Der Mythos vom fertigen Experten
Öfter hören wir, ein Kandidat sei "ideal" - mit dem Zusatz: "wenn er nicht diese oder jene Macke hätte" oder "leider fehlt ihm aber diese oder jene Erfahrung oder Fähigkeit". Was tun? Wie das Risiko einer Fehlbesetzung minimieren? Unsere Aufforderung dazu: Personalentscheider sollten "ideal" ersetzen durch "in dem Zusammenhang, in dem die Position steht, der oder die Geeignetste". Sie sollten Abschied nehmen von der Idee, einen "fertigen" Experten oder Manager zu erhalten, der kontextunabhängig brilliert, und stattdessen bedenken, dass auch der glänzendste Kopf und der versierteste Profi sich am neuen Ort einleben müssen und "on the job" Fertigkeiten entfalten können, die vorher nicht sichtbar waren. Das Learning on the Job - verballhornt in der Wendung: "Die Leber wächst mit ihren Aufgaben" - bildet das Faktum ab, dass die Leistungsfähigkeit eines Kandidaten mit dem, was er konkret zu bewältigen hat, zunimmt.
Fünf Tipps, wie Sie Fehlbesetzungen vermeiden:
Tipp 1:
Verfallen sie nicht der Ähnlichkeitsfalle im Bewerbungsgespräch; beurteilen Sie den Kandidaten im Kontext mit den Aufgaben. Die Ähnlichkeitsfalle ist allgegenwärtig. Ähnlichkeit provoziert - wenn die Analogie erlaubt ist - Inzest.
Tipp 2:
Lassen Sie sich bei sensiblen Stellenbesetzungen nicht alleine von Ihrem Bauchgefühl oder Intuitionen leiten. Sie nutzen dann zwar Ihr Kompendium aus Erfahrungen, Wissen, emotionaler Stimmung und Implikationen. So hilfreich dieser Kompass sein kann - er führt sehr häufig in die Irre.
Tipp 3:
Man erliegt häufig der Illusion, ein dominant extravertierter Bewerber sei prinzipiell der geeignete Kandidat für eine Führungsposition. Dies schon deshalb, weil er sowohl verbal als auch durch seine Beziehungsausrichtung beeindruckt. Das ist sicher eine Fehleinschätzung. Sie sollten mehr auf den Kontext achten, in dem der Kandidat in einer definierten Rolle mit definierter Verantwortung agieren wird - und dabei stark in Rechnung stellen, dass Reden keine Ziele realisiert.
Tipp 4:
Machen sie nicht automatisch Ihre fachlichen Koryphäen zu Führungskräften, beurteilen Sie sie nach den gleichen Kriterien, wie Sie auch externe Anwärter beurteilen. Denn Fachliche Koryphäen tragen Erhebliches zum Unternehmenserfolg bei - allerdings nicht zwangsläufig in Führungspositionen.
Tipp 5:
Einstellungstest und Assessment Center geben nur zum Teil valide Aussagen. Die Geübten und in Testverfahren erfahrenen Kandidaten schneiden immer besser ab als die ungeübten, unerfahrenen nicht Geeigneten. (oe)
Der Autor Ronald May ist Vorstand der Personalberatung FMT international.
Zum Buch:
Ronald May: Die Menschenerkenner. Wie man die passenden Kandidaten findet und Fehlbesetzungen vermeidet, 192 Seiten, 24,80 Euro, ISBN 978-3-86980-110-0 , www.businessvillage.de/eb-845.html
Kontakt:
BusinessVillage GmbH, Jens Grübner, Tel.: 0551 2099-104, E-Mail: jg@businessvillage.de