Spiegel an Verkäufer - bitte kommen!
Theoretisch scheinen den technischen Fantasien keine Grenzen gesetzt. Jedenfalls haben die Anbieter noch jede Menge IT-Spielereien in der Hinterhand, die das Einkaufserlebnis smarter machen sollen. Zum Beispiel intelligente Spiegel im Modehandel. Wer kennt das nicht? Die Hose, die man mit in die Umkleidekabine genommen hat, passt nicht. Also heißt es, wieder anziehen, zurück auf die Verkaufsfläche, Hose eine Nummer größer raussuchen, zurück in die Umkleide und hoffen, dass sie jetzt besser passt. Ein intelligenter Spiegel in der Umkleide könnte via NFC automatisch registrieren, welche Artikel ein Kunde zur Anprobe mitgenommen hat. Passt etwas nicht, könnte man über ein Touch-Display eine größere oder kleinere Variante anfordern. Ein Mitarbeiter im Shop bekommt dann eine Nachricht auf ein mobiles Device wie Smartphone oder Smart Watch, dass der Kunde in Kabine 3 die Hose Modell XY gerne in Größe 34 anprobieren möchte. Und warum dann noch an der Kasse anstellen? Hat sich der Kunde zum Kauf entschlossen, könnte er gleich via mobile Payment am intelligenten Spiegel bezahlen, seine Ware einpacken und direkt aus dem Laden spazieren.
Auch Techniken rund um Augmented und Virtual Reality bieten Händlern neue Chancen. Beispielsweise wird es damit möglich, Konsumenten durch virtuelle, mittlerweile sehr authentisch wirkende Produktwelten zu führen. Damit ließen sich verschiedenste Produktvariationen realitätsnah abbilden oder in unterschiedlichen Umgebungen darstellen. Im Möbel- oder auch im Autohandel bieten sich hier große Chancen in den Läden, den Kunden ein realitätsnahes Produkterlebnis zu ermöglichen. Zunehmend interessant für Händler werden auch Roboter. Diese können dabei helfen, Kunden im Markt darüber zu informieren, wo bestimmte Waren zu finden sind beziehungsweise welche Eigenschaften oder Inhaltsstoffe ein Produkt hat. Außerdem lassen sich die maschinellen Helfer dafür einspannen, Produkte aus dem Lager zu holen oder dort Inventur zu machen.
Viel Potenzial versprechen zudem Techniken für künstliche Intelligenz. Für GK Software zum Beispiel liegt der Schlüssel für eine möglichst kundenindividuelle Ansprache in der Nutzung von KI. Damit lasse sich in Echtzeit aus großen Datenmengen das passende Angebot für jeden einzelnen Kunden berechnen. Der Anbieter präsentierte auf der EuroCIS mit der "retailtime decisioning engine" (rde) eine Lösung für die Omni-Channel-Personalisierung, mit deren Hilfe sich individuell zugeschnittene Angebote in Echtzeit auf unterschiedlichen Devices ausspielen lassen sollen. Auf KI und Echtzeitauswertung basiert auch "Dynamic Pricing". Die Lösung ist GK Software zufolge in der Lage, für Millionen von Produkten immer wieder den bestmöglichen Preis in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern zu errechnen. Je nach Kontext werden Preise vollautomatisiert an das aktuelle Kundenverhalten und die sich ständig ändernde Marktsituation inklusive dem Wettbewerbsverhalten angepasst. Im Ergebnis können, basierend auf der prognostizierten Preisakzeptanz der Verbraucher, die optimalen Preise für jeden Handelskanal ermittelt werden, lautet das Versprechen des Anbieters.
Mehr Mut zu Innovationen
Die wunderbare Welt des digitalen Einkaufs ist technisch machbar, so zeigte die EuroCIS. Und doch mahlen die Mühlen hier weiter langsam, denn die neue Technik kostet und bevor Geld für die Digitalisierung der Geschäfte fließt, müsse der Nachweis erbracht sein, dass die neue Technik auch konkreten Nutzen bringt, berichtet Wanzl-Manager Starzmann. Zudem gehe es auch um das richtige Augenmaß. Rund um RFID-Tags an exklusiven und teuren Produkten lasse sich durchaus ein Geschäftsmodell entwickeln, dagegen gäben solche Tags an jeder Hefepackung zu 15 Cent keinen Sinn.
Darüber hinaus gibt es für die Händler im Zuge der Digitalisierung noch jede Menge Herausforderungen zu meistern, die Probleme beginnen bei kulturellen Fragen. "Der Handel braucht eine Kultur des Research & Development", sagt beispielsweise Ralf Schienke, der den Vertrieb für die Handelslösungen von Fujitsu in der DACH-Region verantwortet. Gerade die veränderten Abläufe und Prozesse erforderten Planung und ein Gesamtkonzept. Schienke verweist auf den Dreiklang aus Datenanalysen, Erkenntnisse und daraus abzuleitenden Aktionen. Um diesen Optimierungskreislauf kontinuierlich am Laufen zu halten, sei mehr Automation unabdingbar.
Eine weitere wichtige Aufgabe, die die Händler zu lösen haben, ist die Integration neuer Techniken in bestehende Strukturen, um so ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Gerade die großen Ketten arbeiten mit über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gewachsenen IT-Infrastrukturen. Diese Legacy-IT ist in aller Regel zu monolithisch und zu starr, um neue Funktionen schnell und flexibel umsetzen zu können. Vor diesem Hintergrund wird die Frage nach einer passenden Plattform immer wichtiger. Michael Schulte, Vice President und Head of Sales bei Diebold Nixdorf, spricht von einer Art Middleware-Layer, über den sich mittels Application Programming Interfaces (APIs) verschiedene Services zusammenschalten lassen. Diebold Nixdorf bringt an dieser Stelle sein "Storevolution"-Programm ins Spiel. Darüber sollen sich Technologien verschiedener Hersteller bereitstellen und betreiben lassen. Der aus seiner Kassensystem-Historie bekannte Hersteller bietet dafür beispielsweise Software aus seiner "Vynamic"-Serie: "Mobile Shopper" unterstützt das Self-Scanning von Waren im Laden. Außerdem können Kunden über die Mobile Retail App ihr eigenes Smartphone als Scanner und Paymant-Device verwenden.
Die Software-as-a-Service Lösung "Vynamic Engage" liefert eine Lösung für kanalübergreifende Werbeaktionen und Echtzeitkampagnen. Durch die Erfassung, Kombination und Analyse von Kundendaten generiert Vynamic Engage Kundenprofile und soll so eine personalisierte Kundenansprache basierend auf früheren Einkaufsmustern erlauben. Das fördert die Kundenbindung und sorgt letztendlich für höhere Umsätze, verspricht der Hersteller. Die auf offenen Schnittstellen (Open APIs) basierende Lösung ist in das Vynamic Retail Software Portfolio integriert, könne aber auch in bestehende Softwareumgebungen eingebunden werden.
Eine Plattform wollen aber auch andere Anbieter etablieren. Beispielsweise hat das Softwarehaus Godesys eine modulare Lösungsplattform für den Handel im Programm. Darin enthalten: CRM, ERP, POS und spezielle Retail-Funktionen. In vielen modernen Handelsunternehmen erweise es sich als wettbewerbsentscheidender Vorteil, sämtliche für den Handel wichtigen Funktionalitäten in einer durchgängigen Lösung zu bündeln, heißt es von Seiten des Anbieters. Godesys Retail wird auch als Cloud-Lösung angeboten.