Derzeit entwickeln sich auf Basis intelligenter, vernetzter Produkte (Smart Connected Products) grundlegend neue Wertschöpfungsmöglichkeiten für die Wirtschaft. Speziell im Fertigungssektor, aber auch in allen anderen Sektoren, wie z.B. dem Dienstleistungs- oder dem Informationssektor, findet eine Revolution statt. Die erweiterten Fähigkeiten der neuen vernetzten Produkte werden dabei nicht nur tiefgreifende Auswirkungen auf Marktstrategien und Branchenstrukturen haben.
- Wie smarte Produkte Unternehmen verändern
Auf Basis der unendlichen Datenströme, die vernetzte Produkte und Maschinen liefern, entstehen auch neue Geschäftsmodelle. Hier einige Beispiele. - Tesla Motors
Bei vernetzten Produkten wird eine kontinuierliche Weiterentwicklung auch nach Verkauf möglich. Der E-Autohersteller Tesla z.B. will seine Autopilotfunktionen im Laufe der Zeit mit Softwareupdates ausbauen. Die gegenwärtige Software-Version 7.1 fügt die Lenkautomatik und die Parallel-Einparkautomatik hinzu. Im Bild der hochauflösende 17-Zoll-Touchscreen, der als Kommandozentrale für die meisten Fahrzeugfunktionen dient. - Bosch Güterwaggons
Bosch ist eines der deutschen Unternehmen, die beim Thema IoT ‚vorn dabei‘ sind. Eine neue Lösung zur intelligenten, vernetzten Echtzeit-Zustandsüberwachung von Güterwagen geht Mitte 2016 in Serie. Sie bietet Funktionen wie eine exakte Lokalisierung der Waggons, Informationen über die Transportbedingungen der Ladung, das Erkennen von Erschütterungen beim Rangieren und das Aufzeichnen der gefahrenen Kilometer eines Waggons für eine kilometerabhängige und zustandsbasierte Wartung. - CIIT 3D-Montageanleitung
Cyberbrillen sind ‚von gestern‘: Bei den Augmented Reality-Lösungen gibt es eine erste an Holografie erinnernde mobile Projektion, entwickelt vom Institut für industrielle Informationstechnik (inIT) der Hochschule OWL und IOSB-INA/Fraunhofer, bei der alle (3D-) Informationen, die der Monteur benötigt, einfach auf seinen Arbeitsplatz projiziert werden. - GE Turbine Brilliant Factory
General Electric stattet im Rahmen seiner ‚Brilliant-Factories‘-Initiative die Maschinen mit vernetzten Sensoren aus. Die Rückmeldedaten werden ausgewertet, um Stillstandzeiten zu verringern bzw. die Effizienz zu erhöhen. Einem der Werke sei es damit gelungen, die Produktion fehlerfreier Einheiten zu verdoppeln. Im Bild der Bau von Turbinen in der Brilliant Factory. - John Deere
Vernetzte Produkte lassen sich kostengünstig variieren: Der Landmaschinenhersteller John Deere stellt nur noch eine Standardgröße seiner smarten Motoren her. Die PS-Zahl wird dann je nach Bedarf per Software eingestellt. - Smoove
Mit der IoT-Plattform ThingWorx von PTC erstellte die französische Firma Smoove ein Fahrrad-Verleihsystem für Clermont-Ferrand in der Auvergne. Da die vernetzten Räder bei diesem Dienstleistungsmodell im Besitz von Smoove bleiben, wurde der Konstruktionsprozess angepasst und besonders auf Langlebigkeit und Diebstahlschutz geachtet. Die Räder kommen u.a. ohne eine Kette aus, haben pannensichere Reifen und diebstahlsichere Schrauben. - KTM - Reparatur mit Augmented Reality
PTC hat die IoT-Plattform ThingWorx mit der Augmented-Reality-Plattform Vuforia erweitert. Damit erhält dann ein Techniker, dem über ThingWorx ein Problem vom KTM-Motorrad gemeldet wird, die dazu passenden einzelnen Reparaturschritte visuell auf sein Tablet oder seine Datenbrille.
Auch intern im Fertigungsunternehmen wird praktisch jede der Kernfunktionen, wie z.B. Produktentwicklung, IT, Fertigung, Marketing oder Vertrieb/Service, neu definiert. Zusätzlich werden völlig neue Funktionsbereiche entstehen. Diese Veränderungen bei Produkten und Organisationsstrukturen sind nicht einfach und bergen Unwägbarkeiten. Aber Unternehmen, denen die Umstellung gelingt, werden langfristig stark davon profitieren.
Das sind Thesen von Prof. Michael E. Porter (Harvard Business School) und James E. Heppelmann, Präsident und CEO von PTC, die in einer Grundsatzabhandlung im Harvard Business Manager (Ausgabe 12/15) die organisatorischen Veränderungen und Herausforderungen beschreiben, die die Herstellung und der Vertrieb von intelligenten vernetzten Produkten im Unternehmen selbst verursachen werden. Für viele Unternehmen, die mit dem Übergang zu smarten Produkten zu kämpfen haben, sei der Wandel beunruhigend oder destabilisierend, brächte er doch interne Anpassungen, Wettbewerbsprobleme und Sicherheitsbedenken mit sich.
Die Autoren schildern eine Reihe von technisch-organisatorischen Ansätzen, wie sich die Transformation vom Hersteller konventioneller Produkte zum Anbieter anspruchsvoller Internet-der-Dinge (IoT)-Lösungen in den einzelnen Abteilungen/Funktionen des Fertigungsunternehmens auswirkt bzw. erfolgreich bewältigt werden kann. Im Vordergrund stünde aktuell die Organisationsstruktur, denn die seit Jahrzehnten etablierten Organigramme beginnen aufzubrechen und sich zu verändern.
Die Funktionsbereiche werden auf neue Art und Weise zusammenarbeiten und sich in jedem Fall enger abstimmen müssen, als bisher. Man stehe aber erst am Anfang und deshalb gebe es auch noch keinen Königsweg zur Realisierung der neuen Strukturen. Auf die vielen Beispiele vernetzter Produkte in der Praxis, die im Ursprungstext zu finden, kann hier aus Platzgründen nur ab und an eingegangen werden.
Vernetzte Produkte werden nach Ansicht von Porter und Heppelmann also nicht nur den Wettbewerb auf den Märkten neu sortieren (siehe dazu auch den ersten Artikel der Autoren in HBM-12/14), sondern auch das Wesen, die Arbeit und die Strukturen der Fertigungsunternehmen. Zur Charakterisierung der neuartigen Produktlösungen, die eine bisher nicht gekannte, enge und direkte sowie zeitlich unbegrenzte Beziehung zum Kunden herstellen, definieren sie drei Kernelemente:
physische Komponenten mit mechanischen oder elektrischen Bauteilen,
intelligente Komponenten, wie Sensoren, Aktoren, Mikroprozessoren, Datenspeicher, Software/Betriebssystem und eine digitale Bedienoberfläche sowie
Vernetzungskomponenten, z.B. Schnittstellen, Antennen und Netzwerke, die die Kommunikation zwischen Produkt und Cloud sicherstellen.
Die Cloud wird in vielen vernetzten Produktlösungen ein zentrales Element für die Software/das Produkt-'Betriebssystem' sein, die z.B. ein Big-Data-Datenbanksystem, eine Regel-/Analyse-Engine oder intelligente Produktanwendungen, die die Funktionen des Produktes überwachen, steuern und optimieren, beheimatet.