Neuer Unternehmensbereich zur Speicherung und Bearbeitung der 'Datenseen'
Überhaupt die Daten. Sie fallen bei IoT-Lösungen kontinuierlich und in großen Mengen an. Ihr volles Informationspotenzial auszuschöpfen, wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Deshalb sei für die Kontrolle, Analyse und vor allem auch die Sicherheit der Daten eine wichtige neue Unternehmensfunktion unerlässlich. In solchen 'Datenabteilungen' werden nicht nur wie bisher einzelne Messwerte verarbeitet, sondern Daten unterschiedlichster Herkunft lassen sich kombinieren/korrelieren oder aus großen Mengen, die über Zeiträume gesammelt werden, mit geeigneten Algorithmen bestimmte Erkenntnisse aus Datenmustern ermitteln, etc.
Das Problem dabei ist, dass die Daten als ein Sammelsurium verschiedenster Formate vorliegen, wie Sensor- und andere Zustandsdaten, Standortinformationen, Wetterangaben, Vertriebs- oder Garantiehistorien, etc. Sie werden in sogenannten Datenseen (Data Lakes) in ihrem Rohformat gespeichert und mit neuen Analysetools untersucht. Um mit der Fülle an Daten besser umgehen zu können, setzen Unternehmen vermehrt sogenannte digitale Zwillinge ein, eine 3-D-Nachbildung des physischen Produkts (ursprünglich von der Forschungsabteilung des US-Verteidigungsministeriums, DARPA, entwickelt). Mit dieser Art Avatar werden in der virtuellen Realität der Status, die Veränderungen oder die Betriebsbedingungen des realen Produktes visualisiert. Die Hersteller können von einem solchen 3D-Zwilling auch Know-how für eine bessere Konstruktion, Fertigung oder Betreibung/Wartung ableiten.
Welche Veränderungen der 'alten' Unternehmensfunktionen werden nun von den Daten und Fähigkeiten intelligenter, vernetzter Produkte verursacht? Für Porter und Heppelmann beginnt diese Transformation im Bereich der Produktentwicklung, sie habe sich aber mittlerweile auf die gesamte Wertschöpfungskette ausgedehnt. Vernetzte Produkte stellen ganz andere Anforderungen an den Design- und Entwicklungsprozess. Sie sind komplexe Systeme mit Software im Gerät selbst und umfangreicher Software in der Cloud. Der bisherige maschinenbaugetriebene Entwicklungsprozess wandelt sich deshalb vermehrt zum interdisziplinären Systems Engineering, bei dem neben Maschinenbauingenieuren mindestens genauso viele Softwareentwickler (und andere Fachleute) beteiligt sind.
Konstruktion und Fertigung werden zu kontinuierlichen 'Evergreen'-Prozessen
Die Autoren formulieren sieben neue Grundprinzipien bei der Entwicklung und Konstruktion vernetzter Produkte:
Variabilität zum kleinen Preis: Bei konventionellen Produkten sind Variationen teuer, erfordern sie doch jeweils ein neues physisches Bauteil. Mit dem intensiven Einsatz von Software lässt sich eine Produktvielfalt bei smarten Produkten wesentlich einfacher und billiger erreichen. Der Landmaschinenhersteller John Deere produziere z.B. nicht mehr verschiedene Leistungsversionen eines Motors, sondern stelle nur noch eine Standardgröße her und variiere die PS-Zahl dann je nach Bedarf per Software.
Kontinuierliche Weiterentwicklung von Produkten: Bei vernetzten Produkten ist es nicht mehr nötig, mit Verbesserungen bis zur nächsten Produktgeneration zu warten. Der Hersteller kann mittels Software und oft per Fernwartung eine Funktion des Produktes auf den Markt bringen, dessen Entwicklung beim Verkauf noch nicht abgeschlossen war. E-Autohersteller Tesla z.B. wolle seine Autopilotfunktionen im Laufe der Zeit mit Softwareupdates ausbauen.
Neue Benutzeroberflächen und Augmented Reality: Digitale Benutzeroberflächen ermöglichen auf Tablet oder Smartphone dem Nutzer mehr Mobilität, als Knöpfe, Anzeigen und Schalter am Gerät. Bei der Augmented Reality werden auf Tablet oder in einer besonderen Brille Zusatzinformationen am digitalen Produkt angezeigt, die z.B. Wartungen oder Reparaturen erleichtern.
Kontinuierliches Qualitätsmanagement: Vernetzte Produkte ermöglichen die kontinuierliche Rückmeldung der Leistungsdaten während der Nutzung. Diese Daten aus der Praxis können direkt wieder Eingang finden in die Konstruktion und helfen Produktprobleme zu beheben, die in den Tests der Prototypen noch nicht aufgetreten waren.
Vernetzter Kundendienst: In der Konstruktion muss auch berücksichtigt werden, dass zusätzliche Instrumente, Datenerfassungstools und Diagnosefunktionen zur Zustands- und Leistungsüberwachung, die drohende Ausfälle im Voraus anzeigen, notwendig werden.
Grundlage für neue Geschäftsmodelle: Mit smarten Produkten ist der Hersteller in der Lage, nicht mehr einfach das Produkt zu verkaufen, sondern dessen Funktion als Dienstleistung. Eine Umstellung auf das neue Geschäftsmodell Dienstleistung kann dann auch einzelne Designparameter betreffen. Z.B. müssen verschiedene Nutzerdaten/-verbräuche erfasst werden, damit mit dem Kunden exakt abgerechnet werden kann.
Verknüpfung mit anderen Systemen: Ist das Produkt Teil eines größeren Systems, multiplizieren sich auch die Möglichkeiten, Hard- und Software über Produktkategorien hinweg gleichzeitig zu entwickeln und zu verbessern.
Auch im Fertigungsbereich wird sich ein tiefgreifender Wandel vollziehen. Zum einen wird in der intelligenten, vernetzten Fabrik der Einsatz von smarten Werkzeugen und Maschinen vorangetrieben werden. Initiativen wie Industrie 4.0 in Deutschland und Europa oder Smart Manufacturing in den USA haben nichts weniger als die voll automatisierte und möglichst sich selbst steuernde Produktion als Ziel. Z.B. versehe General Electric im Rahmen seiner 'Brilliant-Factories'-Strategie Maschinen entweder nachträglich oder bereits beim Produktdesign mit Sensoren. Die Rückmeldedaten werden ausgewertet, um Stillstandzeiten zu verringern bzw. die Effizienz zu erhöhen. Einem der Werke sei es damit gelungen, die Produktion fehlerfreier Einheiten zu verdoppeln.
Neben den vernetzten Maschinen und Tools, die zur Produktion eingesetzt werden, wird natürlich auch das eigene smarte Produkt die Strukturen der Fertigung verändern. Die mechanische Fertigung wird einfacher, da mehr Funktionen am Produkt durch Software erledigt werden können. Und zur Fertigung gehört neu die Erstellung der Software und der Aufbau des cloudbasierten Systems. Durch die Software können Individualisierungen des Produktes immer später im Montageprozess erfolgen. Das kann so weit gehen, dass die Endmontage beim Kunden vorgenommen wird oder auch nach der Auslieferung noch Anpassungen erfolgen können. In dem Sinne wird auch die Fertigung durch die Produktupdates via Software zu einem kontinuierlichen Prozess.