Warum ist Klinsmann so erfolgreich?

04.07.2006

Erfolgsfaktor 4: Das Verhalten beim Spiel analysieren

Ebenso verhält es sich mit dem mittel- und langfristigen Erfolg. Auch um ihn zu beeinflussen, muss ein Trainer das Verhalten seiner "Mannen" beim Spiel analysieren. Nur so erfährt er, wer wie viele Zweikämpfe gewinnt und wie viele Flanken ankommen. Diese statistischen Daten allein nützen dem Trainer aber wenig, betont Schreiber. Denn wie zum Beispiel der Spieler Michael Ballack die Zahl der gewonnenen Zweikämpfe steigern kann, erfährt er erst, "wenn er sein Wissen, dass zu wenig Zweikämpfe gewonnen wurden, mit seinen Beobachtungen beim Spiel vergleicht". Erst dann wird klar, ob der Spieler so viele Zweikämpfe verlor, weil er zum Beispiel zu langsam ist oder ein schlechtes Stellungsspiel praktiziert oder ihm der nötige Einsatzwille fehlt. Folglich erkennt er auch erst dann, was getan werden sollte, damit künftig der gewünschte Erfolg eintritt.

Ebenso verhält es sich laut Schreiber beim Führen von Mitarbeitern in Unternehmen. Auch hier genügt es nicht, die Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter zu studieren. Die Führungskräfte müssen sich auch mit deren Weg dorthin befassen, denn nur dann können sie ihnen Tipps geben, um ihre Leistung zu steigern. Schreiber nennt ein Beispiel: Der Verkaufsleiter eines Softwareherstellers vereinbart mit einem Außendienstmitarbeiter Anfang Juli, dass dieser im September fünf Software-Lizenzen verkaufen soll. Wenn beide keine weiteren Vereinbarungen treffen, bleibt es dem Zufall überlassen, ob der Verkäufer im Juli und August die nötigen Vorarbeiten durchführt, damit er im September sein Ziel erreicht. Außerdem erfährt der Verkaufsleiter so erst Ende September, wenn der Mitarbeiter das Ziel verfehlt. Folglich kann er nicht mehr korrigierend eingreifen. Anders ist dies, wenn der Verkaufsleiter schon im Juli seinen Mitarbeiter fragt: "An wen wollen Sie im September fünf Lizenzen verkaufen?" "Welche potenziellen Kunden haben Sie im Auge?" "Wie kommen Sie mit ihnen in Kontakt?" ...

Erfolgsfaktor 5: Konsequenz und Rückgrat zeigen

Einen weiteren Erfolgsfaktor von Klinsmann nennt Roland Jäger, Managementtrainer aus Wiesbaden: Ausdauer und Konsequenz. Er ließ sich nicht beirren, als Niederlagen in der Vorbereitungsphase scheinbar signalisierten: Wir sind auf dem falschen Weg. Er hielt an seinem Kurs fest - was Klinsmann zeitweise den Ruf einbrachte, stur und beratungsresistent zu sein. Der Nationaltrainer schreckte auch nicht davor zurück, Oliver Kahn auf die Bank zu verbannen, als sich zeigte: Jens Lehmann passt besser in unser Spielsystem. Oder Spieler wie Christian Wörns und Kevin Kurrany nicht in den WM-Kader aufzunehmen - selbst auf die Gefahr hin, als Buhmann dazustehen, wenn die WM-Teilnahme sich als Flop erweist. Kurz: Klinsmann zeigte Rückgrat, als ihm ein rauer Wind ins Gesicht blies. Er zweifelte (zumindest öffentlich) nie an seiner Strategie und seinen Mannen. Er stellte sich vielmehr wie eine schützende Wand vor seine Spieler. Dadurch bot er ihnen Halt und Orientierung und vermittelte ihnen Sicherheit - was seine "Mitarbeiter", sprich Spieler, ihm nun zurückzahlen. (Bernhard Kuntz/mf)

Zur Startseite