Kundenorientiert, agil, innovativ - solche Entwicklungsziele verkünden Unternehmen immer wieder. Die Ziele dahinter sind meist wirtschaftlicher Art, manchmal geht es den Betrieben auch schlicht darum, die Existenz zu sichern. Das hoffen sie mit einer neu gestalteten Organisation zu erreichen.
Sie schulen ihre Mitarbeiter top-down in den Arbeitsweisen, die zum Erreichen der Ziele beitragen sollen, beispielsweise im Design Thinking. Nach einiger Zeit stellen sie dann fest: In unserer Organisation hat sich viel bewegt, doch unser Ziel - zum Beispiel, agiler zu werden - haben wir nicht erreicht. Damit wurde auch das übergeordnete Ziel verfehlt, den Erfolg des Unternehmens langfristig zu sichern.
Veränderungsgeschwindigkeit ist für viele Betriebe zu hoch
Für dieses Scheitern gibt es viele Gründe. So verändern sich die Rahmenbedingungen, die technischen Möglichkeiten der Problemlösung und auch die Kundenbedürfnisse so schnell, dass die Betriebe der Entwicklung immer hinterherhinken. Der Change- und Lernbedarf wird so groß, dass er top down kaum noch erfasst und befriedigt werden kann.
Viele Unternehmen haben das erkannt und reagiert. So verfolgten alle Managementsysteme, die in den letzten Jahrzehnten en vogue waren, egal ob sie KVP, TQM, Kaizen, Six Sigma oder Lean Management hießen, immer das Ziel, die Arbeit stärker an Kundenbedürfnissen auszurichten. Um hier voranzukommen, wurde immer auch propagiert, mehr Entscheidungsbefugnisse auf die Mitarbeiter- und Teamebenen zu verlagern. Eng damit verknüpft war die Forderung nach einer neuen Form der Leadership: Führungskräfte sollten sich als Befähiger und Ermächtiger ihrer Mitarbeiter verstehen.
Viele größere Betriebe ergriffen Initiativen, um einen solchen Kulturwandel herbeizuführen. Deshalb wirkt es absurd, wenn heute New-Work-Evangelisten so tun, als sei gar nichts passiert. Sie malen ein Zerrbild von Führung an die Wand, das immer noch auf dem Befehl-Gehorsam-Prinzip basiert. In aller Regel entspricht das aber nicht mehr der betrieblichen Realität.
Holokratie - Teams entscheiden selbst
Dennoch sind sich Führungskräfte unsicher in der Frage, wie Arbeit und Zusammenarbeit künftig strukturiert sein sollen. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass immer noch der Begriff Holokratie durch die Managementdiskussion geistert. Er bezeichnet eine nicht-hierarchische Organisationsform, in der eine Vielzahl von selbständigen Einheiten, sogenannte Holons, sagen, was zu tun ist. Die Mitglieder dieser Holons haben keine Vorgesetzten, die Ansagen machen. Sie treffen im Rahmen der vereinbarten übergeordneten Ziele die Entscheidungen selbst.
Realisiert wurde diese Organisationsform bisher nur in Non-Profit-Organisationen und Startups. Von den zwölf Organisationen, die Frederic Laloux 2014 in seinem Buch "Reinventing Organizations" (PDF) als Beleg für die Realisierbarkeit des Konzepts nannte, kehrten inzwischen zehn wieder zum traditionellen Top-down-Management zurück.
Der Grund ist klar: In größeren Organisationen steht die Arbeit von Einheiten - egal, ob sie Bereiche, Teams oder Holons heißen - immer im Zusammenhang mit übergeordneten Zielen und einer Gesamtstrategie. Entscheidungen müssen darauf einzahlen, deshalb benötigen größere Organisationen stets eine gewisse Form der Hierarchie und Führung.