Work-Life-Balance-Konzepte greifen oft zu kurz
Auch Bernadette Imkamp, verantwortlich für das Gesundheitsmanagement bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall, ist überzeugt: Die veränderte Arbeitswelt ist nur einer von vielen Faktoren, die dazu führen, dass heute mehr Berufstätige als früher unter einer großen psychischen Anspannung stehen. Deshalb greifen aus ihrer Warte auch alle betrieblichen Work-Life-Balance-Konzepte zu kurz, die ihren Blick nur auf die Arbeitswelt richten. Ihr Ausgangspunkt müsse vielmehr sein: Wie leben die Mitarbeiter heute und mit welchen Anforderungen sind sie aufgrund ihrer Lebenssituation konfrontiert?
Dasselbe gilt übrigens für die sogenannten Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch sie sind gut und wichtig. Doch auch sie greifen vielfach zu kurz, so Angela Kissel, "weil sie den Fokus primär auf Familien oder Alleinerziehende mit Kindern richten". Dabei stehen Singles oft sogar "noch stärker unter Strom" als stolze Väter und Mütter - "unter anderem, weil sie mehr Zeit in den Aufbau und in die Pflege eines Freundes- und Bekanntenkreis investieren müssen, der sie emotional trägt".
Das sieht auch die Wiener Beraterin Sabine Prohaska so, deren Beratungsunternehmen eine Weiterbildung für Nicht-Mediziner und -Psychologen anbietet, die beruflich oft mit psychisch belasteten Arbeitnehmern zu tun haben. Auch sie ist überzeugt: Viele Berufstätige sind heute sehr verletzbar - auch weil ihnen ein privates Unterstützungssystem fehlt. So lange im Leben alles glatt und rund läuft, ist das zumeist kein Problem. Doch wehe, die Liebesbeziehung oder Ehe bricht auseinander und die Person fällt in ein emotionales Loch. Oder sie erkrankt. Oder der Lebenspartner oder ein Elternteil wird zum Betreuungsfall. Dann geraten viele Berufstätige schnell an ihre Belastungsgrenze. Oder sie stehen, weil sie versuchen, die vielfältigen Anforderungen doch noch unter einen Hut zu bringen, unter einer so großen Anspannung, dass die körperliche und seelische Erschöpfung droht. Kommen dann noch berufliche Sorgen hinzu, wird die persönliche Krise akut.