Alpha-Tiere wollen gefordert werden
Eine solche Biografie sorgt aber nur dafür, dass das Alpha-Tier an der Unternehmensspitze dem Berater fünf oder zehn Minuten Aufmerksamkeit schenkt. In dieser Zeit muss der Consultant dem Top-Entscheider das Gefühl vermitteln:
Ich ticke ähnlich wie Sie,
ich spreche Ihre Sprache und
ich bin ein ähnlich "tougher guy" wie Sie.
Dies gelingt Beratern nicht, indem sie einem Top-Manager nach dem Mund reden. Im Gegenteil! Top-Entscheider wollen spüren: Hier steht mir eine Person mit Rückgrat gegenüber, die (wie ich) bereit ist, Risiken einzugehen. Denn nur dann entsteht bei ihnen das Gefühl: Dieser Berater kann mich und meine Kollegen (heraus-)fordern und die gewünschte Entwicklung auslösen.
- 1. Keine offene Kommunikation
Es wird zu wenig miteinander geredet. Führungskräfte schieben als Grund oft das Tagesgeschäft und mangelnde Zeit vor. In der Realität ist jedoch oft Unbehagen oder der Mangel an Know-how bezüglich angemessener Gesprächsführung der wahre Grund. - 2. Druck wird an Mitarbeiter weitergeleitet
Der aufgrund der anspruchsvollen Wettbewerbsbedingungen entstehende Druck schlägt ungefiltert auf die Mitarbeiter durch. Anstatt miteinander an Lösungen zu arbeiten, wird gegeneinander gearbeitet. Das fordert von allen Beteiligten sehr viel Kraft. Angemessen ist es, ressourcenschonend mit den Herausforderungen umgehen zu lernen. - 3. Zu wenig Interesse am Menschen
Führungskräfte haben meist sehr wirksame Erfolgsstrategien, die in der Zusammenarbeit mit Menschen oft nicht funktionieren. Sie sind häufig der Auffassung, alles alleine schaffen zu können. Spannungen und nichtkonstruktives Miteinander sind vorprogrammiert. Hieraus können permanente Überlastungsgefühle sowie Unzufriedenheit auf beiden Seiten resultieren, die zu Gesundheitsproblemen und möglicherweise zu innerer Kündigung führen können. Daraus resultierende wirtschaftliche Probleme sind nicht zu unterschätzen. - 4. Nicht offen für Ideen und Optimierungsvorschläge
Wenn Mitarbeiter regelmäßig auf taube Ohren stoßen, machen sie irgendwann zu und bringen sich nicht mehr ein. Resignation und innere Kündigung ist die Folge. - 5. Zu wenig Anerkennung
Regelmäßiges Lob fehlt. Vor allem Leistungsträger sehen keinen Sinn für ihre Anstrengungen, wenn ihre Leistung nicht wertgeschätzt wird. - 6. Meinung wird nicht gehört
Viele Mitarbeiter sind der Auffassung, ihre Meinungen hätten kein Gewicht. Häufig ist mangelnde Wertschätzung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter der Grund. - 7. Kein konstruktives Feedback
Jeder Beschäftigte will einen guten Job machen. Hierfür jedoch benötigt er den Vorgesetzten zur Standortbestimmung. Die dafür auch erforderliche konstruktive Kritik scheut der Vorgesetzte aber zumeist. - 8. Zu wenig Zeit für Mitarbeiter
Da Führungskräfte zu sehr mit ihren eigenen Themen und Arbeitsaufgaben beschäftigt sind, bekommen Mitarbeiter viel zu wenig Rückmeldung zu ihrer eigenen Arbeit. - 9. Persönliche Entwicklung wird nicht gefördert
Wenn sich niemand für den Menschen interessiert und dem Mitarbeiter keine persönlichen Entwicklungsziele in Aussicht gestellt werden, wird der Mensch unzufrieden. Die Folge: Er sucht nach einem passenden Job in einem anderen Unternehmen oder resigniert. Gezielte Förderung vermindert Abwanderungstendenzen erheblich. - 10. Die Aufgabe passt nicht zur Person
Menschen erzielen dann Höchstleistungen, wenn sie das machen können, was ihnen Freude macht. Das Unternehmen muss ein Umfeld aktiv bereit stellen, damit sich die Mitarbeiter entfalten und wohl fühlen können. Auch müssen die Erwartungen an den Mitarbeiter jeder Zeit klar sein.
Nur wenn ein Top Executive diesen Eindruck hat, schenkt er einem Berater mehr als fünf Minuten sei-ner wertvollen Zeit. Denn Alpha-Tiere wollen von Alpha-Tieren beraten (und gecoacht) werden. Nur Menschen mit einer solchen Ausstrahlung sind für sie akzeptable Sparringpartner, deren Aussagen sie Bedeutung beimessen. Und das tun sie, wenn dies der Fall ist, auch. Denn Alpha-Tiere wollen etwas bewegen. Sie wollen Spuren hinterlassen. Deshalb sind sie an einer klaren Rückmeldung interessiert, wie sie ihre Wirksamkeit erhöhen könnten. Sie akzeptieren jedoch nur Personen als Feedbackgeber, die sie entweder als gleichrangig oder als Autoritäten auf ihrem Themengebiet erachten.
Ziel: die Wirksamkeit erhöhen
Beim Beraten und Coachen von oberen Führungskräften geht es selten darum, individuelle Schwächen zu beseitigen. Denn als Individuen sind die Top Executives bereits spitze - sonst hätten sie ihre Position nicht erreicht. Das Ziel lautet vielmehr: ihre Wirksamkeit (in der Organisation) erhöhen. Und das ist nur möglich, wenn klar ist:
Wie wirken der betreffende Top-Manager und sein Verhalten auf sein Umfeld? Und:
Welche Verhaltensweisen schmälern seine Wirksamkeit?
Deshalb sollte, wenn es darum geht, die Wirksamkeit eines Top Executives zu erhöhen, stets das Feedback seiner Kooperationspartner eingeholt werden. Doch nicht nur dies. Den Kooperationspart-nern sollte auch mitgeteilt werden, an welchen Punkten sowie mit welchem Ziel die betreffende Person ihr Verhalten ändern möchte. Denn nichts verunsichert Kollegen und Mitarbeiter so sehr, wie wenn zum Beispiel ein CEO plötzlich, scheinbar unmotiviert sein Verhalten ändert. Hierdurch wird er für sie unbe-rechenbar.
Ähnlich verhält es sich, wenn das Ziel lautet, die Wirksamkeit eines Top Teams zu erhöhen. Auch dann muss den Teammitgliedern schnell vermittelt werden: Wir machen das nicht zum Vergnügen. Vielmehr soll ihre Wirksamkeit als Team so erhöht werden, dass zum Beispiel die von den Kapitalgebern vorgegebene Umsatzrendite von 15 Prozent erreicht wird.
Im Fokus steht die "Business Challenge"
Der Anlass, initiativ zu werden, ist also eine "Business Challenge". Und das Ziel des Prozesses ist es, die Dynamiken zu durchbrechen, die ihrer Bewältigung im Weg stehen. Und hierfür ist es auch nötig, die individuellen und kollektiven Verhaltensweisen und -muster der Top Team-Mitglieder zu thematisieren, die die Performance schmälern.
Hierzu sind die meisten Top-Manager auch bereit - selbst wenn es ihnen schwer, mit ihren Kollegen (oder gar Untergebenen) zum Beispiel darüber zu sprechen, warum sie deren Tun mit Misstrauen beäugen und viel Energie darauf verwenden sich abzusichern. Als Alpha-Tiere haben sie jedoch Maxime "No pain, no gain" verinnerlicht. Deshalb springen sie auch über ihren Schatten, wenn dies für das Erreichen von übergeordneten Zielen unabdingbar ist. Und genau dies muss der Berater ihnen vermitteln.
Kontakt und weitere Infos: Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur unter anderem Autor des "Change Management Handbuch" (Cornelsen Verlag) und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Er ist seit 1994 Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.