Nicht nur der Coronavirus selbst ist mit einer zweistelligen Zahl an Infizierten in Deutschland angekommen, sondern auch die virusbedingten wirtschaftlichen Auswirkungen. Wertschöpfungs- und Lieferketten sind international und an China führt selten ein Weg vorbei.
Auch Distributoren müssen sich weltweit und hierzulande mit der Bedrohung durch den Coronavirus auseinandersetzen, sei es, um Mitarbeiter und Kunden zu schützen, oder sich die wirtschaftlichen Auswirkungen einzustellen. So geht man bei der Komsa-Gruppe auf Nummer sicher und hat "vorsorgliche Sicherheitsmaßnahmen" ergriffen: "Komsa-Mitarbeiter, die sich nachweislich seit dem 10. Januar 2020 in China aufgehalten haben oder Kontakt zu einer Person hatten, die sich in China aufgehalten hat, werden zwei Wochen lang bezahlt freigestellt, um etwaige Übertragung oder Ansteckung zu vermeiden", erläutert die stellvertretende Pressesprecherin Nadja Lauchstädt.
Dienstreisen nach China oder geplante vor-Ort-Besuche an den Standorten der Komsa-Gruppe in Deutschland und Polen werden bis auf Weiteres nicht angetreten. "Alle anderen anstehenden Messen und Events werden zunächst wie geplant stattfinden und von Komsa-Mitarbeitern besucht", ergänzt Lauchstädt. "Die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht für uns an oberster Stelle", bekräftigt Ingram-Deutschlandchef Alexander Maier. Die Durchführung von Dienstreisen, auch zu Messen, werde geprüft und individuell entschieden.
Reisen werden abgesagt
Allerdings entschließen sich viele Mitarbeiter von Grossisten, zunächst auf Reisen zu aktuell anstehenden Events und Messen wie die ISE in Amsterdam oder den Mobile World Congress in Barcelona zu verzichten. Das muss aber nicht unbedingt an der Angst vor Ansteckung liegen. So berichten Distributoren, dass auf der ISE schlicht die Ansprechpartner nicht wie geplant vor Ort sind oder entsprechende Partner-Events abgesagt wurden. Ein Messebesuch, bei dem nur noch ein Bruchteil der Kontakte angetroffen werden kann, rechtfertigt dann nicht mehr die zeitaufwändige Reise.
Doch auch die wirtschaftlichen Folgen beschäftigt die Distribution. Der Leitsatz, "Wenn China niest, bekommt die Welt einen Schnupfen", wird von Ökonomen gerne zitiert. Wenn in China ein Virus ausbricht, der viele Todesopfer fordert, dann kann sich die Welt auf einen gehörigen Schnupfen einstellen.
So beobachtet man bei Ingram Micro aktuell die Märkte sehr genau, um auf mögliche Auswirkungen und Lieferengpässe durch die Restriktionen des Coronavirus schnell reagieren zu können. "Wir wollen unseren Kunden auch weiterhin die bestmögliche Warenverfügbarkeit zu bieten", betont Maier. Aktuell hat Ingram noch keine Lieferengpässe aufgrund des Coronavirus festgestellt. "Wir empfehlen dennoch unseren Kunden, ihre Orders frühzeitig zu platzieren, um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen", rät Country Chief Executive Maier.
Erste Lieferengpässe
Ähnlich ist die Situation bei Komsa. "Wirtschaftliche Auswirkungen aufgrund des Coronavirus-Ausbruchs spüren wir aktuell noch nicht", sagt Nadja Lauchstädt. Bei Komsa geht man allerdings davon aus, dass sich die Lieferzeiten der chinesischen Herstellerpartner in den nächsten Wochen und Monaten durchaus verlängern werden. "Wir stehen dazu in engem Austausch mit unseren Handels- und Industriepartnern, um entsprechende Lösungsszenarien für diesen Fall zu entwickeln", so Lauchstädt.
Lesen Sie auch: LG sagt MWC und ISE wegen Coronavirus ab
Während andere Distributoren sich erst noch auf Verknappungen einstellen, bekommt man beim TK-Distributor Eno bereits erste Auswirkungen zu spüren: "Aktuelle Bestellungen werden teilweise storniert oder auf unbestimmte Zeit verschoben", berichtet Sven Gösch, Leiter BU Mobile Devices & Gaming.
Dies treffe insbesondere große Hersteller. Dadurch ergeben sich aber laut Gösch auch Chancen für Unternehmen mit noch kleinem Marktanteil. Als Beispiel nennt er Apple. "Die Liefertermine für iPhones wurden bereits verschoben und sind Stand heute für mindestens zwei bis drei Wochen von Lieferengpässen betroffen. Das trifft vor allem die 11er-Serie", präzisiert Gösch.
Lesetipp: Intel sagt MWC-Teilnahme ab
Er rechnet damit, dass die wirklichen Auswirkungen aber erst in den kommenden Tagen zum Vorschein kommen und auch andere Hersteller Probleme bekommen werden. "Auch wenn sie nicht in China produzieren, wie beispielsweise Samsung, so bekommen sie dennoch wichtige Bauteile aus China geliefert", erklärt er. Eine Prognose sei aber schwierig, da teilweise auf alternative Zulieferer ausgewichen wird.
Lagerbestand erhöht
Soweit es noch möglich war, hat Eno daher Bestände erhöht und Restbestände aufgekauft. Es gelte aber jetzt auch den Markt "engmaschig" zu beobachten. "Trotz Preisschwankungen werden wir Waren beschaffen, um Verfügbarkeiten sicherzustellen und natürlich alternative Produkte anbieten, die nicht von Lieferengpässen betroffen sind", kündigt Gösch an.
Systeam-Einkaufsleiter Oliver Reiter sieht bisher weniger direkte Auswirkungen, als vielmehr die Möglichkeit, durch Marktmechanismen hervorgerufener Verfügbarkeitsprobleme. "Wenn jeder seinen Lagerbestand erhöhen will, führt das zwangsläufig zu Lieferengpässen bei den Herstellern", stellt er fest.
Dies könnte laut Reiter durchaus an der einen oder anderen Stelle zu Schwierigkeiten führen, da einige Distributoren heutzutage mit knappen Lagerbestand kalkulieren und daher die Nachfrage der Händler bei manchen Produkten nicht mehr bedienen können. Er sieht Systeam in diesem Punkt gut vorbereitet. So habe man beispielsweise bei Drucker-Supplies den Lagerbestand erhöht, um weiterhin in gewohnter Weise lieferfähig zu bleiben.