Arbeitsrecht international

Wenn der Arbeitgeber kündigt



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Abfindungen, Kündigungsfrist, Arbeitslosenversicherung, Klagerecht auf Weiterbeschäftigung, Kurzarbeitergeld – das Kündigungsschutzrecht im internationalen Vergleich hält für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlreiche Fallstricke bereit, sagt Thomas Schinhärl. Ein Länderüberblick.

"In Deutschland scheinen wir derzeit in der besten aller realen Arbeitswelten zu leben, in der sowohl die Arbeitnehmer hinreichend geschützt und im Kündigungsfall finanziell abgesichert sind als auch die Unternehmen in Krisenzeiten flexibel genug bleiben." Diesen Schluss zieht Professor Dr. Peter Lüdemann, Vorstandsmitglied von Ecovis, aus dem jüngsten Rechtsbarometer rund um das sensible Thema Kündigung seitens des Arbeitgebers. "Allerdings trägt auch der drohende Mangel an qualifizierten Arbeitskräften infolge der demografischen Entwicklung zur vergleichsweise entspannten Situation in unserem Land bei", merkt Lüdemann an.

Wie Kündigungen durch den Arbeitgeber rechtlich behandelt werden, ist eine Frage der Rechtsprechung der einzelnen Nationen und der landestypischen Gepflogenheiten.
Wie Kündigungen durch den Arbeitgeber rechtlich behandelt werden, ist eine Frage der Rechtsprechung der einzelnen Nationen und der landestypischen Gepflogenheiten.
Foto: Fotolia, Vege

An der Umfrage nahmen Ecovis-Kanzleien in 22 Staaten teil. In den meisten hakt es im Arbeitsmarkt an einer oder mehreren Stellen – zum Nachteil der Unternehmen wie der Arbeitnehmer, wie die Untersuchung zeigt: Einerseits erklären nur 27 Prozent der teilnehmenden Ecovis-Partner, dass es in ihrem Land relativ leicht sei, Mitarbeiter zu entlassen. Andererseits finden entlassene Arbeitnehmer nach Einschätzung der Partner vor Ort in jedem zweiten Land nur schwer einen neuen Job – vor allem im südlichen und östlichen Europa, aber auch in Japan. Jeder zweite Umfrageteilnehmer bemängelt, dass Arbeitslose keine ausreichende öffentliche Unterstützung erhalten, sei es finanziell oder was Qualifizierungsmaßnahmen und die Hilfe bei der Jobsuche angeht. Zwar ist in allen untersuchten Staaten die Kündigung von Mitarbeitern gesetzlich geregelt, und in den meisten (77 Prozent) gibt es auch eine obligatorische Arbeitslosenversicherung für alle oder die meisten Arbeitnehmer. "Die entscheidenden Unterschiede liegen jedoch in den Detailvorschriften, in der Rechtspraxis und im Leistungsumfang der Arbeitslosenversicherung", erklärt Peter Lüdemann.

Klage auf Weiterbeschäftigung

Ein markantes Beispiel: In nahezu allen untersuchten Staaten (86 Prozent) haben gekündigte Arbeitnehmer das Recht, auf Weiterbeschäftigung zu klagen. Ob dies wirklich ein ernsthaftes Hindernis für den Arbeitgeber ist und wie teuer ihn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses letztlich zu stehen kommt, ist überwiegend eine Frage der Rechtsprechung und der landesüblichen Gepflogenheiten.

In nur sechs Ländern sind Klagen auf Weiterbeschäftigung die Regel: Rumänien, Russland, Serbien, Slowenien, Spanien und Tschechien. Sprich: Andernorts einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig gleich außergerichtlich auf eine angemessene Abfindung; im Gegenzug verzichtet der Mitarbeiter darauf, der Kündigung zu widersprechen. Lediglich in vier Staaten – Österreich, Malaysia, Serbien und Vietnam – muss ein Arbeitnehmer unbedingt weiterbeschäftigt werden, wenn es in dem Streit zu einem Gerichtsurteil kommt und er gewinnt. In Griechenland, Lettland und Polen haben die Arbeitgeber klar die besseren Karten: Dort weisen die Gerichte Klagen von Arbeitnehmern gegen ihre Kündigung meist ab.

Abfindungslösung bevorzugt

Am häufigsten enden die Klageverfahren mit einer alternativen Lösung: Es kommt zwar zu einem Gerichtsurteil auf Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers, doch er kehrt nicht an seinen Arbeitsplatz zurück, sondern einigt sich mit dem Arbeitgeber auf eine Abfindung. Dies ist in sechs der 22 Länder gängige Praxis. "In China klagen Arbeitnehmer gegen eine Kündigung in der Hoffnung, eine Abfindung zugesprochen zu bekommen, wenn sie sich nicht mit dem Arbeitgeber einigen konnten", merkt Yi Wang, Ecovis-Partner in Shanghai, an. "Denn es ist nicht sehr schwer, einen neuen Job zu finden, wenn man ausreichend dafür qualifiziert ist."

Das Gericht macht einen entsprechenden Vergleichsvorschlag inklusive der Höhe der Abfindung, den beide Parteien akzeptieren. Dies ist in sieben Ländern häufig der Fall.

Nach der Klage einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer freiwillig auf eine Abfindung, der gekündigte Mitarbeiter zieht die Klage zurück. Darauf läuft es in jedem zweiten Land oft hinaus.

In Lettland und Vietnam sind alle drei Lösungen üblich, in Österreich werden die ersten beiden bevorzugt angewandt, in drei Ländern – Deutschland, Indien und Spanien – die beiden letzteren. In Tschechien endet das Verfahren entweder erst nach dem Gerichtsurteil mit einem Abfindungsvergleich oder beide Seiten handeln von vorneherein einen Kompromiss aus, um einen Prozess mit ungewissem Ausgang zu vermeiden.

In Rumänien "entscheiden die Gerichte oft auf Weiterbeschäftigung und verpflichten den Arbeitgeber zu einer Abfindung", sagt Monica Jantea, Rechtsanwältin und Ecovis-Partnerin in Bukarest. "Deshalb bevorzugen die Arbeitgeber eine außergerichtliche Einigung, wenn Arbeitnehmer ihrer Kündigung widersprechen."

In Slowenien entscheiden die Gerichte oft zugunsten der gekündigten Arbeitnehmer. "Was bedeutet, dass der Arbeitgeber Lohn und Gehalt nicht nur bis zum Kündigungstermin weiterzahlen, sondern bis zum Urteil – plus Verzugszinsen", erklärt Christoph Geymayer, Geschäftsführer der Ecovis-Kanzlei in der Hauptstadt Ljubljana. "In vielen Fällen enthalten die Tarifverträge Klauseln, die eine zusätzliche Strafzahlung an den Arbeitnehmer wegen rechtswidriger Beendigung des Arbeitsvertrags festlegen. Deshalb ziehen die Unternehmen freiwillige Vereinbarungen mit den betroffenen Arbeitnehmern vor, damit es nicht zum Prozess kommt."

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