Den Stärkencode knacken, ein Stärkenprofil erstellen
Generell lassen sich bei den Stärken fünf Dimensionen unterscheiden. Neben analytischen gibt es entdeckende, praktische, kooperative und stabilisierende Stärken. Und abhängig davon, wie stark diese bei Menschen ausgeprägt sind, fallen ihnen gewisse Aufgaben und Tätigkeiten leichter oder schwerer (siehe Kasten 1 - Stärken). Sinnvoll ist es bei der Personalentwicklung zunächst, Mitarbeiter dazu zu animieren, alleine oder mit professioneller Unterstützung, ein Stärken-Profil von sich zu erstellen, das zeigt, in welchen Bereichen ihre Stärken und noch ungenutzten Talente liegen. Danach kann in einem zweiten Schritt beispielsweise im Dialog mit der Führungskraft oder einem Coach ermittelt werden,
inwieweit es sich bei den identifizierten Stärken um bereits genutzte oder noch ungenutzte Stärken handelt, und
ob der Mitarbeiter beim Wahrnehmen gewisser Tätigkeiten bestimmte Stärken eventuell übertreibt, so dass hieraus Schwächen werden.
Die individuellen Stärken mit System entwickeln
Hierauf aufbauend kann dann erneut im Dialog mit dem Mitarbeiter ermittelt werden, welche Aufgaben er verstärkt übernehmen sollte, damit er seine Stärken noch besser oder umfassender nutzen kann; außerdem können mit ihm Entwicklungsmaßnahmen vereinbart werden, was er tun kann, damit sich seine noch ungenutzten Talente zu Stärken entwickeln und seine Stärken weiter gefestigt werden.
Eine Personaleinsatzplanung, die sich an den Stärken der Mitarbeiter orientiert, hat den Vorzug, dass die Mitarbeiter beim Wahrnehmen ihrer Aufgaben intrinsisch motiviert sind, da sie ihnen leicht von der Hand gehen und sie dabei überdurchschnittlich erfolgreich sind; und weil ihnen diese Erfolgserlebnisse - insbesondere, wenn sie zudem ein positives Feedback erhalten - Befriedigung bereiten, fragen sich die Mitarbeiter nahezu automatisch, wie sie die betreffende Aufgabe künftig noch besser machen können. Sie zeigen also die gewünschte Eigeninitiative und -verantwortung.
Aus Mitarbeitern werden Selbstmanager
Ähnlich verhält es sich bei der Personal- und Kompetenzentwicklung. Wenn Mitarbeiter ihre Stärken und Talente kennen, sind sie in der Lage, sich eigenständig zu überlegen,
was sie tun können, damit aus ihren noch ungenutzten Talenten Stärken werden, und
in welchen Aufgabenfeldern sie ihre Stärken noch (besser) nutzen können.
Das heißt, sie können für sich einen Entwicklungsplan entwerfen und danach beispielsweise das Gespräch mit ihrer Führungskraft darüber suchen,
inwieweit dieser persönliche Entwicklungsplan in ihrem Unternehmen beziehungsweise aktuellen Arbeitsfeld realisierbar ist, und
welche Unterstützung ihnen die Führungskraft beziehungsweise das Unternehmen bei dessen Realisierung bieten kann.
Das heißt, die Verantwortung für die Entwicklung des Mitarbeiters liegt anders als beim klassischen Talentmanagement nicht in den Händen einer fernen Personalentwicklungsabteilung, sondern sie ist und bleibt in der Selbstverantwortung des Mitarbeiters. Und die firmeninterne Personalentwicklung sowie die unmittelbaren Vorgesetzten des Mitarbeiters haben hierbei nur eine unterstützende Funktion.
Einen Paradigmenwechsel vollziehen
Ein solcher Paradigmenwechsel bei der Personal- und Kompetenzentwicklung ist in vielen modernen Unternehmen nötig, denn in ihnen können die Personalabteilungen - unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben und (beruflichen) Biografien der Mitarbeiter - immer schwerer erfassen, was die Mitarbeiter für ihre weitere Entwicklung brauchen. Und schon gar nicht kann der Bedarf mit zentral konzipierten Entwicklungsmaßnahmen befriedigt werden. Dafür ist der Entwicklungsbedarf individuell zu verschieden.
Entsprechendes gilt für die Führungskräfte speziell in Unternehmen, in denen die Kernleistungen weitgehend von vielen Spezialisten in oft bereichsübergreifender Team- und Projektarbeit erbracht werden. Auch sie können meist nur bedingt einschätzen, welche Förderung diese Spezialisten brauchen, um entweder noch mehr oder auch künftig die gewünschte Wirkung zu entfalten. Deshalb können sie im Prozess der Kompetenzentwicklung letztlich nur unterstützend agieren. Die zentrale Verantwortung hierfür muss beim Mitarbeiter bleiben. Deshalb ist ein Schwenk von einem eher zentral organisierten Talentmanagement hin zu einem individuellen Stärkenmanagement vor Ort sinnvoll, das die Mitarbeiter einerseits in die Pflicht nimmt und ihnen andererseits die nötigen Gestaltungsmöglichkeiten bietet. (OE)
Lesetipp: Mitarbeiter brauchen Motivation