BGH sieht Erstattungsanspruch

Unfallschäden und Rechtsanwaltskosten



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Leitlinien der Rechtsprechung

Dennoch führen Schadenabteilungen der Kfz-Haftpflichtversicherungen häufig das Argument ins Felde, Halter einer Fahrzeugflotte seien regelmäßig geschäftlich versiert und könnten daher einen Verkehrsunfall ohne Einschaltung eines externen Rechtsanwaltes bearbeiten. Diesen blumigen Ausführungen wird jedoch nahezu einhellig von der Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte eine klare Absage erteilt.

Die wesentlichen Leitlinien dieser Rechtsprechung lauten in etwa wie folgt:

1. Das "Regulierungsverhalten" einiger Versicherer hat selbst maßgeblich dazu beigetragen, dass infolgedessen eine nicht mehr überschaubare Rechtsprechung zu ersatzfähigen Unfallschäden entstanden ist. Allein die Frage nach der zutreffenden Höhe der zu regulierenden Schadenspositionen wie z.B. Reparaturkosten und Nutzungsausfall führt dazu, dass Verkehrsunfälle nicht mehr als einfach gelagerte Fälle zu klassifizieren sind (vgl. LG Mannheim -VRR 2007, 471, 472).

2. Aufgrund des "Regulierungsverhaltens" einiger Versicherer befindet sich die Rechtsprechung bei Unfallschäden darüber hinaus in einem ständigen Prozess der Fortentwicklung (vgl. LG Itzehoe, Schadenpraxis 2009, Seite 31). Diese ständig im Fluss befindliche Rechtsprechung ist für einen meist rechtsunkundigen Halter einer Fahrzeugflotte nicht mehr zu überschauen.

3. Bei einem nicht ganz einfach gelagerten Schadensfall gilt sowohl für Privatleute, als auch für Behörden oder Unternehmen (vgl. BGH NJW 1995, Seite 446), dass diese zur eigenen Müheverwaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet sind (vgl. BGH, a.a.O.). Nach hier vertretener Rechtsansicht würde die Anerkennung einer solchen Verpflichtung auf eine unbillige Entlastung des Schädigers hinausführen und desweiteren zur Folge haben, dass der Geschädigte überobligationsmäßige Anstrengungen zu unternehmen hätte, welche dem Schädiger bzw. seiner Versicherung nicht zugutekommen dürfen.

4. Verkehrsunfälle mit mindestens zwei Kraftfahrzeugen haben in rechtlicher Hinsicht zur Folge, dass eine Abwägung der jeweils mitwirkenden Betriebsgefahren nach § 17 II StVG vorzunehmen ist. In solchen Konstellationen, welche geradezu paradigmatisch für Verkehrsunfälle von Fahrzeugen einer Fahrzeugflotte im alltäglichen Straßenverkehr sind, ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts grundsätzlich geboten (vgl. LG Mannheim, a.a.O.; LG Straßenverkehr, LG Itzehoe, a.a.O.).

5. Des Weiteren wurde in Einzelfällen auch dann eine Verpflichtung zur Erstattung der Rechtsverfolgungskosten angenommen, wenn unter anderem

- die Rechtsabteilung einer größeren Firma nicht für die Unfallschadenabwicklung eingerichtet worden ist (AG Duisburg - Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 C 2446/12)

- der Versicherer selbst die Haftungslage erst nach Einsicht in die Ermittlungsakten beurteilen wollte und bei mindestens einer Schadenspositionen "Schwierigkeiten gemacht hat" (AG Münster - Urteil vom 8. Mai 2013 - 55 C 4095/12)

- der Schädiger den Unfallort unerlaubt verlassen hat, weil dann regelmäßig eine Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten erforderlich ist (AG Bad Homburg v.d.H. - Urteil vom 31. Dezember 2012 - 2 C 2061/12)

- der Versicherer während der Regulierung auch nur eine Schadensposition bestritten hat, weil dann das Argument, es habe sich um eine "ganz einfache Angelegenheit" gehandelt, nicht mehr verfängt (AG Nürnberg - Urteil vom 18. Dezember 2012 - 13 C 6057/12)

- auch die vorherige Zahlungsverweigerung ein weiteres Argument für die Anwaltseinschaltung sein kann (AG Oldenburg - Urteil vom 18. Dezember 2012 - 6 C 6237/12)

- der Versicherer dann, wenn er sich verklagen lässt, weil er nicht freiwillig alles zahlt, sich im Nachhinein nicht darauf berufen kann, ein Anwalt sei nicht erforderlich gewesen (AG Lübeck - Urteil vom 4. Oktober 2012 - 23 C 2312/12)

- letztlich das Argument, der Halter einer Fahrzeugflotte sei geschäftlich versiert und müsse bzw. könne sich ohne anwaltlichen Beistand um die Regulierung selbst kümmern, keine allgemeingültige Geltung beansprucht (AG Hamburg St. Georg - Urteil vom 21. April 2011 - 915 C 520/10).

Außergerichtliche Regulierung

Nach alldem kann Unternehmen und insbesondere Haltern von Fahrzeugflotten nur angeraten werden, bei der außergerichtlichen Regulierung von Verkehrsunfällen ihrer Flottenfahrzeuge nicht auf die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands zu verzichten.

Die vorgenannten Ausführungen dokumentieren, dass die Rechtsprechung regelmäßig auf Seiten des geschädigten Halters einer Fahrzeugflotte steht.

Jakobson rät, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA - Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. (www.vdvka.de) verweist. (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:
Bertil Jakobson, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Verkehrsrecht / Fachanwalt für Strafrecht, Mitglied des VdVKA - Verband Deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. sowie Vizepräsident des VdSRV Verband deutscher StrafrechtsAnwälte und Strafverteidiger e. V., c/o Kastell 1, 47441 Moers, Tel.: 02841 9980-188, E-Mail: info@kanzlei-jakobson.de, Internet: www.kanzlei-jakobson.de

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