Vor rund sechs Jahren übernahm der französische Mischkonzern Vinci über seinen Teilkonzern Vinci Energies die Imtech ICT Gruppe in sieben Ländern. Ein Teil dieser internationalen Akquisition war unter anderem das deutsche Systemhaus Fritz & Macziol.
Schon seit 2005 ist Axians mit der heutigen Axians Networks & Solutions im Enterprise-Network- und Carrier-Bereich in Deutschland vertreten und seit 2012 mit der Axians GA Netztechnik im Bereich Telekommunikationsinfrastrukturen. Über die Jahre kamen eine ganze Reihe weiterer Systemhäuser und ICT-Integratoren zu Axians hinzu.
Das Ziel all dieser zur Axians in Deutschland-Gruppe gebündelten ICT-Dienstleister: bester und innovativster Digitalisierungspartner für Unternehmen, Netzbetreiber und die Öffentliche Verwaltung zu werden.
Mit dem Aufbau eines Mitarbeiterstamms aus Consultants, Technikern, Cloud-Architekten, Software-Entwicklern, SAP und Prozessspezialisten, IoT-Experten, dem Aufbau eines IT as a Service Portals zur Bereitstellung, Orchestrierung und Abrechnung von Cloud-Diensten aus unterschiedlichsten Quellen sowie mit eigenen Integratoren für Netzbetreiber (Carrier) hat sich Axians eine Infrastruktur geschaffen, die auf dieses ambitionierte Ziel einzahlen soll.
Zeit, Bilanz zu ziehen und mit dem Vinci- und Axians-Management einen Blick in die Zukunft der Branche und der Axians-Entwicklung zu werfen.
ChannelPartner: Axians soll zum besten und innovativsten Partner für die digitale Transformation werden - das ist Ihr erklärtes Ziel. Welche Etappen haben Sie auf diesem Weg genommen? Welche stehen noch bevor?
Jacques Diaz: Axians ist in Deutschland als Unternehmensgruppe stark gewachsen, um diesen Anspruch, ein ganzheitlicher ICT-Integrator und Managed Services Provider für unsere Kunden zu sein, zu erfüllen. Mittlerweile gehören 17 Gesellschaften mit über 2.100 Mitarbeitern zu unserer Unternehmensgruppe in Deutschland und verteilen sich auf die vier Geschäftsbereiche IT Infrastructure, IoT & Analytics, Telecom & Carrier und Public Software.
Damit wir nachhaltig erfolgreich und als Qualitätsführer in preislich sensiblen Märkten agieren können, müssen wir stets eine Balance aus Dezentralität und übergeordneter Strategie wahren. Unsere mehr als 40 Business Unit-Leiter treiben wie "Unternehmer im Unternehmen" die Wachstumsfelder der digitalen Transformation voran. Weiterhin sind sie aber nah an ihren Kunden und regional stark.
Axians in Deutschland kommt aus einer Phase anorganischen Wachstums und erweitert das Portfolio für mehr als 4.000 Kunden. Diese intensive Integration neuer Unternehmen folgt unserem strategischen Programm "One Axians" und bedarf natürlich auch einer internen Transformation.
Es gilt vor allem, die Zusammenarbeit von ganz unterschiedlichen Bereichen und Mitarbeitern zu katalysieren, das margenstarke Recurring-Business mit Software, Services und Managed Services zu entwickeln und konsequent an unseren Prozessen zu arbeiten.
ChannelPartner: Wie hat sich diese Entwicklung auf das Portfolio ausgewirkt?
Jacques Diaz: Unser Portfolio in den sechs Kernbereichen Data Center & Cloud Infrastructure, Business Applications & Analytics, Cybersecurity, Enterprise Networks, Telecom Infrastructure und Managed Services ist in seiner Kombination einmalig.
Unsere Mitarbeiter decken ein breites Spektrum ab - vom Funkmast-Statiker über Techniker für Verkehrswege-Signaltechnik und Funktechnik (4G / 5G) bis hin zu Netzwerk- und Server-Spezialisten, vom Software-Entwickler bis zu Prozess- und IT Management-Consultants - diese Vielfalt ist für uns Chance und Auftrag zugleich.
Dazu kommen vermehrt länderübergreifende Projekte mit Axians in der Schweiz, in Österreich oder in den Niederlanden, mit denen wir One Axians auch im internationalen Netzwerk vorantreiben.
Die Zeiten des alten Fritz & Macziol Geschäftsmodells sind vorbei
ChannelPartner: Welche Veränderungen beobachten Sie bei Ihren Kunden?
Jacques Diaz: Die Zielmärkte, die wir für uns definieren, verschieben sich und befinden sich in einem starken Wandel, was für uns zu der logischen Konsequenz führt, dass der traditionelle Systemhaus- beziehungsweise IT-Reseller-Ansatz mit klassischem Handel von Hardware und Software zurückgeht. Sprich: Wir wenden uns strategisch zunehmend schneller vom sogenannten "Box-Moving" ab.
ChannelPartner: Wollen Sie sich vom IT-Infrastruktur-Geschäft komplett trennen?
Jacques Diaz: IT-Infrastruktur bleibt für uns natürlich trotzdem kernstrategisch, muss aber immer mit Service-Leistungen gekoppelt werden, die für echte Wertschöpfung sorgen - und zwar sowohl bei unseren Kunden als auch bei uns.
Mit eigenen Axians Lösungen - etwa vielen eigenen Softwarelösungen, "vPack" als Managed-Private-Cloud-Angebot oder auch individuellen Order-Plattformen - und mit sehr erfolgreichen Managed-Services-Projekten transformieren wir unser Geschäft. Mit dem Dynamic Power Cloud Manager (DPCM) bietet Axians eine Lösung, mit der sich alle Funktionalitäten und Management-Aufgaben rund um die Virtual-Server für IBM Power Systeme unter AIX, IBM i, Linux und SAP HANA automatisieren und verwalten lassen.
Die Zeiten des alten Fritz & Macziol Geschäftsmodells mit hohem Handelsfokus sind aber endgültig vorbei: Das Ergebnis ist in der gesamten Vinci Energies Gruppe wichtiger als das Volumen, und die Entwicklung strategischer Kunden kommt vor dem "Mitnahmegeschäft per Gießkanne".
Burim Mirakaj: Gerade im Telekommunikationsmarkt sind wir mit circa 800 Mitarbeitern in Deutschland ein wachsender Akteur für den Breitbandausbau sowie für Daten- und Kommunikationsnetzwerke.
Mit der Übernahme der OFM Gruppe haben wir 2019 den FTTX-Markt, und damit ein riesiges Segment für uns, weiter erschlossen.
Im SAP-Bereich sind wir dank der Integration des SAP-Spezialisten Lynx-Consulting zu einem 360-Grad-Anbieter von SAP Management Consulting, Basisdiensten bis hin zum Application Management geworden. Unsere Software-Produkte Infoma, eWaste, IKVS und Athos sind im Bereich der Öffentlichen Verwaltung immer unter den Top 1-3 in ihren Marktsegmenten.
Mit anderen Axians Produkten wie der NEO Suite sind wir sehr erfolgreich im Industrie- und Energiebereich für Field & Service und Instandhaltung unterwegs und haben zuletzt in der Energiebranche große Accounts gewonnen.
ChannelPartner: Welche Rolle spielt der Mutterkonzern Vinci bei diesem Ausbau?
Burim Mirakaj: Unser Mutterkonzern Vinci Energies hat uns dabei über die Jahre immer den Rücken gestärkt und sehr stark in die strategischen Axians Geschäftsfelder, die Innovationskraft und Mitarbeiter investiert.
Wir haben das Glück, solch einen erfolgreichen internationalen Konzern im Rücken zu haben, dessen Managementphilosophie einzigartig ist und die von Mitarbeitern und Kapitalmarkt gleichermaßen geschätzt wird. Gerade für neue Wachstumsfelder wie Smart Industry und Smart City bringen die Marken von Vinci Energies ihr Domänen-Wissen aus der Industrie-, Energie- und Gebäudetechnik mit unseren ICT-Kompetenzen zusammen.
"Quartz-Prinzip verhindert, dass man sich selbst in die
Tasche lügt"
ChannelPartner: Woran messen Sie den Grad der Zielerreichung bei dieser Transformation?
Burim Mirakaj: Unsere Managementphilosophie Quartz bei Vinci Energies beruht grundlegend auf dem Aspekt der Transparenz und ist eine Mischung aus Führungsprinzipen, Messmethoden und Grundwerten.
Gemessen wird intern über eine ehrliche konservative Vollkostenrechnung aller Projekte mit klarer Marktsegmentierung je Business Unit. Das macht diesen großen Konzern und auch die Axians Gruppe steuerbar, minimiert Risiken bei Großprojekten und macht technisch völlig unterschiedliches Geschäft und Kundenprojekte vergleichbar.
Die Zielerreichung bei Axians ist an quantitativen Messgrößen wie Ergebnis und Qualitätszielen in den Bereichen Innovation, Cross-Selling, Kundenzufriedenheit und Prozesse ausgerichtet.
Wir machen nicht jedes Projekt um jeden Preis, sondern richten unsere Mannschaft gezielt auf Kunden, Wachstumsfelder und Qualitätsführerschaft aus. Quartz ist unser zentrales Regelwerk und wird von jeder Business Unit genutzt.
Quartz ist sozusagen unsere Konzern-Sprache. Einmal im Jahren planen unsere Business Unit-Leiter ihre Budgets und besprechen und verabschieden diese mit dem Management-Team. Ein aufwendiger Prozess, aber er lohnt sich, da man sich so nie selbst in die Tasche lügen kann und jede Business Unit unternehmerisch - also in Bezug auf ihre Potenziale, Kunden und Angebote - betrachtet. Auf Basis dieser Business Unit-Ziele und der übergeordneten Ziele für die Gruppe erstellen und verabschieden wir dann das strategische Zielgebäude von Axians in Deutschland.
Ziele für Mitarbeiter verändert
ChannelPartner: Cloud- und Managed Services sind ein zentraler Bestandteil bei der Transformation vom Systemhaus zum Digitalisierungspartner. Wie bewerkstelligen Sie den Balance-Akt zwischen - nach wie vor gefragten - klassischen On-Premises-Dienstleistungen und dem Cloud-/Managed Service-Geschäft?
Burim Mirakaj: Wir gehen sehr strategisch mit der Transformation des gesamten Geschäftes um und haben entsprechende Messgrößen und Handlungsprinzipien aufgestellt. Wir haben aus diesen Geschäftszielen heraus auch die Individualziele der Mitarbeiter verändert.
So geht es für Consultants beispielsweise nicht mehr nur um Auslastung in Beratungsprojekten, sondern spezifisch auch um die Entwicklung von Managed-Projekten. Die IT rückt derzeit endgültig aus der Rolle als Cost & Service Center in den Kern der Wertschöpfungskette unserer Kunden, da wollen wir dabei sein.
Als eine Maßnahme zur Begegnung dieser Herausforderungen und als Antwort auf die Forderung nach mehr Agilität und höherer Geschwindigkeit müssen sich viele IT-Organisationen hinsichtlich ihrer historisch stark technischen Ausrichtung strukturell und prozessual neu aufstellen, um eine wichtige Rolle in der digitalen Transformation einzunehmen.
Wir beraten derzeit viele CIOs im Mittelstand bei der richtigen Zukunftsausrichtung ihrer IT-Investitionen und Betriebsmodelle. Bei unserer Akquisitionsstrategie fokussieren wir derzeit auch gezielt Unternehmen mit starker Cloud- und Managed-Expertise.
Für einen Digitalisierungspartner ebenso wichtig ist das vertikale Know-how, das viele Systemhäuser nach wie vor vernachlässigen. Mit unserer Industrietechnik-Schwester Actemium haben wir unter dem Dach von Vinci Energies gezielt eine "Go-to-Market"-Strategie für das Smart-Industry-Geschäft entwickelt, teilen uns investive Lasten in Marketing und Vertrieb und haben IT- und OT-Experten in internen Clubs in regelmäßige Zusammenarbeit gebracht.
Das Ergebnis wird man anhand vieler gemeinsamer Projekte z. B. auf der Hannover Messe 2020 sehen können. Zudem investieren wir gezielt in sogenanntes Customer Success Management, das sich nicht auf den schnellen Euro beim Kunden konzentriert, sondern auf die langfristigen Mehrwerte für seine digitale Transformation.
ChannelPartner: Welchen Anteil am Umsatz hat das Cloud- und Managed-Service-Geschäft?
Jacques Diaz: Im Dienstleistungsgeschäft von Axians in Deutschland entfielen 2018 etwa 50 Prozent auf klassisches On-Premises-Geschäft und 50 Prozent auf Cloud-, Software-/SW-Maintenance- und Managed-Services-Geschäft. Mittelfristig wird sich dieses Verhältnis auf 30 Prozent On-Premises und 70 Prozent Recurring-Business aus Cloud-, Software- und Managed-Services-Geschäft entwickeln. Das abgelaufene Geschäftsjahr 2019 weist ganz klar in diese Richtung.
Burim Mirakaj hat die durch die Digitalisierung verursachten Veränderungen in unserem Markt gerade angesprochen. Nehmen Sie beispielsweise Edge Computing mit oder ohne Kombination mit der Cloud, oder auch die kommenden 5G-Campusnetze in der hochautomatisierten Automobilindustrie. Mir fallen da noch viele andere Anwendungsfälle in den verschiedensten Branchen ein.
Die dann dafür benötigten neuen Industrienetze und IoT-Plattformen - völlig egal ob On-Premises, in der Cloud oder am Edge - müssen nicht nur gebaut, sondern vor allem auch betrieben werden können. Denn klar ist auch: Unsere Wertschöpfung in der On-Premises-Dienstleistung ist sehr tief und geht als Integrator zum Teil bis auf die Betriebssystem- oder gar Prozessorebene.
Im Bereich der Managed Services muss man als Partner deutlich breiter aufgestellt sein, da gerade Schnittstellen-, Prozess- und Sicherheitsthematiken in den Vordergrund rücken. Darauf richten wir Axians gezielt aus, zum Beispiel mit einer unternehmensgruppenweiten Division "Security" und einem Programm-Management-Team, das als Stabsstelle die Managed-Services-Strategie mit unseren Business Units koordiniert und vorantreibt.