Nicht mehr zeitgemäß

Ein Nachruf auf die E-Mail



Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Als Mittel der digitalen Kommunikation ist die E-Mail ein Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Das Aufkommen ist teilweise nicht mehr zu bewältigen. Und immer häufiger finden Firmen Alternativen.
Drei Arbeitsjahre nur für E-Mails: Manager haben es viel zu oft mit irrelevanten Nachrichten zu tun.
Drei Arbeitsjahre nur für E-Mails: Manager haben es viel zu oft mit irrelevanten Nachrichten zu tun.
Foto: Scanrail - Fotolia.com

Mehr als 20 Jahre währt mittlerweile die Erfolgsgeschichte der elektronischen Post, doch ihren Zenit hat sie wohl überschritten. Jahr für Jahr wächst zwar die Zahl der via Internet übermittelten Nachrichten, doch die schiere Masse ist schon lange kein Maß mehr für die Beliebtheit der E-Mail. Denn rund 90 Prozent des Volumens entfallen auf Nepper, Schlepper und Bauernfänger.

Viele Firmen bewerten Spam aber nicht mehr als so problematisch wie in früheren Jahren, weil die Filter heute lästige Botschaften sehr zuverlässig aussortieren. Die Unzufriedenheit rührt eher von vorschnell und unnötig versandter E-Post – beispielsweise von Kollegen, Projektmitarbeitern, aber auch Marketing- und Verkaufsabteilungen, die ihre Mailings unters Volk bringen.

"Das E-Mail-Aufkommen in Unternehmen ist nicht mehr wirtschaftlich zu bewältigen", klagte etwa Thierry Breton, CEO des IT-Dienstleisters Atos Origin. "Manager in Unternehmen verbringen zwischen 5 und 20 Stunden pro Woche damit, E-Mails zu schreiben und zu beantworten."

Eine Studie des britischen Henley Management College belegt die Aussage, was die Belastung der Manager betrifft. Die britische Universität hat in einer europaweiten Erhebung den Mail-Verkehr von 180 Führungskräften analysiert. Knapp ein Drittel der Nachrichten seien irrelevant, lautet das Urteil. Hochgerechnet auf das gesamte Berufsleben verschwenden Manager demnach drei Jahre mit dem Bearbeiten unwichtiger Nachrichten.

Die Notbremse wird gezogen

Atos Origin zieht daher die Notbremse, nicht abrupt, aber kontinuierlich. Binnen drei Jahren will das Unternehmen die E-Mail komplett aus der internen Kommunikation verbannen. "Wir können noch nicht genau alle erforderlichen Schritte bis zu diesem Ziel abschätzen. In Teilbereichen konnten wir aber bereits alternative Kommunikationskanäle einführen, die den Informationsaustausch beschleunigen und verbessern", verzeichnet Hermann Gouverneur, CTO bei Atos Deutschland und CEMA (Central Europe Middle East and Africa), erste Erfolge des Projekts.

Der Manager ist Mitglied der internen und globalen "Scientific Community", die Zukunftsthemen diskutiert, analysiert und bewertet. Weil die einzelnen Experten weltweit verteilt sind, kommunizieren sie untereinander hauptsächlich über elektronische Medien. "Wir sind ein heterogenes Team", beschreibt Gouverneur das Umfeld, "einige kennen noch die E-Mail-Netiquette, andere nicht." Aufgrund seiner Beobachtungen unterteilt er die falsche Nutzung der E-Mail-Kommunikation in zwei Kategorien:

Fehler eins: Chatten über E-Mail. Einige Kollegen senden Anfragen und erwarten prompte Reaktion. Meldet sich das Gegenüber nicht umgehend, wird die nächste Anfrage mit der Bitte um Reaktion auf den Weg gebracht oder eine Erklärung dafür verlangt, warum der Angeschriebene schweigt.

Fehler zwei: Zu viel Historie. Die zweite Unart sind E-Mails, die die gesamte Kommunikationshistorie enthalten. Das ist besonders für solche Empfänger ärgerlich und zeitaufwendig, die erst spät auf dem Verteiler landen. Sie müssen sich durch den gesamten zurückliegenden Informationsaustausch kämpfen, um möglicherweise abschließend festzustellen, dass sie der Inhalt gar nicht betrifft.

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