Conrad-CEO Jörn Werner im Interview

"Wir wollen zu einem E-Commerce-Unternehmen werden"



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".

"Conrad will nicht wachsen ohne Geld zu verdienen"

Der Ausbau des Logistikzentrums von Conrad in Wernberg wurde im November 2014 abgeschlossen.
Der Ausbau des Logistikzentrums von Conrad in Wernberg wurde im November 2014 abgeschlossen.

Viele Wettbewerber, die sich vom stationären Handel in den E-Commerce entwickeln, werden in den nächsten Jahren noch kräftig mit ihrer Flächenrentabilität zu kämpfen haben. Trifft das auch auf Conrad zu?

Werner: Wir sind nie so massiv in die Fläche gegangen wie einige Wettbewerber, die heute Probleme haben, ihre Flächen rentabel zu betreiben. Wir haben in Deutschland 25 Filialen und haben die weitere Filialexpansion auch erst einmal gestoppt. Bevor wir neue Filialen eröffnen, wollen wir das richtige Konzept für die stationäre E-Commerce-Integration erarbeiten, um uns damit zielgenau auf unsere Kunden auszurichten: Experten, sowohl im B2B-Bereich, aber auch engagierte Privatanwender.

Können Sie diese Zielgruppe genauer definieren?

Werner: Unsere Ausrichtung bezieht sich zunächst auf die Zielgruppe, die Conrad schon immer hatte, die Bastler und Tüftler. Aber auch auf Privatleute, die zunächst noch mit einem recht unscharfen Kaufbedürfnis zu uns kommen. Zum Beispiel ein Kunde, der eine Videokamera zu Hausüberwachung kaufen will. Im Beratungsgespräch findet man dann schnell heraus, dass es dem Kunden eigentlich um eine Diebstahlschutzlösung für sein Haus geht und er eigentlich ganz etwas anderes sucht, als nur eine Überwachungskamera. So etwas wollen wir künftig nicht nur im Laden, sondern auch online herausfinden und den Kunden dann passgenau dazu beraten.

"Kunden, die etwas Neues suchen, sollen als erstes zu Conrad gehen"

Im Rahmen des Hardware Accelerator Berlin unterstützt Conrad Technik-Startups.
Im Rahmen des Hardware Accelerator Berlin unterstützt Conrad Technik-Startups.

Seit Mitte des Jahres engagiert sich Conrad als Partner des Hardware Accelerators Berlin. Wie passt diese Kooperation in Ihre Strategie?

Werner: Unser Ziel ist es, neben den Standardsortimenten, die jeder hat, Kompetenz und Innovation zu bieten, unter anderem auch durch eigene Produktentwicklung. Heute bieten wir beispielsweise schon einen stark nachgefragten, komplett selbst entwickelten 3D-Drucker an und wollen künftig immer mehr eigene Produkte dieser Art bieten. Denn dann kommen wir wieder dahin, wo Conrad bereits vor vielen Jahren einmal war: dass Kunden, die etwas Neues suchen, als erstes zu Conrad gehen. Genau deshalb kooperieren wir über den Hardware Accelerator Berlin auch mit Startups, damit wir den Finger am Puls des Geschehens haben. Geld zu kriegen, ist heute für Startups nicht besonders schwer. Die passenden Komponenten kaufen diese Tüftler ohnehin schon bei uns. Und wir helfen dabei, die Ideen in fertige Produkte umzusetzen und zu vermarkten. Natürlich ist damit auch ein Risiko verbunden, aber wir sind bereit, dieses einzugehen.

Mit der Startup-Unterstützung stoßen Sie auch in Bereiche wie Wearables oder sogenannte Smart Devices vor - Wachstumsfelder, die sich heute viele Elektronik- und auch Mobilfunkhändler auf die Fahnen geschrieben haben. Wie würden Sie die Stellung von Conrad in diesem Anbieterfeld beschrieben?

Werner: Anders als manche Wettbewerber brauchen wir Wearables und Smart Devices nicht, um unseren Kunden Handys oder Verträge zu verkaufen. Unser Ansatz ist es, sehr beratungsintensive Produkte zu verkaufen - und gleichzeitig jemanden zu bieten, der diese auch entsprechend erklärt. Beschränkt man das Internet of Things auf das Thema Handy-Steuerung, wird der Ausschnitt zudem sehr klein. Wir bieten zum Beispiel auch eine Drohne als Fluggerät für Action-Cams an. Dafür arbeiten wir mit Startups zusammen, die überhaupt nichts mit Mobilfunk zu tun haben.

"Mit Getgoods wollen wir die Pure-Play-Mechanismen kennenlernen"

Nach der Insolvenz der Getgoods AG Ende 2013 übernahm die Conrad-Tochter Get-it Quick deren Onlineshops.
Nach der Insolvenz der Getgoods AG Ende 2013 übernahm die Conrad-Tochter Get-it Quick deren Onlineshops.

Reden wir über die Strategie von Conrad im E-Commerce-Geschäft: Sie sind auch auf Amazon und eBay vertreten. Welche Rolle spielt das Plattformgeschäft für Sie?

Werner: Marktplätze machen heute rund 30 Prozent unseres Online-Geschäfts aus. Es ist nun einmal so, dass viele Konsumenten bei einer Produktsuche gleich zu Amazon gehen. Deshalb sind wir bei Amazon dabei - aber mit angezogener Handbremse. Schließlich ist es unser Ziel, Kunden zu Fans von Conrad zu machen. Viele in der Branche kucken auf Amazon wie das Kaninchen auf die Schlange. Doch wir wollen nicht die anderen kopieren, sondern unseren eigenen Weg gehen. Was Amazon besser als alle anderen kann, ist Convenience. Aber Beratung, Know-How und das Wecken von Begehrlichkeiten für neue Produkte - das kann Amazon nicht. Deshalb setzen wir primär auf unseren eigenen Onlinestore, wo wir den Menschen eine andere Form des Dialogs bieten und diese auch ins Feld führen, wenn es darum geht, neue Technologien zu entdecken.

Neben Conrad.de betreiben Sie auch die Onlineshops Digitalo.de, Voelkner.de und haben Ende 2013 aus der Getgoods-Insolvenz die Vertriebsmarken Getgoods.de und HOH.de übernommen. Dabei tritt aber nie Conrad Electronic in Erscheinung sondern formal unabhängige Tochtergesellschaften. Was hat es mit diesem Versteckspiel auf sich?

Werner: Dabei handelt es sich um kein Versteckspiel. Conrad ist einfach nur sehr auf Conrad konzentriert und deshalb haben wir andere Aktivitäten gesellschaftsrechtlich anders geregelt. Als CEO habe ich diese Aktivitäten natürlich im Blick. Aber die Mannschaft soll sich ganz auf Conrad konzentrieren. Zudem handelt es sich vor allem bei den Getgoods-Shops um komplett alleinstehende Vehikel. Ich bin kein Fan von Integration, da man sonst schnell bei einer Subventionierung landet.

Wie unterscheidet sich die Strategie der in der Get-it Quick GmbH angesiedelten Onlineshops Getgoods.de und HOH.de von Conrad.de?

Werner: Zunächst mussten wir uns innerhalb von 14 Tagen entscheiden, ob wir die Getgoods-Shops übernehmen wollten oder nicht. Das war ein Markt, den wir vorher nicht kannten. Deshalb sind Getgoods.de und HOH.de gut für uns, um diese hochkonzentrierten Pure-Play-Mechanismen kennenzulernen. Aber die Shops müssen sich allein durchsetzen. Jetzt haben wir damit immerhin den Break-even erreicht und werden schauen, wie sich das weiter entwickelt. In der Gesamtsicht ist das Pure-Play-Geschäft aber recht marginal und auch kein großer Margenbringer.

Wie würden Sie demgegenüber die Rolle von Digitalo.de und Voelkner.de beschreiben?

Werner: Das ist für uns ein Testlabor für Pure-Play. Conrad ist extrem komplex, da kann man nicht einfach einmal A/B-Tests machen. Dafür nutzen wir Digitalo und Voelkner. Aber auch diese beiden Shops verfolgen ihr eigenes Geschäftsmodell und sind komplett eigenständig von Conrad.de. (mh)

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