Digitalisierung wird landläufig als die Optimierung bestehender Geschäftsprozesse, sowie die Etablierung neuer Prozesse unter Verwendung moderner Informationstechnologien verstanden. Streng genommen ist Digitalisierung also nichts Neues, sondern hat seinen Ursprung in der "Elektronischen Daten Verarbeitung" (EDV).
In den vergangenen Jahren hat die Digitalisierung aber durch die technische Weiterentwicklung und vor allem die Vernetzung über das (mobile) Internet extrem an Dynamik und Relevanz gewonnen. Innovative Startups setzen mit ihren Entwicklungen mittlerweile die traditionellen Geschäftsmodelle vieler Branchen unter Druck.
Digitalisierung verändert die Customer Journey
Für Unternehmen wird es daher immer wichtiger, den Kunden in allen Phasen der Kundeninteraktion (Customer Journey) ein besonderes Erlebnis zu bieten. Dazu gehören ein schneller und reibungsloser Service, personalisierte Inhalte und eine konsistente Erfahrung über alle Plattformen hinweg. Gleichgültig, ob der Kunde über die mobile App, den Online-Shop, das Callcenter oder vor Ort in der Filiale mit dem Unternehmen in Kontakt tritt - die Angebote müssen aufeinander abgestimmt sein und eine durchgängige Erfahrung bieten. Hier hilft die Digitalisierung weiter.
Die Veränderungen des Einkaufsprozesses und damit verbunden die Ansatzpunkte der Digitalisierung lassen sich am besten an folgenden vier Phasen der Customer Journey erklären: Aufmerksamkeit, Interesse, Kauf und Service.
1. Aufmerksamkeit (Awareness)
In der Vergangenheit wurden Kunden primär durch Anzeigen in gedruckten Medien, TV-Werbung oder Plakate auf Produkte aufmerksam. Mittlerweile ist die Bedeutung des Internets enorm gewachsen. Ziel jeder Marketing-Abteilung ist ein Top-Ranking bei den Anfragen in Suchmaschinen. Hinzu kommt Online-Werbung, die sich idealerweise am Besuchs- und Leseverhalten des Anwenders im Internet orientiert, oder Content-Marketing in Form von Texten, Bildern, Audio- oder Videomaterial mit nützlichen oder personalisierten Inhalten, um potenzielle Kunden für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu gewinnen. Weitere Impulse kommen über Empfehlungen aus sozialen Netzwerken wie Facebook, Pinterest oder Fancy, auf denen Anwender Produkte "liken" können, die Ihnen gefallen.
2. Interesse (Interest)
Bei Interesse an einem Produkt blieb dem Kunden früher nur der Weg in den Laden, um sich bei einem Verkäufer detaillierter zu informieren. Im digitalen Zeitalter hingegen sind die Käufer meist besser informiert als der Verkäufer. Produkt-Videos auf YouTube, Meinungen und Bewertungen anderer Kunden in Online-Foren oder sozialen Netzwerken schaffen Transparenz und unterstützen den Kunden bei seiner Entscheidung. Unternehmen müssen daher berücksichtigen, dass sich die Verbraucher von heute beim Kauf immer stärker an den Empfehlungen von Bekannten und Freunden aus ihren sozialen Netzwerken orientieren als an Vertriebs- und Marketing-Botschaften.
3. Kauf (Purchase)
In Zeiten von Online-Shops und eCommerce erwartet der Kunde, das Produkt direkt und unmittelbar kaufen zu können. Daher sollten Firmen die Transaktionen möglichst vereinfachen. Gelingt es ihnen, ihre potenziellen Kunden aus den sozialen Netzwerken und Online-Plattformen direkt auf ihre E-Commerce-Angebote zu leiten, erlangen sie einen klaren Wettbewerbsvorteil. Im Idealfall bieten Unternehmen ihren Kunden die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt auf jedem Kanal ein Produkt zu kaufen, ohne dafür extra in ein Shop-System wechseln zu müssen.
Die Königsdisziplin besteht darin, die Online- und die Offline-Welt nahtlos miteinander zu verbinden. Will oder kann ein Kunde das begehrte Produkt nicht online kaufen, bieten innovative digitale Unternehmen proaktiv einen Termin beim nächstgelegenen Händler vor Ort an. Als Service erhält der Kunde eine Anfahrtsbeschreibung, weitere Informationen zum Produkt der Wahl und einen Terminvorschlag, um unnötige Wartezeiten zu verhindern. Da der Händler mit dem Online-Shop vernetzt ist, kennen die Verkäufer die Historie und Bedürfnisse des Kunden – und können ihm passgenaue Zusatz- oder Sonderangebote vorschlagen.
4. Service
Auch die dem Kauf nachgelagerten Fulfillment-Prozesse müssen in die digitale Prozesskette eingebunden und für den Kunden transparent sein. Kunden akzeptieren heute keine Lieferverzögerungen mehr. Mittlerweile gilt auch Self Service wieder als wichtiges Mittel, um die Kundenbindung zu erhöhen und gleichzeitig Kosten zu reduzieren.
Anders als in der Vergangenheit geht der Trend von Online-Knowledge-Datenbanken hin zu virtuellen Beratern, die Natural Language Processing, Text Analytics und Predictive Analytics nutzen, um den Kunden mit relevanten und personalisierten Vorschlägen bei der Lösung ihrer Serviceanfrage zu unterstützen. Natürlich muss auch die persönliche Interaktion mit einem Berater möglich sein, der über das CRM-System die komplette Kundenhistorie kennt. Der Kontakt erfolgt dann beispielsweise per Chat oder Telefon.
Zehn Punkte, die Unternehmen beachten sollten
Für die digitale Customer Journey ergeben sich daraus zehn Punkte, die Unternehmen beachten sollten, um wettbewerbsfähig zu bleiben:
Always-Online-Kunden: Da viele Kunden heute permanent auf das Internet zugreifen können, ist eine rein transaktionsorientierte Beziehung zum Kunden heute wenig sinnvoll. Unternehmen müssen daher jederzeit und in Echtzeit über alle Kanäle hinweg mit dem Kunden interagieren.
Mobil: Die Verbraucher sind heute auch wegen mobiler Endgeräte wie Smartphones und Tablets nahezu immer online. Rund 50 Prozent des Internetverkehrs entsteht heute durch die mobilen Geräte.
Internet der Dinge: Das Internet der Dinge ist unaufhaltbar auf dem Vormarsch. Vernetzte Geräte aller Art werden dadurch zu einem weiteren, neuen Kanal für Unternehmen, um Daten in ihrem CRM-System zu sammeln. Ein Beispiel sind Versicherer, die etwa für die Kfz-Versicherung Daten von vernetzten Autos sammeln.
Verständnis der Kundenbedürfnisse: Der "Always-Online-Customer" bietet für Unternehmen eine große Chance, da Kunden auf allen digitalen Kanälen und Touchpoints massenweise Daten hinterlassen. Aus der Analyse dieser Daten lassen sich Erkenntnisse über die tatsächlichen Kundenbedürfnisse gewinnen.
Personalisierung: Digitales Marketing nach dem Gießkannen-Prinzip ist nicht mehr gefragt. Die Analyse der Bedürfnisse der Kunden bildet die Basis für individuelle und personalisierte Angebote, die sich bei Bedarf auch in Echtzeit anpassen lassen. Unternehmen müssen daher umdenken und den Kunden nicht mehr als anonymen Teil einer Gruppe ansprechen, sondern als Individuum.
Kanalübergreifende Interaktionen: Kunden erwarten eine konsistente Erfahrung und Interaktion auf allen Kanälen, sei es die mobile App, der Online-Shop, das Callcenter oder die Filiale vor Ort. Die Angebote müssen aufeinander abgestimmt sein und eine durchgängige Erfahrung bieten. Dass das Callcenter nicht weiß, was der Kunde im Online-Shop bestellt hat, darf nicht vorkommen.
Vertrauen: Die Sicherheit der Kundendaten sowie Transparenz über deren Nutzung haben höchste Priorität. Verlieren Kunden das Vertrauen in die Sicherheit ihrer persönlichen Daten, werden sie zu einem anderen Anbieter wechseln.
Keep it simple: Self-Service-Angebote wie Mobile Apps, Web-Seiten sowie die Interaktion mit dem Kundendienst müssen einfach und intuitiv sein.
Neue digitale Prozesse: Viele Unternehmen machen den Fehler und konzentrieren sich auf die Optimierung und Digitalisierung der bekannten Prozesse. Stattdessen sollten sie über neue digitale Prozesse nachdenken. Ein interessantes Beispiel ist die Nutzung von Twitter für Kundendienstanfragen durch Apple.
Digitalisierung ist Chefsache: Da Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation nicht nur bestehende Prozesse ändern, sondern oft auch ihre Organisationsstruktur verändern müssen, sollte der CEO das Projekt leiten oder zumindest den verantwortlichen Personen den Rücken stärken. In einigen Unternehmen wurde bereits mit dem Chief Digital Officer (CDO) sogar eine eigene Position dafür geschaffen.
Technische Voraussetzungen für eine optimale Customer Journey
Die Basis für ein besseres digitales Kundenerlebnis bildet eine leistungsfähige Infrastruktur. Hier bietet sich – abhängig vom individuellen Anwendungsfall und der Sensibilität der Daten – auch eine Cloud-Lösung an. Dadurch fallen Administrationsaufgaben weg und Unternehmen können sich auf die strategischen Fragen konzentrieren. Da Cloud-Systeme sich zudem einfach skalieren lassen, können sie auch die Basis für Big-Data- und Predictive-Analytics-Projekte bilden, mit denen Firmen im Rahmen statistischer Wahrscheinlichkeit das Kundenverhalten vorhersagen können. Mit Hilfe der Analytics-Systeme ist es auch möglich, die Kundenbedürfnisse in Echtzeit zu antizipieren und für den Kunden relevante Vorschläge anzubieten (Next Best Action).
Auch mit CRM-Lösungen (Customer Relationship Management) lässt sich die geforderte Orientierung aller Vertriebs- und Marketingprozesse auf den Kunden realisieren. Sie ermöglichen nicht nur einen 360-Grad-Blick auf den Kunden, sondern führen und unterstützen auch Benutzer wie Vertriebsmitarbeiter, Makler oder Kunden im Customer Self Service rollenbasiert im ganzen Service -und Vertriebsprozess.
Unternehmen sollten zudem Konzepte zur Prozessautomatisierung wie Business Process Management (BPM), Dynamic Case Management (DCM) und Robotic Process Automation (RPA) sinnvoll miteinander kombinieren. All diese Technologien sollten sich auch mobil nutzen lassen. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen mobile Anwendungen eng mit anderen Kanälen und digitalen Prozessen verknüpfen. Darüber hinaus sollten sie in digitales Marketing auf den sozialen Plattformen investieren. Neben Kampagnenmanagement sind hier auch Technologien zur Bewertung des Kundenverhaltens wie das Filtern relevanter Einträge und Sentiment-Analyse relevant.
Wenn Unternehmen all diese technischen Themen berücksichtigen, bieten sie ihren Kunden ein besseres Erlebnis entlang der Customer Journey und schaffen damit die Basis für geschäftlichen Erfolg. (haf)