"Wenn Sie als Systemhaus Multi-Vendor-Kalkulationen anbieten, hört das kein Hersteller gerne"
ChannelPartner: Sind die klassischen IT-Hersteller und IT-Anbieter überhaupt schon selbst reif für diesen Wandel?
Jacques Diaz: Die ITK-Hersteller waren, sind und bleiben wichtige Partner in einem sich verändernden Markt. Anbieter wie beispielsweise Cisco haben es geschafft, Technologieführerschaft mit neuen Bezugsmodellen zu verbinden und ihr Portfolio sinnvoll bis in die Cloud zu verlängern. Mit solchen Partnern können wir den Wandel zielführend gestalten. Kunden von Axians und Cisco erhalten ein ganzheitliches Angebot - von Infrastrukturen für Daten- und Kommunikationsnetzwerke über die Innovationsthemen (SDN, SD-WAN, DNA Center, ACI, Security) bis zu echten Managed-Services-Lösungen (Axians Network as a Service).
Denn IT-Plattformen anbieten können nicht nur AWS, Microsoft und Google, sondern gerade auch die klassischen ITK-Hersteller - man denkt und redet hier manchmal viel zu einseitig.
Natürlich gib es generell auch Herausforderungen mit Herstellern, beispielsweise wenn Sie als Systemhaus Multi-Vendor-Kalkulationen von der Infrastruktur bis zu Managed Services anbieten wollen. Das hört kein Hersteller gerne, aber der Kunde ist nun mal König.
Bei Lizenz- und Einkaufsfragen im Bereich Software ziehen manche Hersteller knallhart ihr weltweites Cloud-Paradigma durch, auch wenn das mittelständische Unternehmen gar keine Public-Cloud-Lösung einsetzen will.
Das Gute ist aber: Die großen Hersteller agieren in aller Regel in langfristigen und relativ verlässlichen Produkt-Roadmaps und schaffen mit Partnern wie Axians eine sehr gute Planbarkeit für den Kunden. Mit IBM beispielsweise haben wir bisher noch nahezu jede Kundenanforderung gelöst bekommen. IBM hat seine Power-Systeme über die Jahre so weiterentwickelt, dass sie für die SAP HANA-Umgebungen höchste Ausfallsicherheit bieten und auch Linux als Betriebssystem ermöglichen.
Diese Weitsicht von IBM kommt vielen Kunden, die vor der Einführung von SAP S/4HANA stehen, jetzt zu Gute, da SAP bei HANA ausschließlich Linux als Betriebssystem unterstützt.
ChannelPartner: Ein Stück IT wird mittel- und langfristig in jedem industriellen Produkt - und dessen Vermarktungsnetzwerk - stecken. Wird es langfristig überhaupt noch einen "IT-Markt" geben?
Jacques Diaz: Ja, so lange IT als eigene Domäne beim Kunden gebraucht und vorgehalten wird. Es wäre eine Illusion zu glauben, dass in mittleren und größeren Unternehmen mit komplexen Geschäftsprozessen kein Stakeholder mehr für IT existieren wird.
Die Frage ist nur, wie mächtig dieser sein wird und ob es die CIOs schaffen, den horrenden Bedarf nach digitaler Transformation in den Fachabteilungen zu befriedigen.
IT ist über die Jahre nur scheinbar einfach geworden, in Wahrheit ist sie aufgrund der System- und API-Vielfalt heute viel komplexer. Der IT-Markt wird durch Industrie 4.0 weiter massiv getrieben werden, das Bundesministerium für Wirtschaft spricht aktuell von 40 Milliarden Euro Neuinvestitionen in Deutschland pro Jahr, fast die Hälfte des gesamten deutschen IT-Marktvolumens.
Es wird hier zu einem Matrixmarkt kommen und viel IT wird "unter der Haube" in den vertikalen Märkten der Industrie, Energie oder im Gebäudebereich zu finden sein. In den Unternehmen werden wir viele kleine CIOs in den Fachabteilugen sehen. Edge Computing ist beispielsweise eine produktions- oder netznahe IT-Technologie, wirkt aber genau auf diese Märkte massiv ein.
ChannelPartner: Woran machen Sie fest, ob ein Anbieter diesen Wandel nicht nur predigt, sondern ihn tatsächlich selbst lebt?
Burim Mirakaj: Wir beurteilen ihn daran, ob er eine Strategie hat und diese auch wirklich implementiert. Storytelling kennen wir alle zur Genüge.
Bei Due-Dilligence-Bewertungen im Zuge unserer anorganischen Wachstumsstrategie prüfen wir bei potenziellen Übernahmekandidaten wie Systemhäusern, TK-Integratoren und Startups sehr genau die Stärken und Schwächen.
Oft zeigt sich, dass Kandidaten zwar über gute Kundenbeziehungen und ein solides Geschäft verfügen, aber jegliche Transformation der Geschäftsmodelle verschleppt wurde. Bei den Übernahmen von Unternehmen wie OFM, Lynx, Athos, IKVS und petersen & co in den letzten Jahren haben wir sehr genau hingeschaut, damit Perspektive und Fokus auf das zukünftige Geschäft passen - und die Unternehmen dann konsequent in die Vinci Energies Konzernprozesse integriert.