titel "Organisierte Unverantwortlichkeit": Zutreffender wäre es jedoch von unorganisierter Verantwortlichkeit zu sprechen, die mit einem Suizid des Vorstandes endete.
Verhängnisvoll könnte sich auswirken, dass ein Zulieferer von Software zur Abgasregulierung bereits 2007 vor der illegalen Verwendung gewarnt haben soll ("nur zu Testzwecken") - und die Revision erst dieses Jahr eine seit 2011 bekannte Warnung aus dem eigenen Hause vor "illegalen Praktiken im Zusammenhang mit Abgaswerten" dem Aufsichtsrat zur Kenntnis gebracht haben sollen. Dies wären Hinweise auf existenzgefährdendes Organisationsverschulden in der Kommunikation.
Es gibt in großen Unternehmen jede Menge an Wichtigtuern und Bedenkenträgern. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Sie sich ihrer Sache selbst nicht sicher sind, sie auch nicht weiter verfolgen, und es bei einer einmaligen Meldung belassen. Es ist ein absolut sinnvoller Test, die Ernsthaftigkeit ihrer Bedenken dadurch festzustellen, dass man ihnen zeigt, dass man sie nicht ernst nimmt. Wer ernsthaft bemüht ist, wird sich dadurch nicht abschrecken lassen, und die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Jedenfalls wäre es unsinnig, jeder solchen Meldung mit Intensität nachzugehen.