Die häufigsten Abmahnungen (Teil 1)

Abmahngründe beim Warenverkauf im Internet



Jens Ferner ist Rechtsanwalt in Alsdorf. www.ferner.eu
Trotz neuer Gesetze werden immer noch viele Online-Händler mit Abmahnungen überzogen. Wir haben die im Internethandel am häufigsten auftretenden Abmahnfälle gesammelt und analysieren die dazu gehörenden Gerichtsurteile.

Die Unsicherheit, ob die eigene Internetpräsenz rechtlich wirklich "wasserdicht" ist, raubt vielen Online-Händlern den Schlaf, seit manche Marktteilnehmer und Rechtsanwälte erkannt haben, dass die Aussprache eine Abmahnung auch als Geschäftsmodell taugen kann. Insbesondere hohe Streitwerte und der sogenannte "fliegende Gerichtsstand", also die freie Wahl des Gerichts zur Klageerhebung, machen dies für Abmahner attraktiv.

Es geht nicht nur um die richtige oder falsche Widerrufsbelehrung: Für Betreiber von Webshops gilt es eine Vielzahl rechtlicher Hürden zu meistern, die ihnen Gesetzgeber und Gerichte gestellt haben.
Es geht nicht nur um die richtige oder falsche Widerrufsbelehrung: Für Betreiber von Webshops gilt es eine Vielzahl rechtlicher Hürden zu meistern, die ihnen Gesetzgeber und Gerichte gestellt haben.
Foto: vege - Fotolia.com

Lange Zeit hat dabei die Politik dem Treiben untätig zugesehen, inzwischen hat man sich zu ersten Reaktionen durchgerungen. So hat die Politik am 1. Oktober 2013 das "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" verabschiedet, das die Kosten bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, Abmahnungen nach dem Unterlassungsklagengesetz und urheberrechtlichen Abmahnungen neu regelt.

Doch noch werden fast täglich Online-Händler mit Abmahnungen überzogen, die sich teilweise existenzbedrohend auswirken. Für Shopbetreiber gilt es also eine Vielzahl rechtlicher Hürden zu meistern, die Gesetzgeber und Gerichte ihnen gestellt haben. Um es den Unternehmern zu erleichtern, in rechtlich sicherer Art und Weise Waren oder Dienstleistungen im Internet anzubieten, werden nachfolgend die im Internethandel am häufigsten auftretenden Abmahnfälle dargestellt.

Dieser Artikel entstammt dem "Lexikon für das IT-Recht 2013/2014", das im ChannelPartner-Shop erhältlich ist. Die vierte Auflage dieses Buchs richtet sich mit 130 Praxisthemen an Geschäftsführer, Manager und IT-Verantwortliche in Handelsunternehmen ohne eigene Rechtsabteilung. Das Lexikon ist als gedrucktes Buch für 39,95 Euro oder als eBook für 34,99 Euro in unserem Abo-Shop erhältlich.

1. Fehlerhafte Widerrufsbelehrung

Der Dauerbrenner schlechthin sind falsche Widerrufsbelehrungen, die wohl mit am häufigsten abgemahnt werden. Wer über eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung verfügt, kann das Risiko einer Abmahnung bereits deutlich senken. Beachten Sie, dass sich im EGBGB ein amtliches Muster findet, das Sie in jedem Fall nutzen müssen, um das Abmahnrisiko so gut es geht zu senken.

Ein formatiertes Muster mit aufbereiteten Hinweisen steht zur freien Verfügbarkeit unter http://www.ferner-alsdorf.de/?p=7622 zur Verfügung.

Prüfen Sie anhand der nachfolgenden umfangreichen Checkliste, ob Ihre eingesetzten Widerrufsbelehrungen im Onlinehandel zumindest den grundlegenden gesetzlichen Anforderungen genügen (kein Anspruch auf Vollständigkeit). Zu unterscheiden ist dabei, ob ein notwendiger Hinweis unterlassen wird oder ein unzulässiger Hinweis gegeben wird.

Unzulässige Hinweise:

  • Einräumung einer nur zweiwöchigen Widerrufsfrist bei nicht rechtzeitiger Belehrung;

  • der Verbraucher soll die Rücksendung im Rahmen der Widerrufsbelehrung mit dem Händler abstimmen;

  • die Frist beginne mit Erhalt der Ware;

  • die Rücksendung muss ausreichend frankiert sein bzw. unfreie Rücksendungen werden nicht angenommen;

  • die Rücksendung der Ware muss in der unbeschädigten Originalverpackung der Ware einschließlich eventueller Beipackzettel erfolgen;

  • eingeschweißte Ware wird durch das Öffnen der Verpackung entsiegelt und ist damit vom Umtausch ausgeschlossen;

  • Ware mit entfernten oder geöffneten Garantiesiegeln ist vom Umtausch ausgeschlossen;

  • Ware mit Gebrauchsspuren ist vom Umtausch ausgeschlossen.

Fehlende Hinweise:

  • Widerruf ist in "Textform" zu erklären;

  • Wertersatz kann bei der nur bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Ware nicht geltend gemacht werden;

  • Widerrufsrecht kann auch durch Rücksendung der Sacheausgeübt werden;

  • bei der Ausübung eines Widerrufsrechts genügt zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der Sache oder des Widerrufs;

  • wem gegenüber der Widerruf zu erklären ist.

2. Widerrufsfrist: vier Wochen oder zwei Wochen?

Unter anderem das Kammergericht Berlin entschied mit Beschluss vom 26.6.2007, dass eine fehlerhafte Belehrung über die Widerrufsfrist geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer i. S. d. § 3 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Ein Bagatellverstoß liegt mit der herrschenden Rechtsprechung gerade nicht vor.

Aus der Begründung des KG:

"Es liegt hier kein Bagatellverstoß vor, vielmehr werden durch die Angabe einer verkürzten Widerrufsfrist zumindest für die Verbraucher wesentliche Belange berührt. Der Senat verkennt nicht, dass die Verkürzung sich nur auf wenige Tage beschränkt. Trotzdem ist die Frist vom Gesetzgeber zum Schutze der Verbraucher auf einen Monat festgesetzt worden, so dass auch eine Verkürzung von wenigen Tagen zu einem erheblichen Nachteil für den Verbraucher führt, da die Gefahr besteht, dass diese aufgrund der fehlerhaften Belehrung zur Länge der Widerrufsfrist ihre gesetzlich gegebenen Widerrufsrechte nicht wahrnehmen. Insoweit besteht eine hohe Nachahmungsgefahr. Der Antragsgegner hat sich im Übrigen auch uneinsichtig gezeigt."

Sie sind also gehalten, die Widerrufsfrist immer korrekt anzugeben. Auf eBay gab es hier lange Unsicherheit, die inzwischen durch die letzten Reformen behoben ist – eine Widerrufsfrist von zwei Wochen ist dann angezeigt, wenn eine Belehrung in Textform vor, oder kurz nach Vertragsschluss erfolgt. Damit wäre grundsätzlich bei eBay auch eine Zwei-Wochen-Frist gegeben. Doch auch hier lauern noch Unsicherheiten, denn wie das LG Dortmund (20 O 19/11) gezeigt hat, kann es Gerichte geben, die den Vertragsschluss künstlich nach vorne verlagern.

So schloss sich das LG Dortmund der Meinung an, das bereits mit dem ersten Gebot ein schwebend wirksamer Vertrag zustande kommt. Diese Auffassung wurde vom OLG Hamm (4 U145/11) auch bestätigt, das einen Vertragsschluss bereits bei Abgabe des Gebotes sieht. Gleichwohl lässt das OLG Hamm am Ende eine Belehrung kurz nach (tatsächlichem) Auktionsende noch ausreichen, denn vor Auktionsende ist die Zustellung der Belehrung schon gar nicht möglich! Auch wenn das Ergebnis hier beruhigt, zeigt sich gleichwohl das grundsätzliche Risiko.

Fazit

Jeder Online-Händler, der auf der Internetplattform eBay aktiv ist, kann dem Verbraucher eine zweiwöchige Widerrufsfrist einräumen, muss aber die Problematik zum Vertragsschluss dabei zumindest kennen und damit abwägen. Im Folgenden sei zur Nachverfolgung noch auf weitere, ältere Rechtsprechung zur Widerrufsfrist bei eBay hingewiesen:

  • Widerrufsfrist von 30 Tagen: Nach LG Hamburg (406 O 338/06) noch nicht wettbewerbswidrig.

  • Widerrufsfrist von vier Wochen: Nach OLG Hamburg (Beschluss vom 26.3.2007, Az. 3 W 58/07) sowie KG Berlin (Beschluss vom 26.6.2007, Az. 16 O 377/07) wettbewerbswidrig.

3. Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung

Das OLG Frankfurt hat im Rahmen einer Berufung entschieden, dass die Angabe der Telefonnummer des Händlers in seiner Widerrufsbelehrung ein wettbewerbswidriges Verhalten darstellt (Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 17.6.2004, Az. 6 U 158/03).

Begründung des OLG Frankfurt:

Die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung verstoße gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, dürfe die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen als die in § 355 BGB vorgesehenen Erklärungen enthalten. Danach schließe die Regelung zwar nicht schlechthin jeglichen Zusatz zur Belehrung aus. Ihrem Zweck entsprechend seien jedoch nur solche Ergänzungen als zulässig anzusehen, die den Inhalt der Widerrufsbelehrung verdeutlichen. Hierzu zählten solche Erklärungen nicht, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und deshalb von ihr ablenken.

Das Gericht sieht bei der Angabe der Telefonnummer im Kontext der Widerrufsbelehrung die Gefahr, dass der Verbraucher den Inhalt der Widerrufsbelehrung irrtümlich so versteht, als könne er sein Widerrufsrecht auch telefonisch ausüben (so auch das OLG Hamm, 4 U 43/09). Dies erlaube das Gesetz aber gerade nicht, das ja die Textform verlangt. Die Angabe der Telefonnummer sei daher geeignet, den Leser von dem zutreffenden Inhalt der Widerrufsbelehrung abzulenken. Der darin liegende Verstoß gegen § 355 BGB stelle zugleich eine Verletzung des § 3 UWG dar, da § 355 BGB als verbraucherschützende Norm eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion aufweise.

Diese Rechtsauffassung wird inzwischen auch vom OLG Hamm geteilt, das mit Urteil vom 2.7.2009 (Az. 4 U 43/09) die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ebenfalls als wettbewerbswidrig eingestuft hat. Diese Angabe sei nach Ansicht des OLG Hamm irreführend und nur dann nicht zu beanstanden, wenn gleichzeitig deutlich darüber belehrt werde, dass die Telefonnummer nicht für die Ausübung des Widerrufrechts verwendet werden dürfe. Der allgemeine Hinweis, dass die Widerrufserklärung in Textform zu erfolgen habe, wie er in den Belehrungen meist zu finden ist, reiche nicht aus, um die Irreführung zu beseitigen.

Auch das KG Berlin (Urteil vom 7.9.2007, Az. 5 W 266/07) hatte sich mit dieser Frage zu beschäftigen, welches ebenfalls zunächst einmal klarstellte, dass jedenfalls die Veröffentlichung einer Telefonnummer in einer Widerrufsbelehrung gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstoße. So berge die Angabe einer Telefonnummer in einer Widerrufsbelehrung die Gefahr, dass der Verbraucher den Inhalt der Widerrufsbelehrung irrtümlich dahin verstehe, er könne sein Widerrufsrecht auch telefonisch ausüben, was das Gesetz jedoch gerade nicht erlaube.

Die Angabe der Telefonnummer sei dann geeignet, den Leser von dem zutreffenden Inhalt der Widerrufsbelehrung abzulenken und sie verletze deshalb das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies lasse sich aber in dieser Form nicht auch auf die Rückgabebelehrung übertragen. Vielmehr bestünde hier keine Gefahr eines Missverständnisses über die Form der Ausübung des Rückgaberechts. Denn anders als das nach seinem Wortlaut grundsätzlich auf eine Widerrufserklärung gerichtete Widerrufsrecht nach § 355 BGB sei das Rückgaberecht schon seinem Wortlaut nach primär auf eine tatsächliche Handlung (die Rückgabe) gerichtet.

Fazit

Angesichts dieser Rechtsprechung sollten es Online-Händler unbedingt vermeiden, in ihrer Widerrufsbelehrung auf die eigene Telefonnummer zu verweisen. Unabhängig von der Frage, was ein solcher Verweis überhaupt für einen Nutzen bringen soll, ist das damit verbundene Risiko einer Abmahnung einfach zu groß.

Zur Startseite