Touchpoint Management

"Mitarbeiter muss man einbinden"



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Meeting: ein Touchpoint in 30 Minuten

Und wie laufen die 30 Minuten dann ganz genau ab?
Schüller: Das geht wie folgt:
5 Minuten: Beschreibung eines nicht länger tragbaren Istzustandes, am besten via Storytelling: Dabei wird etwa über eine Reklamation berichtet, die ein Kunde an einem bestimmten Touchpoint hatte, welche Probleme das brachte und welche Konsequenzen das nach sich zog.
5 Minuten: Sammlung von Ideen, wie man diesen Punkt optimieren und damit Ärger in Zukunft vermeiden kann. Hier brauchen wir zunächst Quantität. Deshalb sollen die Teilnehmer in dieser Phase still und leise arbeiten, damit jeder seine Ideen unbeeinflusst in Worte fassen kann. Diese werden auf Kärtchen notiert und an eine passende Wand gepinnt.
10 Minuten: Jeder, der ein Kärtchen geschrieben hat, erläutert seine Idee kurz und knapp. Anschließend erfolgt eine Kurzdiskussion.
5 Minuten: Mehrheitsentscheid für die favorisierte Idee. Der Chef - er ist Moderator dieses Prozesses, damit die Teilnehmer inhaltlich arbeiten können - hat dabei nie das erste, sondern immer das letzte Wort. Warum? Damit die ‚Weisheit der Vielen‘ genutzt werden kann. Denn das ‚Machtwort‘ des Chefs lässt wertvolle Initiativen und dringend benötigte Kreativität oft einfach versanden. Natürlich hat der Chef, wenn vereinbart, ein Veto-Recht. Davon sollte er allerdings nur ganz ausnahmsweise Gebrauch machen. Sonst erzieht er sich lauter Mündel, die meinungslos an seinen Lippen hängen und auf Anweisungen warten.
5 Minuten: To-do-Plan erstellen, also: Wer macht was mit wem bis wann. Dazu gehört auch ein Folgetermin, um zu besprechen, wie sich die Sache entwickelt, ob weiter feinjustiert werden muss und welche Ergebnisse erzielt worden sind.

30 Minuten sind nicht viel, doch lässt sich, wie man sieht, bei konzentriertem Arbeiten in dieser Zeit sehr viel erreichen. Sie erwähnten auch noch einen zweiten Weg. Wie sieht denn dieser aus?

Ein zweiter sehr effizienter Weg ist ein Touchpoint-Großgruppen-Event. Dabei können an einem einzigen Tag zwischen 50 und 100 Mitarbeiter zu unterschiedlichen Touchpoint-Themen konkrete Konzepte entwickeln.



Und wie läuft eine solche Großgruppenveranstaltung idealerweise ab? Sie haben diese ja schon bei einigen Software-Herstellern durchgeführt.
Schüller: Stimmt. Zunächst steht am Vormittag ein etwa dreistündiger Impulsvortrag auf dem Programm, der bereits all die Aspekte enthält, die dann am Nachmittag vertieft werden sollen. Hierzu engagiert man am besten einen externen Experten, der sich als Advokat des Kunden versteht, neue Sichtweisen beleuchtet, Beispiele erzählt, vor Abgründen und Irrwegen warnt und auch unangenehme Wahrheiten zur Sprache bringt. Das ist eine Rolle, die nur ein Außenstehender einnehmen kann. Solches Querdenken ist offiziell ja immer erwünscht, aber für Mitarbeiter aus dem eigenen Haus meist viel zu gefährlich. Denn es kann Karrieren bedrohen. Deshalb sollten Unternehmen sich unbedingt den Luxus eines externen Querdenkers leisten.

Am Nachmittag werden die Teilnehmer dann in Arbeitsgruppen zusammengeführt. Diese bestehen idealerweise aus fünf bis sieben Personen - abteilungsübergreifend zusammengesetzt und auf gleicher Hierarchie-Ebene angesiedelt. Sind mehrere Hierarchie-Ebenen anwesend, arbeiten die Top-Führungskräfte in einer eigenen Arbeitsgruppe. Denn Hierarchie bremst den Arbeitsfluss einer Gruppe Gleichrangiger, anstatt ihn zu fördern. Auf jedem Tisch liegen Arbeitsmaterialien sowie eine bereits vorbereitete Aufgabenstellung: Eine konkrete Touchpoint-Thematik, zu der die Gruppe dann gemeinsam ein unternehmerisches Konzept erstellt.

Ein unternehmerisches Konzept? Wie sieht das denn im Einzelnen aus? Und wie geht das Ganze dann in die Umsetzung?
Schüller: Ich verwende dazu einen Musterablauf, bei dem zunächst die Ist-Situation besprochen, dann die Soll-Situation definiert und schließlich ein detaillierter Maßnahmenplan erstellt wird. Dazu gehört auch ein Zeit- und Budgetplan sowie ein Instrument, das den Erfolg überwacht und misst. Ich bin übrigens immer ganz paff, welche tollen Ergebnisse dabei entstehen. Einige davon habe ich in meinem Buch ‚Touchpoints‘ ja auch präsentiert.

Für die Konzepterstellung veranschlage ich etwa 90 Minuten. Gibt man mehr Zeit, bleiben die Teilnehmer meist zu lange im Lamentieren über die Ist-Situation. Die erarbeiteten Ergebnisse werden vom jeweiligen Gruppensprecher im Plenum präsentiert. Umsetzungsentscheidungen werden sofort durch 2/3-Mehrheitsentscheid getroffen. Der Chef hat dabei übrigens nie das erste, sondern höchstens das letzte Wort. Komplexe Themen mit einem höheren Abstimmungsbedarf werden zeitnah im Anschluss an die Veranstaltung weiterbearbeitet und zügig entschieden. (oe)

Das Buch zum Thema:
Anne M. Schüller: Touchpoints. Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt. Gabal, 3. Auflage 2013, 350 S., 29,90 Euro
Ausgezeichnet als Mittelstandsbuch des Jahres und mit dem Deutschen Trainerbuchpreis 2012

Das Hörbuch zum Thema
Anne M. Schüller: Touchpoints. Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt, ungekürzte Hörbuchfassung, 8 CDs, ISBN 978-3-86936-501-5, € 49,90, Die Autorin Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, zehnfache Buch- und Bestsellerautorin und Business-Coach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing und ein kundenfokussiertes Management. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum und ist Gastdozentin an mehreren Hochschulen. Wenn es um das Thema Kunde geht, gehört sie zu den meistzitierten Experten. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der deutschen, österreichischen und schweizerischen Wirtschaft.
Weitere Informationen: www.anneschueller.de

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