Nicht mehr zeitgemäß

Ein Nachruf auf die E-Mail



Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Kostenexplosion durch E-Mail

Hermann Gouverneur, Atos Origin: "Ich bekomme weniger E-Mails, fühle mich aber nicht schlechter informiert als vorher."
Hermann Gouverneur, Atos Origin: "Ich bekomme weniger E-Mails, fühle mich aber nicht schlechter informiert als vorher."
Foto: Atos

Wohl jeder kennt solche Auswüchse in der digitalen Kommunikation. Einige ärgern sich darüber, andere finden sie lustig. Für Unternehmen ist die falsche E-Mail-Nutzung aber alles andere als komisch, sie ist ineffizient und kostet Geld. Das zeigt sich zuerst in der IT: Das wachsende Mail-Volumen durch große und mehrfach verschickte Attachments beansprucht immer mehr Speicherplatz und Backup-Systeme.

Zudem gefährden die übermittelten und in vielen unterschiedlichen Postkörben abgelegten Dokumente die Compliance-Regelungen der Firmen. Das unstrukturierte Speichern relevanter Informationen untergräbt die Transparenz, erschwert die Archivierung und verursacht Gesetzesverstöße.

Ineffizienzen entstehen zudem, wenn Dokumente an Projektmitglieder oder Kollegen mit der Bitte um Ergänzungen, Korrekturen und Kommentare verschickt werden. Stehen auf dem Verteiler mehrere Personen, ist eine eindeutige Versionierung der Unterlagen unmöglich. Für neue Projektmitarbeiter, die sich etwa über den aktuellen Stand der Dokumention informieren wollen, ist das fatal.

"Viele Mitarbeiter haben generell ein Gefühl der Informationsüberflutung, wobei sie den eigenen Umgang mit E-Mails fälschlicherweise oft als ihr geringstes Problem einstufen", berichtet Stephan Schillerwein Director of Research beim Forschungs- und Beratungshaus Infocentric Research, aus seinen Projekterfahrungen. Die zum Teil mehrere Hundert ungelesenen und unbearbeiteten Mails im Postkorb – so die Meinung vieler Nutzer – habe man Griff. "Aber wenn dann der Kollege am Telefon das letzte Meeting diskutieren möchte, merkt man plötzlich, dass man das aktuelle, per Mail verschickte Sitzungsprotokoll gar nicht kennt", beschreibt Schillerwein eine typische Situation.

Nutzer sind überfordert

In der verdichteten Arbeitswelt fehlt vielen Mitarbeitern die Muße, sich sinnvolle Ordner für eingehende Nachrichten zu überlegen, um so der Informationsflut Herr zu werden. Zum Teil sind die Nutzer auch überfordert, die Mengen eingehender Nachrichten den selbst geschaffenen Strukturen zuzuordnen. Zum Glück für alle E-Mail-Chaoten haben die Forscher von IBM jüngst herausgefunden, dass das Sortieren von E-Mails gar nicht effizienter ist als die Unordnung im Eingangskorb.

Auch beim Versenden fällt es Mitarbeitern mitunter schwer, den richtigen Verteilerkreis und die relevanten Informationen auszuwählen. Im Zweifel wird also lieber ein Kollege beziehungsweise ein Dokument mehr als zu wenig auf den Verteiler gesetzt. So entsteht der Informationsüberfluss, der auf der Empfängerseite viel Zeit, Geld und Nerven kostet.

Sämtliche Probleme mit der E-Mail werden erst im Posteingangskorb der Nutzer offenbar. Dort sammeln sich die gelesenen und ungelesenen Nachrichten sowie Attachments. Dort häuft sich neben unnützen Datenmengen auch wertvolles Wissen sowie geschäftskritische Inhalte und Dokumente an. Für Unternehmen wächst das Problem, dass sie sämtliche Daten speichern und sichern müssen, die kostbaren Informationen aber oft nicht nutzen können, weil sie unstrukturiert in persönlichen digitalen Postkörben verschwinden.

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