Arbeitsrecht international

Wenn der Arbeitgeber kündigt



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Kurzarbeitergeld statt Kündigungen

Nur in fünf Ländern erhalten Arbeitnehmer auch dann finanzielle Unterstützung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, wenn das Unternehmen aufgrund eines Konjunktur- oder Absatzeinbruchs oder von Naturkatastrophen finanzielle Probleme hat und deshalb Kurzarbeit beantragt, um die Personalkosten zu reduzieren. Kurzarbeit heißt, dass das Unternehmen temporär die Arbeitszeit für alle Beschäftigten stark – im Extremfall bis auf null – reduziert, um die Durststrecke ohne Entlassungen zu überbrücken. In diesen Ländern – Deutschland, Österreich, Spanien, Uruguay und der Schweiz – ersetzt die Arbeitslosenversicherung dann den betroffenen Mitarbeitern einen Teil des Verdienstausfalls.

In Deutschland wird das Kurzarbeitergeld im Regelfall höchstens sechs Monate lang gezahlt. Wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise nach der Lehman-Pleite wurde die maximale Bezugsdauer für 2010 auf 18 Monate, für Anträge im Jahr 2011 auf 12 Monate verlängert. "Das war eine große Hilfe für die Mitarbeiter und ihre Familien, aber auch für die Unternehmen, die so ihre Fachkräfte halten und dann im Wiederaufschwung sofort durchstarten konnten", sagt Marcus Bodem, Ecovis-Partner in Berlin.

In Portugal zahlt die Sozialversicherung unter bestimmten Bedingungen zeitweise einen Teil der monatlichen Vergütung. In China wird von Fall zu Fall über finanzielle Hilfen entschieden. So können die lokalen Behörden temporär die Sozialversicherungsbeiträge für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer reduzieren. In Rumänien kann der Staat Unternehmen Steueraufschub gewähren, wenn sie durch eine Rezession in Finanznöte geraten.

Flexibel genug in schwierigen Zeiten? Bleibt am Schluss die Gretchenfrage: Lassen die Rahmenbedingungen summa summarum den Unternehmen ausreichend Flexibilität, um in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Beschäftigung anzupassen und/oder wieder schnell wettbewerbsfähig zu werden? "Die Situation könnte besser sein", sagen die Ecovis-Partner in jedem zweiten untersuchten Staat, und in jedem dritten finden sie die Verhältnisse "zu unflexibel".

Abfindungen als Hemmschuh für Kündigungen

Die Gründe für das überwiegend kritische Gesamturteil sind vielfältig: In jedem dritten Land halten die Ecovis-Partner die Kündigungskosten für prohibitiv hoch. "In Portugal können sich kleine und mittlere Unternehmen wegen der Abfindungen und Anwaltskosten eine Kündigung kaum leisten", sagt Johannes Rückert, Ecovis-Partner in Lissabon. "Als Hemmschuh wirken zudem die Komplexität, mangelnde Klarheit und ständigen Änderungen der Arbeitsgesetze."

Im Nachbarland Spanien "sind die hohen Abfindungen das Problem", klagt Dr. Jörg Hörauf, Partner der Ecovis-Kanzlei in Barcelona. "Sie lassen die Unternehmen gerade in der aktuellen Krise vor Neueinstellungen zurückschrecken – ein Teufelskreis." Schon wenn ein Unternehmen Mitarbeiter aus finanziellen Gründen entlässt (und das Gericht diese auch anerkennt) wird für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit der Gehaltsgegenwert für 20 Arbeitstage als Abfindung fällig. Andernfalls sind 45 Arbeitstage je Beschäftigungsjahr der Richtwert. "Oft einigt sich der Arbeitgeber daher mit dem gekündigten Arbeitnehmer in der Mitte."

"Komplizierte Arbeitsgesetze und widersprüchliche Gerichtsentscheidungen" bemängelt Piotr Prus, Rechtsanwalt und Partner der Ecovis-Kanzlei in Polens Hauptstadt Warschau. "Dazu kommen die hohen Arbeitskosten durch Steuern und Sozialabgaben, die dazu führen, dass die Unternehmen von Arbeitsverträgen verstärkt auf Werkverträge mit Einmannfirmen ausweichen."

In Australien sieht Scott Hogan-Smith von der Ecovis-Kanzlei in Sydney den gesetzlich verankerten Gewerkschaftseinfluss als Flexibilitätshindernis. Und selbst in Österreich – laut Umfrage das einzige Land neben China, in dem entlassene Arbeitnehmer leicht einen neuen Job finden – findet der Wiener Ecovis-Partner Martin Grill einen Kritikpunkt: den "zu starken Kündigungsschutz".

"Überwiegend zufrieden", was die Flexibilitätsbedingungen im Lande angeht, sind nur der Berliner Anwalt Marcus Bodem und seine Schweizer Kollegin Karolina Slama, Rechtsanwältin bei weber schaub & partner ag, einer Ecovis-Partnerkanzlei in Zürich. "Anders als in vielen anderen europäischen Ländern gibt es in der Schweiz keinen generellen Kündigungsschutz, insbesondere kein Recht auf Weiterbeschäftigung", erklärt Karolina Slama. "Auch der Gewerkschaftseinfluss ist schwächer, die Arbeitslosenquote niedriger."

Deutschland hat derzeit die höchste Beschäftigtenzahl und die niedrigste Arbeitslosigkeit seit Jahren – "nicht zuletzt dank der erweiterten Kurzarbeitergeld-Regelung in der Krise", sagt Marcus Bodem. "Die größte Herausforderung, vor der die Unternehmen stehen, ist es, angesichts einer alternden Bevölkerung genügend qualifizierte Arbeitskräfte zu finden."

Kontakt und Infos: Thomas Schinhärl ist Rechtsanwalt, Unternehmenssanierer Controlling und Steuern sowie Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (www.mittelstands-anwaelte.de).
ECOVIS L+C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Osterhofener Straße 10/III, 93055 Regensburg, Tel: 0941 79969-80, E-Mail: thomas.schinhaerl@ecovis.com, Internet: www.ecovis.com

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