"Es lohnt sich in Software-Innovationen zu investieren"
ChannelPartner: Herr Diaz, was überrascht Sie am gegenwärtigen IT-Markt?
Jacques Diaz: Nachdem sich noch vor zehn Jahren viele Systemhäuser gegen Cloud Computing gewehrt haben, ist die Technologie heute im Mainstream angekommen und die Hyperscaler, allen voran Microsoft, fahren im DACH-Markt starke Umsätze ein. Das Thema ist voll in der produktiven Phase angekommen und hat die Art, wie Kunden Services konsumieren und bezahlen wollen, verändert - egal ob man am Ende in die Private, Public oder Hybrid Cloud investiert.
Wenn wir den Gartner Hype Cycle von heute als Technologiezyklus mit dem vor zehn Jahren vergleichen, erkennt man schnell Parallelen für die heutigen Marktrends. Es ist klar, dass es in Zukunft vermehrt um vertikale IT-Innovationen gehen wird, die primär auf die Industrie abzielen - etwa KI, Machine Learning oder Predictive Maintenance.
Diese Kopplung des deutschen IT-Marktes an andere Teilmärkte unserer Wirtschaft ist hochspannend und ein Beleg für das, was vor uns liegt: Entweder werden Systemhäuser und ihre Partner zum Industrie 4.0 Service Provider oder sie werden abgehängt von den ganz großen Industrietechnik-Herstellern wie Siemens oder ABB, welche die Betriebskompetenz neben bereits vorhandener Digital- und OT-Kompetenz aufbauen.
Darüber hinaus ist die Stärke des Software-Marktes beeindruckend, der seit Jahren jenseits der fünf bis sechs Prozent wächst. Auch wir spüren dieses Wachstum in verschiedenen Teilmärkten wie Öffentliche Verwaltung, Abfallwirtschaft und Industrial Yard Management sehr stark. Es lohnt sich auch als Ex-Systemhaus, in eigene Software-Innovationen zu investieren, vor allem solche, die man über die Cloud bereitstellen kann.
ChannelPartner: Getrieben von Cloud-Technologien haben sich in den vergangenen zehn Jahren viele Newcomer - vor allem Born-in-the-cloud Provider, aber auch Agenturen - sehr erfolgreich im IT-Markt etabliert. Auf welche, möglicherweise Branchen-fremde, neuen Wettbewerber müssen sich Systemhäuser künftig einstellen?
Burim Mirakaj: Ganz klar auf Startups und innovative Unternehmen aus dem Software-Entwicklungsbereich, die nach und nach Beratungskompetenzen rund um die Kernprozesse aufbauen, die sie betreiben. Also auf Unternehmen, die ein Geschäftsmodell mit wiederkehrenden Erlösen, hoher Kundenbindung und einer starken Segmentierung besitzen.
Jacques Diaz: Dazu zählen auch Unternehmen, die traditionell aus dem Hosting-Bereich kommen und zunehmend in Richtung Managed Cloud Service Provider gehen, wie etwa Rackspace.
Allerdings gibt es auch starke Antworten von Systemhäusern auf solche Wettbewerber: deutschsprachiger Support, Hybrid-IT-Operations-Spezialisten und 360-Grad-Ansätze im Betrieb hybrider IT-Plattformen von IBM, Microsoft, Cisco und Co.
Burim Mirakaj: Die Finanzkraft eines Managed-Services-Partners ist auch extrem wichtig, muss er doch die Services für den Kunden finanzieren können, die über die Vertragslaufzeit genutzt und bezahlt werden.
Ein Kunde muss bei Managed Service zudem immer sicher sein können, dass sein Provider so viel Finanzkraft hat, dass er diese Services stabil und in hoher Qualität liefern kann. Es sind ja viele Beispiele aus den vergangenen Jahren bekannt, wo schnell gewachsene Marktteilnehmer in einer Krise gelandet oder gar insolvent gegangen sind.
ChannelPartner: Viele Systemhäuser und MSPs kooperieren auch....
Burim Mirakaj: Diese sogenannte "Coopetition" - also die fallweise Kooperation von Marktteilnehmern, die mal als Wettbewerber und mal als Kooperationspartner agieren, ist aus unserer Sicht ein spannender Ansatz. Das kann später auch über Zusammenschlüsse zu ganz neuen Playern mit erweiterten Fähigkeiten führen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, dass sich ein traditionelles Systemhaus mit einem Managed Public Cloud Provider zusammenschließt, um die Transformation zum Hybrid Cloud Managed Service Provider erfolgreich zu gestalten.
ChannelPartner: In welcher Zeitspanne wird sich der Markt verändern?
Jacques Diaz: In den nächsten fünf Jahren wird es richtig ernst. Danach wird der Channel deutlich anders aussehen als bisher.