"Schwächen" sind übertriebene Stärken
Bei einem genauen Betrachten der sogenannten Schwächen zeigt sich zudem meist: Sie sind über-trieben ausgeprägte Stärken. So arbeitet zum Beispiel eine Person, die "zur Pedanterie neigt", sehr gewissenhaft. Eine Eigenschaft, die jeder Buchhalter braucht. Zur Schwäche wird ein solches Verhalten erst, wenn der Mitarbeiter Aufgaben wahrnimmt, bei der dieses Verhalten den Erfolg eher verhin-dert als fördert.
Hierfür ein Beispiel. Wenn ein Fluglotse zig Mal prüft, ob die Landebahn frei ist, bevor er einem Flug-zeug die Landeerlaubnis erteilt, dann handelt er verantwortungsbewusst und nicht zögerlich. Denn eine falsche Entscheidung kann Hunderte Menschen das Leben kosten. Prüft ein Einkäufer hingegen vorm Kauf von zehn Pack Klopapier hundert Mal, wo er diese günstiger erhält, dann ist dies eher ein Zeichen mangelnder Entschlusskraft. Dasselbe Verhalten kann also eine Stärke und eine Schwäche sein.
Diese Zusammenhänge sind vielen Menschen nicht bewusst. Wenn sie im Alltag häufig mit denselben Schwierigkeiten kämpfen, verdichtet sich bei ihnen schnell das Gefühl: Ich habe hier eine Schwäche. Dieses Gefühl wird mit der Zeit so stark, dass sie ihre Stärken aus dem Blick verlieren. Entsprechend unsicher werden sie.
Dann ist oft ein neutraler Gesprächspartner nötig, der ihnen die Augen öffnet - nicht nur für ihre offen-sichtlichen Stärken, sondern auch für die Stärken, die sich hinter ihren "Schwächen" verbergen. Dies eröffnet ihnen neue Handlungsperspektiven.
Ein solches Augen-Öffnen ist auch fruchtbar, weil viele Menschen, die regelmäßig gegen dieselben Barrieren stoßen, glauben: Ich muss mich radikal verändern. Wenn die meisten Schwächen jedoch übertrieben ausgeprägte Stärken sind, ist das nicht nötig. Dann genügen oft kleine Verhaltenskorrek-turen, um wieder in die Erfolgsspur zu gelangen. (oe)