Eigentlich hätte Rakuten das Zeug dazu, unter den Internet-Marktplätzen wirklich etwas zu bewegen: Nicht nur, dass das Unternehmen in Japan der klare E-Commerce-Marktführer ist und auch finanziell bestens aufgestellt ist - mit einem weltweiten Netz an Online-Marktplätzen, dem Streaming-Dienst Wuaki.tv, der Messaging-App Viber und weiteren Zukäufen hätte es Rakuten in der Hand, ein Ökosystem aufzubauen, das selbst der E-Commerce-Plattform von Amazon in keinster Weise nachstünde. Bei Händlern und Branchenbeobachtern weckt der japanische Konzern damit Erwartungen nach einer langersehnten Marktplatz-Alternative zu Amazon und eBay. Erwartungen, die auch Rakuten-CEO Hiroshi Mikitani gerne bedient, wenn er davon spricht, die Pole Position unter den Online-Marktplätzen im Visier zu haben.
Umso größer war die Enttäuschung, als Christian Macht, der damals frischgebackene Deutschland-Chef des Unternehmens, sich beim Händlertreffen "Rakuten Expo 2014" dafür entschuldigte, zu viel versprochen zu haben: Man sei nicht so erfolgreich geworden, wie man es sich gewünscht habe. Zum Teil habe das daran gelegen, dass das Gründer-Team des 2011 von Rakuten übernommenen deutschen Marktplatzes Tradoria die Integration in die internationalen Strukturen des Konzerns nicht zügig genug vorangetrieben habe. Im Gespräch mit ChannelPartner gelobte Rakuten.de-Chef Macht Besserung: Man werde die globale E-Commerce-Plattform des Konzerns einführen, die Integration mit anderen Rakuten-Diensten vorantreiben und auch die Marketing-Anstrengungen erhöhen. Konkrete Festlegungen vermied der ehemalige Groupon-Manager jedoch.
Wie sich nun zeigt, verzichtete Christian Macht aus guten Gründen auf allzu handfeste Ankündigungen: Gut ein Jahr später hat sich bei Rakuten.de weiterhin nicht viel getan. Auf die globale Plattform RMSg wird in Deutschland erst nach Großbritannien und Spanien umgestellt, wie es nun heißt "im ersten Halbjahr 2016". Immerhin soll der Parallelbetrieb einer Testversion des neuen Rakuten.de mit freiwilligen Pilothändlern bald starten. Größere Fortschritte, wie die Möglichkeit, internationale Angebote aus einem Backende heraus zu steuern, werden allerdings erst mit der endgültigen Umschaltung auf die neue Plattform möglich werden. Und auch größere Marketing-Initiativen sind in der Übergangszeit eher nicht zu erwarten.
Mit kleinen Schritten voran
Am ehesten voran geht es bei Rakuten.de mit kleinteiligen, durchaus sinnvollen Entwicklungen, die den erhofften Befreiungsschlag aber wohl kaum bringen werden. So wurden Schnittstellen geschaffen, mit denen deutsche Rakuten-Händler leichter Angebote auf dem populären französischen Marktplatz Priceminister.com einstellen können. Tagtäglich helfen die E-Commerce-Consultants des Unternehmens Händler dabei, ihre Rakuten-Shop erfolgsträchtiger zu gestalten. Mit der Rakuten University und einer Roadshow bietet der Online-Marktplatz dabei auch Formate, die vor einigen Jahren bei eBay-Händlern recht beliebt waren. Und schließlich hat Rakuten.de die angekündigte Trennung von "schwarzen Schafen" vollzogen, die mit qualitativ minderwertigen Angeboten dem Ansehen des Marktplatzes schadeten. Im Rahmen der von Rakuten erworbenen europäischen Banklizenz und der Umsetzung damit einhergehender Geldwäschebestimmungen seien "einige Händler" herausgefallen, erklärt Christian Macht. Doch sei es durch die Gewinnung neuer Anbieter gelungen, die Zahl der Merchants weiter bei mehr als 7.000 zu halten.
Ein neuer Impuls für Rakuten.de ist schließlich auch die Nachricht, dass der Möbelhändler Butlers einen Shop auf der Plattform eröffnet hat. Der populäre Multichannel-Anbieter bezeichnet die Kooperation mit Rakuten als "wichtigen Baustein im Rahmen des Ausbaus unserer Marktplatz-Aktivitäten" - und unterstreicht damit einmal mehr, wie groß der Wunsch deutscher Händler nach einer schlagkräftigen Alternative zu Amazon und eBay ist. Doch zumindest vorerst handelt es sich dabei noch zu einem großen Teil um Wunschdenken.