Natur- und Geisteswissenschaften können nicht Schritt halten
Auch Manfred Broy von der TU München sieht die fachlichen Anforderungen gelassen. "Viele Anwendungen haben eine attraktive Benutzeroberfläche, doch die Systeme dahinter kommen aus der klassischen Informatik", stellt Broy nüchtern fest. Und dieses Wissen zählt sowieso zum festen Bestandteil des Curriculums. Doch der TUM-Professor beobachtet, dass die Informatik mit einer Geschwindigkeit und Dynamik Veränderungen vorantreibt, mit der Natur- oder Geisteswissenschaften oft nicht mehr Schritt halten können. "Die Informatik schafft gerade mehr Möglichkeiten und Neuerungen als genutzt werden", beobachtet Broy und nennt einige Beispiele. "Simulationen, Big Data-Auswertungen oder Anwendungen in der Bioinformatik waren vor Jahren undenkbar. Doch die verfügbaren Rechenleistungen bieten ganz neue Chancen."
Im Frühjahr wurde der Informatikprofessor Broy zum Gründungspräsidenten des Zentrums Digitalisierung Bayern ernannt, das die Bayerische Staatsregierung finanziert und das in Garching angesiedelt ist. Dort sollen zu Schlüsselthemen wie Digitalisierung Plattformen aufgebaut werden, die als Bindeglied dienen zwischen Hochschul- und außeruniversitärer Forschung sowie industrieller Entwicklung. Zunächst stehen Themen wie IT-Sicherheit, digitalisierte Produktion und vernetzte Mobilität auf der Agenda, später sollen digitale Medizin und Gesundheit sowie Digitalisierung im Energiebereich hinzukommen. Außerdem sieht das Programm zehn neue Professuren für angewandte Wissenschaften vor. Der Etat für die geplanten Maßnahmen im Zeitraum von 2015 bis 2019 beläuft sich auf knapp 116 Millionen Euro.
Kein Wunder also, dass Broy ein weiteres Thema umtreibt. Der Professor wünscht sich mehr Gründergeist unter den Informatikstudenten. "In den USA ist die Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft viel enger, auch wenn das nicht immer sinnvoll ist - das wirkt sich auch auf das Gründergeschehen aus. Doch hierzulande fehlt es an Gründern und VCs, die bereit sind, ein hohes Risiko einzugehen. Es gibt ganz wenige, die an ihre Idee glauben und sagen, 'ich habe ein Thema, ich will damit groß rauskommen'", beklagt Broy. Zwar gebe es viele kleinere Startups, die technische Themen umsetzen, doch kaum jemanden wage sich an große Themen heran. "Viele Gründer vermeiden das Risiko und haben stattdessen von Anfang an eine Exit-Strategie im Kopf. Sie wollen mit ihrer Firma zwar erfolgreich sein, planen aber von Anfang an, sie zu verkaufen, anstatt sie selbst groß zu machen." Auf Seiten der Käufer dieser innovativen Startups gebe es in Deutschland eine ähnlich Scheu vor dem Risiko. "Oft sind es amerikanische oder chinesische Investoren, die dann diese vielversprechenden Firmen kaufen."
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